Notbetreuung auch für gefährdete Kinder Bonner Pädagogen sorgen sich um das Wohl benachteiligter Kinder

Bonn · „Unser Blick auf das Kind fehlt“, sagt eine Pädagogin angesichts der Corona-Krise. Gerade in der Schule oder im Kindergarten falle auf, wenn etwas mit dem Kind nicht stimmt. Das Land hat nun die Notbetreuung für Problemfamilien geöffnet.

 Geschlossene Schulen und Kitas bringen Probleme mit sich, vor allem für Kinder aus schwierigen Familien,

Geschlossene Schulen und Kitas bringen Probleme mit sich, vor allem für Kinder aus schwierigen Familien,

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Schulen sind seit geraumer Zeit geschlossen, der Unterricht findet seit der Corona-Krise quasi zu Hause statt. Das bringt Probleme mit sich, und zwar vor allem für Kinder aus schwierigen Familien, sagt eine Lehrerin, die anonym bleiben möchte. „Unser Blick auf das Kind fehlt“, so die Pädagogin. „Das bereitet uns Sorgen.“

Vielfach falle im Kindergarten oder in der Schule auf, dass mit einem Kind etwas nicht stimme. So achte man auf Verhaltensänderungen, im Sport- oder Schwimmunterricht auch auf die körperliche Unversehrtheit. Ohne den täglichen Unterricht fiele eine Vernachlässigung – welcher Art auch immer – eventuell nicht auf. Auch in den Sommerferien sei man zwar wochenlang nicht da. „Ich denke aber, dass die Situation nun durch die Einschränkungen verschärft ist.“

 Manche Eltern interessierten sich nicht dafür, ob außerhalb der Ferien Wochenpläne bearbeitet würden, die Kinder regelmäßig und gesund essen oder der Tag sinnvoll gestaltet werde. Selbst Zu-Bett-Gehen oder Aufstehen könnten ein Problem sein. „Der Tag-Nacht-Rhythmus kann völlig durcheinander kommen und zu Hause kümmert sich keiner.“

NRW öffnet Notbetreuung für “Problemfamilien“

Diese Sorge wird wohl von der Politik geteilt. So haben die NRW-Ministerien für Familie und Schule beschlossen, dass ab sofort auch die Kinder, bei denen das Kindeswohl gefährdet ist, in Kitas und Schulen gehen dürfen. Bisher konnten nur die Familien die Notbetreuung in Anspruch nehmen, in denen mindestens ein Elternteil in einem „systemrelevanten“ Beruf arbeitet – zum Beispiel im medizinischen Sektor.

Die Entscheidung, ob ein Kind derzeit in einer Schule oder in einer Kita betreut werden soll, trifft das Jugendamt. Doch auch Schulen und Kitas können auf mögliche Fälle hinweisen, die dann geprüft werden. Dabei, so teilt Andrea Schulte vom städtischen Presseamt mit, habe man nicht nur die bekannten Fälle im Blick. Sondern auch diejenigen, „bei denen erst jetzt Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung bekannt werden und für die keine anderweitigen Hilfen ausreichend sind, um die Gefährdung abzuwenden“.

Viel Leid findet unbemerkt hinter verschlossenen Türen statt

Generell begrüße man die neue Rechtsverordnung ausdrücklich, so die Sprecherin. Denn es sei definitiv ein Problem, wenn Kitas und Schulen länger geschlossen sind. Sie seien – so wie auch Vereine und Freunde – „immens wichtig für die kindliche Entwicklung sowie eine ausgeglichene familiäre Stabilität“, so Schulte. Darüber hinaus böten sie auch Entlastung für überlastete Eltern. Und: Anhaltspunkte einer möglichen Kindeswohlgefährdung würden seitens der Pädagogen häufig erkannt. Das sei ein wichtiger Schutzfaktor.

Ebenso wie die Arbeit der Fachdienste für Familien- und Erziehungshilfe (FFE), die in Coronazeiten weiter stattfindet. Das schließt laut Schulte Hausbesuche bei den Familien mit Betreuungsbedarf ein – sofern sie „aus fachlicher Sicht zwingend erforderlich sind“. Bei der freiwilligen Erziehungshilfe läuft es anders, soweit möglich stehen Videokonferenzen, Telefonate oder Termine im Freien an. Sollte das nicht ausreichen, sind allerdings auch in diesem Bereich Hausbesuche möglich, bei denen die Hygienevorgaben des Robert-Koch-Instituts eingehalten werden.

Ob das alles hilft? Sie hoffe, dass das Jugendamt die Kinder weiterhin im Blick habe und Nachbarn aufmerksam bleiben, so die Lehrerin. „Die Öffnung der Notbetreuung finde ich gut und wichtig.“ Eine Sorge aber bleibt: „Ich befürchte, dass viele Kinder dort gar nicht ankommen, weil das Leid unbemerkt hinter verschlossenen Türen stattfindet.“

Eltern, Kinder oder auch Nachbarn finden Hilfe bei der FFE-Dienststelle oder beim schulpsychologischen Dienst (Kontakt unter www.bonn.de). Meldungen mit Verdacht auf Kindeswohlgefährdungen nimmt der Fachdienst Kinderschutz (Tel.: 0228/775525 oder kinderschutz@bonn.de) entgegen.

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