Prozess nach Totschlagsversuch Schausteller trat auf bewusstlosen Mann ein

BONN · Fünf Prozesstage lang hat Strafrichterin Gerlind Keller versucht zu klären, was der Mann auf der Anklagebank seinem Opfer mit schweren Schlägen und wuchtigen Tritten angetan haben soll. Dann kam sie zu dem Ergebnis: Statt wie angeklagt eine gefährliche Körperverletzung könnte der 23-jährige Schausteller auch einen versuchten Totschlag begangen haben. Und so verwies sie den Fall ans Schwurgericht.

Was war geschehen? Laut Anklage war der Angeklagte am 10. September 2012 mit sechs weiteren Schaustellerkollegen von Pützchens Markt in einer Kneipe in der Bonner City. Und dort sollen sie zwei Studentinnen angemacht haben, die mit zwei Kommilitonen ebenfalls in dem Lokal waren.

Um eine Eskalation zu vermeiden, verließen die Studenten schließlich die Kneipe in der Rathausgasse. Doch den Ermittlungen zufolge folgten ihnen die Schausteller, und auf der Straße kam es dann zu den folgenschweren Attacken, bei der ein 22-jähriger Student schwere Verletzungen erlitt: Nachdem einer der Schausteller zuerst dem 26-jährigen Studenten eine Flasche so heftig auf den Kopf geschlagen hatte, dass der ohnmächtig zusammenbrach, soll der nun angeklagte 23-jährige Schausteller den 22-jährigen Studenten so mit Faustschlägen ins Gesicht traktiert haben, dass der ebenfalls bewusstlos zu Boden stürzte.

Durch die Schläge erlitt er Frakturen im Gesicht, seine Augenhöhle wurde gebrochen, dabei wurde sein Auge so verletzt, dass er in seinem Sehvermögen beeinträchtig ist. Und obwohl der 22-Jährige schwer verletzt war, ließ der Schausteller laut Anklage nicht von seinem Opfer ab.

Er soll dem wehrlosen und ohnmächtigen Studenten so wuchtige Tritte in den Bauch versetzt haben, dass der nicht nur schwere Rippenprellungen erlitt, sondern auch einen Anriss der Milz. Er wurde sofort operiert und musste 15 Tage im Krankenhaus bleiben.

Nach Anhörung von 17 Zeugen und des damals zuständigen Arztes befand Richterin Gerlind Keller: Der Angeklagte führte die Tritte mit solcher Wucht aus und verletzte sein Opfer damit so schwer, dass dem Arzt zufolge ein weiterer Tritt hätte tödlich sein können.

Die schweren Verletzungen seines Opfers hätte er auch schon an der großen Menge Blutes erkennen können, die der Student durch die Gesichtsverletzung verlor. Nun muss sich demnächst das Schwurgericht mit dem Fall befassen.Gegen die anderen Schausteller wird gesondert ermittelt.

Gefährliche Körperverletzung oder Totschlagsversuch?

In diesem Fall hatte die Bonner Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Täter wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, weil er auf sein Opfer mit dem "beschuhten Fuß" eingetreten haben soll, und das wertet das Gesetz als Behandlung mit einem gefährlichen Werkzeug. Die Richterin aber befand: Hier könnte auch ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegen.

Das liegt vor, wenn ein Täter erkennen kann, dass er sein Opfer mit seiner Tat auch töten könnte und dennoch nicht von ihm ablässt. Um den Straftatbestand eines versuchten Totschlags zu erfüllen, muss der Täter nicht den Vorsatz haben zu töten. Rechtlich reicht es aus, wenn er mit bedingtem Vorsatz handelt. Und das bedeutet: Er nimmt den Tod seines Opfers billigend in Kauf.

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