Ergebnis einer Umfrage Schulen in Bonn und der Region wollen zurück zu G9

Bonn/Region · Die Gymnasien in der Region Bonn und Rhein-Sieg werden ganz überwiegend künftig wieder G9 anbieten. Das ergab die aktuelle Umfrage des General-Anzeigers unter den Schulen.

Die Gymnasien in der Region Bonn und Rhein-Sieg werden ganz überwiegend künftig wieder G9 anbieten. Das ergab die aktuelle Umfrage des General-Anzeigers unter den Schulen. Zwar sind die gesetzlichen Voraussetzungen auf Landesebene in Düsseldorf noch nicht vollständig geschaffen, aber die Leitentscheidung für G9 – also die Rückkehr von der achtjährigen zur neunjährigen Gymnasialzeit – wird von keiner Schule in Frage gestellt. Manche Schulen haben sich aus formalen Gründen noch nicht abschließend zu G9 bekannt.

An G8 scheiden sich die Geister. Und das seit Einführung der verkürzten Gymnasialzeit im Jahre 2005. Kaum ein Thema, das in den vergangenen Jahren so heiß diskutiert wurde an den Schulen und außerhalb. Sollen Gymnasiasten die Hochschulreife in acht oder in neun Jahren erwerben? Die Intention, die Schulzeit abzukürzen, war immer klar: Die Pisa-Studie hatte den deutschen Schülern Ende 2001 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. In der Folge geriet der späte Einstieg ins Berufsleben in die Kritik. Eine Medizin: G8. Acht Jahre Gymnasium statt neun. Die Schüler sind ein Jahr früher fertig.

Anstatt aber zügig mit dem Studium zu beginnen und rasch das Examen abzulegen, entschieden sich viele Abiturienten für Sabbatjahr und Auslandsaufenthalt. Stichwort: Work and Travel. Ziel verfehlt, hieß es da plötzlich. Klar gab es auch andere Fälle. Schüler, denen der Zeit- und Leistungsdruck kaum etwas ausmachte und die zum Durchmarsch ansetzten. Die die Chance nutzten, fix studierten und schnell in den Beruf kamen.

Schritte sind noch nicht beschlossen

Aber viele Schüler taten und tun sich schwer. Im Laufschritt durch die Vorgaben des Lehrplans. Lange Schultage, kaum Ausgleich im Verein, weil einfach nicht mehr die Zeit dafür da ist. Die Eltern klagen über gestresste Kinder. Der Sektor des Nachhilfewesens ist ein eigenständiger Wirtschaftszweig geworden. Auch die Lehrer sind nicht zu beneiden. Der Lehrplan wurde gestrafft. Inhalte, für deren Verständnis einfach ein bisschen Muße nötig ist, wie die vertiefte Einsicht in die hohe Literatur, wurden zu Multiple-Choice-Abfragewissen degradiert.

Obwohl sich die Welle des Protestes seit Einführung von G8 im Jahre 2005 immer stärker aufbaute, wollte die rot-grüne Landesregierung keinen harten Schnitt machen. Die Wähler nahmen ihr die Entscheidung ab und brachten CDU und FDP ins Amt. Viele sagen: Nicht zuletzt wegen der Unzufriedenheit mit dem Schulsystem. Die Union war mit dem Wahlversprechen der Abkehr von G8 ins Rennen gegangen. Deshalb hat das Schulministerium nun schnell einen G-9-Plan aufgelegt, von dem bereits die nächsten gymnasialen Eingangsklassen betroffen sind – wahlweise könnte man sagen: profitieren sollen.

Weil aber gesetzgeberische Vorgänge so ihre Zeit brauchen, sind zwar die nächsten Schritte schon definiert, aber noch nicht verbindlich beschlossen. Das bringt auch die Schulen in der Region in eine Zwickmühle. Einerseits sind die Werbeveranstaltungen schon gelaufen und die Anmeldeverfahren stehen für Anfang Februar an. Andererseits können sie den offiziellen Gang des Gesetzgebungsverfahrens auch nicht überspringen und Dinge versprechen, die noch nicht abschließend beschieden sind. Die Frage „G8 oder G9“ ist stark imagebildend, eins der zentralen Kriterien für Eltern. Die wüssten gern vorab, unter welchen Bedingungen ihre Kinder den Weg zum Abitur antreten. Die lebenswegwichtige Entscheidung steht jetzt Anfang Februar an.

GA-Umfrage: Bonn

Schulen gehenkünftig von G9 aus

Deshalb hat der General-Anzeiger eine Umfrage unter den weiterführenden Schulen mit Gymnasialzweig in seinem Verbreitungsgebiet gemacht. Knapp 70 Prozent der Schulen antworteten. Fast alle gehen davon aus, dass für sie künftig G9 gilt. Die Leitentscheidung der Landesregierung wird weitgehend akzeptiert. Die Gesamtschulen haben schon immer G9 als Basisangebot gehabt, Berufskollegs bieten etwa auf ihren Wirtschaftsgymnasien auch die elfte bis 13. Klasse an. Die privaten und städtischen Gymnasien werden fast alle wieder zurückgehen. Doch der Weg dorthin stellt sich ganz unterschiedlich dar.

Dorothee von Hoerschelmann, Leiterin des Helmholtz-Gymnasiums, äußerte sich im Auftrag aller städtischen Gymnasien in Bonn (ausgenommen das Friedrich-Ebert-Gymnasium, siehe unten). Man habe sich aufgrund vieler Nachfragen an den Tagen der offenen Tür darauf verständigt, dass die Rückkehr nach G9 „die Leitentscheidung“ für die Gymnasien sei. „Wir haben darüber informiert, dass die Entscheidung über einen Verbleib bei G8 in die Zuständigkeit der Schulkonferenzen fällt und nur mit einer Zweidrittelmehrheit plus einer Stimme in der Schulkonferenz zu erreichen ist. Diese Entscheidung steht jedoch zurzeit noch nicht an.“

Denn: Zu den erforderlichen Rahmenbedingungen könnten die Schulleitungen im Moment nur sagen, dass die Raumfragen für einen zusätzlichen Jahrgang noch offen sind. „Im Augenblick ist ja noch nicht im Detail absehbar, wie hoch der zusätzliche Bedarf an Schulraum sein wird. Zu diesem Thema wird es natürlich zu gegebener Zeit vertrauensvolle Gespräche mit der Stadt Bonn als Schulträger beziehungsweise bei den privaten Gymnasien mit den jeweiligen privaten Schulträgern geben.

Umsetzung wird große Probleme bringen

Die Schulleitung des Friedrich-Ebert-Gymnasiums (FEG) hat sich als städtisches Gymnasium bereits positioniert und in einer eigenen Antwort erklärt, sie habe eine Empfehlung abgegeben, nach der das FEG zu G9 zurückehren solle. „Flankiert werden soll die Einführung von G9 durch besondere Unterstützungsmöglichkeiten, die es leistungsstarken Schülern systematisch erlauben, ein Schuljahr zu überspringen und damit nach acht Jahren ihr Abitur zu erwerben“, sagte Schulleiter Frank Langer.

Am privaten Ernst-Kalkuhl-Gymnasium in Beuel ist man schon weiter: „Wir haben am diesjährigen Tag der offenen Tür bereits verkündet, dass wir mit dem nächsten Jahrgang 2018/19 zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren werden. Dafür gab es anhaltenden Applaus“, sagte Ingo Wittrock, stellvertretender Direktor. Auch bei den Aufnahmegesprächen sei diese Entscheidung von den Eltern einhellig begrüßt worden. „Die Abfrage in unserer Schulkonferenz fiel ebenfalls einstimmig zugunsten von G9 aus, wurde also ebenso von den Eltern- wie auch den Schülervertretern gewünscht.“

Dennoch werde die Umsetzung große Probleme bringen. Im Zuge von G8 seien Klassenräume umgebaut worden, etwa als Mensa oder Computerräume. „Es muss also irgendwo neuer Raum geschaffen werden, da man spätestens in fünf Jahren wieder drei Klassenräume mehr benötigt.“ Die finanzielle Mehrbelastung sei erheblich, und „wir hoffen sehr, dass wir als Privatschule auch an dem durch die Landesregierung versprochenen finanziellen Ausgleich beteiligt werden“.

Auch das Sankt-Adelheid-Gymnasium (SAG) hat laut Schulleiter Egbert Bachner die Entscheidung gefällt, zu G9 zurückkehren zu wollen. „Bereits im September habe ich auf unserer Website für die Eltern der jetzigen Klassen 4 erklärt, dass wir wieder auf G9 umstellen, vorausgesetzt, das Land erledigt dazu seine Hausaufgaben, sprich: erlässt die notwendigen Gesetze.“ Wie die neue G-9-Landschaft aussehen werde, sei in vielen Bereichen offen. Eine spannende Frage sei, ob und in welcher Form das Land seine bisherige finanzielle Unterstützung für die Mittagspausen der Schüler beibehalte. Schließlich hätten alle Schulen eine Mensa-Landschaft aufgebaut. „Es wäre unsinnig, diese wieder abzureißen. Am SAG haben wir schon immer wegen unseres nachmittäglichen Tagesinternates eine Mensa mit Küche mit einem Essensangebot im Programm. Dies wird auch weiterhin so bleiben.“

Auch die Liebfrauenschule plane grundsätzlich die Rückkehr zu G9, sagte Schulleiterin Mechthild Wolber. „Details über die genaue Umsetzung fehlen aber immer noch, so dass zurzeit Konkretes kaum dazu gesagt werden kann. Fest steht lediglich, dass auch die Schülerinnen, die im nächsten Jahr eingeschult werden, nach G 9 beschult werden. Für alle interessierten Eltern ist damit Klarheit geschaffen und deutliche Erleichterung spürbar“, so Wolber weiter.

Aussagen der Schulen sind noch nicht rechtsverbindlich

Stadtsprecherin Monika Hörig erklärt, die Stadt Bonn als Schulträger könne noch keine konkreten Planungen bezüglich einer möglichen Rückkehr zu G9 durchführen, weil die Schulen noch nicht rechtsverbindlich darüber entschieden hätten und es derzeit auch noch nicht könnten. Der Entwurf sei zunächst von Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden beraten worden; die Entscheidung falle dann vor den Sommerferien im Landtag. Erst wenn diese Rechtsgrundlage verabschiedet worden sei, könnten die Schulen im kommenden Schuljahr im Rahmen ihrer Schulkonferenzen rechtsverbindlich entscheiden, ob sie G8 beibehalten möchten. „Wenn die Schulkonferenz keinen Beschluss zu G8 verabschiedet, gilt die Leitentscheidung der Landesregierung: G9“, erklärte Hörig.

Die Schulleitungen könnten derzeit nur allgemeine Stimmungsbilder aus der eigenen Schulgemeinschaft wiedergeben. „Eine Aussage über aktuelle Tendenzen an den Bonner Gymnasien kann jede Schulleitung zwar selbst in eigener Verantwortung für die eigene Schule tätigen. Dies hat zum jetzigen Zeitpunkt aber keinerlei Rechtsverbindlichkeit.“

Grundsätzlich gelte: Vor dem Wechsel von G9 zu G8, den seinerzeit alle städtischen Gymnasien vollzogen haben, hätten alle städtischen Gymnasien über das entsprechende Raumprogramm für G9 verfügt. Eine Erhöhung der Zügigkeiten an den städtischen Bonner Gymnasien habe es seither nicht gegeben. Der Wechsel von G9 auf G8 habe vielerorts einer angespannten räumlichen Situation eine gewisse Entlastung verschafft. Die durch den Wechsel von G9 auf G8 frei gewordenen Räume seien seither unter anderem für großzügigere Differenzierungen, Angebote im Ganztag, Inklusion und Internationale Vorbereitungsklassen genutzt worden. „Ob und in welchem Umfang aus der Leitentscheidung G9 etwaiger zusätzlicher Raumbedarf zu formulieren ist, ist in jedem Einzelfall mit der jeweiligen Schule abzustimmen“, sagte die Stadtsprecherin.

GA-Umfrage: Region

Gymnasien im Rhein-Sieg-Kreis weitgehend festgelegt

Die Gymnasien im Rhein-Sieg-Kreis haben sich schon weitgehend auf G9 festgelegt, selbst wenn der gesetzliche Rahmen noch nicht festgeschrieben ist. Sie stehen auf dem Standpunkt: Die Gymnasialzeit von neun Jahren ist künftig Standard. Nur bei etwaiger Abweichung muss die Schulkonferenz beschließen. Das wird in der Regel nicht passieren. Also kann man schon jetzt damit werben, dass G9 kommt. Diese Sicherheit ist auch für die Eltern wichtig. Was der Systemwechsel für die Zahl der Räume und für die Kosten bedeutet, ist nach dem Ergebnis der GA-Umfrage valide noch nicht zu beurteilen. Schätzungen gehen bislang von einem Raumbedarf von zusätzlich vier bis fünf Räumen pro Schule aus.

Joachim Schneider vom Anno-Gymnasium Siegburg sagt: „Zusätzliche Personalkosten entstehen nicht, weil die Stundenzahl in den einzelnen Jahrgangsstufen verringert wird und die Schüler weniger Wochenstunden haben.“

Ganz anders sieht die Situation im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz aus. Dort ist das Abitur nach achteinhalb Jahren Standard, daneben wird aber auch G8 angeboten. Die Acht-Jahres-Variante ist nur in Verbindung mit einem Ganztagesschulangebot möglich. Das heißt dann „G8GTS“ – so wie beispielsweise am Are-Gymnasiumin Bad Neuenahr G8. „Bei uns wird wie an 22 ausgewählten Standorten sehr erfolgreich G 8 angeboten“, sagt der dortige Schulleiter Heribert Schieler.

„Der Grund für unseren Erfolg ist, dass unser System nicht aus Gründen von Sparmaßnahmen eingeführt wurde, sondern im Gegenteil wesentlich teurer ist als G9. Wir haben ein Drittel mehr Lehrkräfte zur Verfügung, unsere Schüler erhalten ein vollwertiges Mittagessen, und wir verfügen über ein ausreichendes Raumangebot, um Differenzierungsmaßnahmen durchzuführen.“ Die Schüler haben ab 16 Uhr Freizeit und bekommen keine Hausaufgaben.

Das sei auch der Grund dafür, dass die Akzeptanz von G8-Gymnasien durchweg hoch sei. Die Gesamtschulen in Bonn und der Region waren schon immer der Hort derjenigen, die G9 als Regelfall anbieten. Es ist aber parallel immer möglich, dass leistungsstarke Schüler ihre Gymnasialzeit in acht Jahren abschließen. Daran ändert sich nach den neuen Vorgaben des Landes nichts. Interessant ist auch der Aspekt der Übermittagsbetreuung. Während die früher hauptsächlich den Gesamtschulen überlassen war, haben sich seit der Einführung von G8 auch die Gymnasien mit Mensen ausgerüstet, um den Schülern einen angemessenen Übergang in den Nachmittagsunterricht bieten zu können.

Das wird, wie es aussieht, nicht mehr zurückgedreht. Insofern hat das auslaufende G8-Projekt einen positiven Aspekt in Sachen Betreuungsangebot für Schüler gehabt. Während die angehenden Gymnasiasten, die im kommenden Schuljahr auf die weiterführende Schule wechseln, wieder neun Jahre Zeit bis zum Abitur haben, gilt für alle, die schon jetzt auf dem Gymnasium sind, weiterhin G8. Das behagt manchen Eltern nicht, so dass sofort nach Bekanntgabe des neuen Konzeptes der NRW-Landesregierung Kritik von Elternverbänden laut wurde.

Klar, dass für die jetzigen Mittel- und Oberstufen ein Upgrade nicht mehr infrage kommt. Aber was ist mit den jetzigen Klassen fünf, sechs und sieben? Dazu hat sich die Landesregierung allerdings klar geäußert: „Die Umstellung auf G9 umfasst auch die Kinder, die zum Schuljahr 2018/2019 im Gymnasium aufgenommen werden. Eine Erstreckung auf weitere Jahrgänge ist wegen der dann bereits fortgeschrittenen Schullaufbahn nicht beabsichtigt“, ließ Schulministerin Yvonne Gebauer mitteilen. Ende der Durchsage.

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