Rosenmontag vor 60 Jahren Schneebälle, Beethoven und ein scheuer OB

BONN · Der Bönnsche Fastelovend hat eine lange Geschichte. Aber Traditionen bedeuten nicht, dass immer alles gleich sein muss. Im Gegenteil: Jeder Zoch ist anders. Das wird besonders deutlich, wenn man im Archiv des General-Anzeigers blättert, zum Beispiel ins Jahr 1956. Das Sessions-Motto damals: „Der lachende Löwe“.

 Prinz Peter III. (Waldeck) und seine Bonna Renate I. (Müller) bringen hoch oben vom Prinzenwagen Kamelle und Strüssjer unters Volk

Prinz Peter III. (Waldeck) und seine Bonna Renate I. (Müller) bringen hoch oben vom Prinzenwagen Kamelle und Strüssjer unters Volk

Foto: GA

Am 13. Februar vor 60 Jahren lockt der Rosenmontagszug in Bonn 40.000 Jecke auf die Straßen. Anders als heute startet der Zoch um 13.11 Uhr ab dem Kaiserplatz, wo Zeugmeister Uhrmacher im stahlblauen Cabrio die Wagen dirigiert. Ein Kamelle-Laster liefert die süße Munition für Prinz und Bonna: 30 Zentner Klümpchen, Hunderte Apfelsinen, 600 Sträußchen „aus lebenden Blumen“ und 5000 Prinzentaler. Zuschauer mit Fußsäcken und Amateurfotografen gibt es auch anno 1956 schon. Aber damals sind die Kinder offenbar ein bisschen frecher: Die Pänz fabrizieren „Schneebälle auf Vorrat, um dem Prinz einen zu verpassen“. Gut, dass es heutzutage seltener an Rosenmontag schneit.

Während die Stadtoberhäupter 2016 mitfeiern, verkriecht sich OB Peter Maria Busen im Jahr 1956 in sein Vorzimmer, und zwar in Deckung „hinge de Jadinge“. Bürgermeister Heinrich Stelling übernimmt die Vertretung des OB an der Narrenfront. Apropos: Der GA schildert, wie das Fußvolk seiner Tollitäten Prinz Peter III. (Waldeck) und Bonna Renate I. (Müller) auf die Stadtvertreter auf der Rathaustreppe losgeht: „Die Sturmtruppen der nachrückenden Stadtsoldaten antworteten mit einem derart treffsicheren Apfelsinenbeschuß, daß einige Honoratioren deckungsuchend in die Knie gingen. Einzelne Meisterschützen eröffneten das Feuer bereits auf 60 Meter Entfernung.“

Prinz und Bonna steigen am Rathaus von ihren Prunkkarossen, um auf der Rathaustreppe die Ovationen der Masse entgegenzunehmen und den Zug vorbeidefilieren zu lassen. Und der hat es in sich: Nach dem Wirtschaftswundermann Ludwig Erhard kommt ein Wagen mit der „Deutschen Markenbutter“, der den Endverbrauchern zeigt, was darin enthalten sei: „Muntere kleine Ferkelchen pantschen antikes Butterschmalz, französisches Fett und sonstige Glitschigkeiten zu einem vitaminreichen Markenprodukt zusammen.“ Dazu passend präsentiert die „Versorgungskompanie der neuen Wehrmacht“ Küchenbullenköpfe mit Krätzchen und treibt zwei schlachtreife Schweine vor sich her. Beifallsstürme entfesselt Karl König als Ludwig van Beethoven mit dem zweiten Bauabschnitt der Beethovenhalle: Die Kolpingsfamilie Bonn-Zentral zeigt den müden Meister teilnahmslos vor einer Baustelle und präsentiert zudem die Fußgruppe „Der letzte Arbeitslose“.

Nicht zu sehen bekommen die Jecke den „Teppichwitz 1111/56“ der Wieße Müß. Der Wagen sollte ein Knallbonbon(n) darstellen mit einer Rathausfassade und rotem Teppich „nur für gekrönte Häupter“. Die Rückseite zur Rathausgasse sollte ein schmiedeeisernes Gitter mit zwei Verlobungsringen zeigen, die ein Pärchen lächelnd betrachtet. Wie Wieße-Müß-Präsident Mathieu dem GA erzählt, sei dem Zensor die Rückseite des Wagens zu delikat gewesen.

Die Altstadt gibt sich gewohnt spendierfreudig – gerade für die eifrigen Stadtsoldaten. An langen Fäden hängen dort Fläschchen mit hochgeistigem Inhalt aus einem Fenster. Daran hängt ein Zettel: „Springen macht warm“. Warm ums Herz ist es derweil auch den Tollitäten im Rathaus geworden, wie der GA-Chronist bemerkt: „Inzwischen haben Peter III. und Renate I. im Vorzimmer des OB einige Kognaks gekippt und freigebig Prinzentaler verteilt.“

Näheres zu den Prinzenpaaren und Motti seit 1873 gibt es auf hier.

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