Selbstgeißelung sorgt für Aufsehen Schiiten ziehen im Trauermarsch durch die Innenstadt

BONN · Mit ihrer Selbstgeißelung zu Ehren von Imam Ali erregen die Männer, die aus ganz Europa anreisten, Aufsehen bei den Passanten.

 Mit einem Trauermarsch, bei dem sie sich immer wieder rhythmisch gegen die Brust schlagen, gedenken Schiiten Imam Ali.

Mit einem Trauermarsch, bei dem sie sich immer wieder rhythmisch gegen die Brust schlagen, gedenken Schiiten Imam Ali.

Foto: Roland Kohls

Aus einiger Entfernung beobachtete Konstantin Kurz, was in der Wenzelgasse geschah. Muslimische Männer zumeist pakistanischer Herkunft hatten sich dort versammelt und riefen und beteten in ihrer Landessprache. Es handelte sich um eine religiöse Zeremonie. Dagegen habe er nichts einzuwenden, sagte er, "aber ich würde es gerne verstehen".

Zum vierten Mal versammelten sich Schiiten am Sonntag in Bonn zu einem Trauermarsch in der Wenzelgasse. Davor hatte man diese Zeremonie unter anderem in der Altstadt abgehalten. Mehr als 300 Menschen waren laut Pressesprecherin Samina Haider aus ganz Europa gekommen - die weiteste Anreise hatten wohl Teilnehmer aus Spanien und Portugal, aber auch aus Großbritannien, Frankreich, Polen und anderen Ländern kamen einige Teilnehmer.

Die Zeremonie dient am Ende des Ramadan der Verehrung des Imams Ali, den die Schiiten als eigentlichen rechtmäßigen Nachfolger des Propheten Mohammed ansehen, besonders verehren.

Zudem gedenken sie des Opfers von Alis Sohn Abbas, der für höchste Loyalität steht. Sein Symbol ist im schiitischen Glauben die Hand, da man ihm beide Hände abschlug.

Den Höhepunkt der Veranstaltung bekam die Familie Kurz nicht mit: Nach gut zweistündigem Vortrag, in dem ein Vorbeter an das Schicksal des Imam Ali erinnerte und Segenssprüche und Gebete auf den Propheten Mohammed und seine Nachkommenschaft ausrief, trugen einige Beteiligte eine Sargnachbildung auf die Straße, um die sich die Männer scharten.

Singend schlugen sie sich mit der flachen Hand auf die Brust, über einen längeren Zeitraum und mit großer Wucht, was man ihnen auch bald ansah: Sie schonten sich nicht, um ihrer Trauer und Verehrung über die Ermordung Alis Ausdruck zu verleihen.

Das stellte auch ein Passant fest, der das Geschehen mit dem Smartphone filmte: "Ich bin schockiert." Er sei selber Muslim und habe das noch nie gesehen. Als Sunnit brachte er dem Ritual wenig Begeisterung entgegen. "Die Sunniten machen so was nicht."

Das Ereignis, bei dem auch weiße Tauben fliegen gelassen wurden, fand einige Zuschauer. Mit der rituellen Selbstgeißelung hatte Hubertus Wies kein Problem. "Sollen sie eben ihren Gefühlen freien Lauf lassen." Er habe jetzt besser verstanden, warum der Imam Ali verehrt wird. "Aber für meinen europäischen oder deutschen Geschmack ist das ein bisschen krawallmäßig."

Grundsätzlich fand er es aber in Ordnung, dass die Stadt diese Veranstaltung genehmigt. Durchführen würden die Schiiten das ohnehin: "Es wird ja schlimmer, wenn es im Untergrund versteckt wird."

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