Plagiatsverdacht bei Einsatzjacken in Bonn Rettungsdienst: Braucht Falck neue Schutzkleidung?

Bonn · Falsche Zertifikatsnummern in den Jacken von Mitarbeitern des Bonner Rettungsdienstes rufen den Originalhersteller Wevotex auf den Plan, der vor dem Gebrauch warnt. Bonner Hilfsorganisationen sind empört.

Die Mitarbeiter des Rettungsdienstunternehmens Falck sind in Bonn womöglich mit nicht zugelassener Schutzkleidung unterwegs gewesen. Ein Lieferant hat offenbar für seine Kleidung falsche Zertifikatsnummern verwendet. Ob die Schutzkleidung den Anforderungen entspricht, hat bei der Stadt Bonn als Träger des Rettungsdienstes wohl niemand überprüft. Der Tüv und Behörden in den Niederlanden sind eingeschaltet.

Unfallversicherern zufolge ist die Schutzkleidung für die Retter essenziell, weil sie sich sonst selbst in Gefahr begeben. Seit Juli stellt Falck das Rettungsdienstpersonal für die Feuerwache 3 in Bad Godesberg und acht Krankentransportwagen. Der Rettungsdienst ist es, der beispielsweise bei schweren Unfällen die Verletzten auf der Straße versorgt. Das birgt für die Retter Gefahren: Sie können sich etwa am Glas einer kaputten Windschutzscheibe schneiden oder von passierenden Autofahrern übersehen werden. Deshalb müsse die persönliche Schutzausrüstung bestimmten Anforderungen entsprechen, erklärt ein Sprecher der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Berufgenossenschaften schreiben verbindliche Regeln vor

Die DGUV hat als Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand verbindliche Regeln, in denen die Anforderungen an die Schutzkleidung genau definiert sind. So muss eine Jacke schnittfest und besonders gut sichtbar sein. Ansonsten entstehen Gefahren für denjenigen, der die Kleidung trägt, heißt es. Ob diese Kriterien erfüllt werden, stellen Prüfinstitute wie der Tüv Rheinland fest. Ist der Test bestanden, gibt es ein Zertifikat, dessen Nummer gut sichtbar in jedes Kleidungsstück eingenäht werden muss.

In Bonn haben die blau-gelben Jacken von Falck ein solches Zertifikat des Tüv – allerdings hat ein Hersteller aus den Niederlanden offenbar ein Plagiat in seine Kleidung eingenäht. Die Identifikationsnummer verweist auf das Zertifikat eines anderen Herstellers, Wevotex, das zudem seit Mai 2018 abgelaufen ist und nicht den geforderten Schutzklassen entspricht. Die Firma aus den Niederlanden erklärte am Dienstagabend, es habe sich um „ein Versehen“ eines Auftragnehmers in Tunesien gehandelt.

Die Fachfirma Wevotex – das Plagiatsopfer aus Enschede – warnt davor, die Schutzkleidung mit falschen Zertifikaten zu verwenden. „Außerdem werden wir gerichtliche Schritte einleiten, um die Einsatzjacken vom Markt nehmen zu lassen“, sagt Geschäftsführer Erik van der Weerd. Bisher habe man herausgefunden, dass die Jacken nicht nur an Falck in Bonn verkauft wurden, sondern deutschlandweit. Deshalb ermittelt auch der Tüv. „Aktuell klären wir mit unseren Kollegen in den Niederlanden sowie mit den zuständigen Behörden den Sachverhalt weiter auf“, sagt Tüv-Sprecher Jörg Meyer.

Bei einer Rückrufaktion müsste der Rettungsdienst neu ausgestattet werden

Nicht nur für Falck, sondern auch für die Stadt Bonn wäre eine Rückrufaktion ein Dilemma. Falck-Mitarbeiter müssten umgehend neu ausgestattet werden – ansonsten dürften sie nicht mehr im Rettungsdienst fahren. In diesem Fall müsste die Berufsfeuerwehr den Rettungsdienst für die Feuer᠆wache 3 sicherstellen. Dafür ausreichend Retter zu mobilisieren, dürfte schwierig sein.

„Bei Ausfall eines oder mehrerer Leistungserbringer, der aus unterschiedlichen Gründen denkbar ist, wären von Seiten der Stadt in Verbindung mit weiteren Vertragspartnern ausgleichende Maßnahmen einzuleiten“, sagt Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann dazu. Entgegen der Darstellungen den DGUV und des Tüv sieht die Stadt keine schwerwiegende Problematik in Sachen Schutzkleidung. Nach GA-Informationen weiß die Spitze der Berufsfeuerwehr, der der Rettungsdienst unterstellt ist, seit Ende Juli um die Probleme. Eigentlich hätte die Zertifikatsnummer früher auffallen müssen. In der Rettungsdienstausschreibung, auf die sich Falck und Bonner Hilfsorganisationen beworben hatten, waren die Anforderungen beschrieben. Geprüft hat das aber offensichtlich niemand.

Die Hosen entsprechen den Richtlinien

Wevotex selbst kam dem Plagiat auf die Spur, und Falck hat schnell reagiert: Beim finnischen „Institute of Occupational Health“ ließ der Lieferant sowohl die Einsatzjacke als auch die -hose Ende August zertifizieren – ob Jacke und Hose dafür verändert wurden und die alte, in Bonn getragene Schutzkleidung zulässig ist, ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Nach wie vor hängen in den Spinden der Falck-Retter aber Kleidungstücke mit den ominösen Zertifikatsnummern.

Zumindest die Hosen entsprechen offensichtlich nicht den Richtlinien: Reflexstreifen, die die Sanitäter im Dunkeln gut sichtbar machen, sind zu klein. Sie sollten bis Ende September „nachgearbeitet“ werden, wie die Stadt mitteilt. In diesem Zug verweist Hoffmann darauf, dass die in der Ausschreibung geforderten Vorgaben erst ab 2020 gültig sein würden. Was so nicht stimmt: „Schon vor dem 1.1.2020 muss der Auftragnehmer die nachfolgenden Spezifikationen erfüllen, wenn er bei Zuschlagerteilung oder während der Vertragslaufzeit persönliche Schutzausrüstungen austauscht oder neu beschafft“, so der Wortlaut der Ausschreibung.

Falck selbst will sich zu dem Vorgang nicht äußern. Die GA-Anfrage zu mangelhafter Einsatzkleidung beantwortet ein Pressesprecher mit den Worten: „Wir selbst sind nicht befugt, Medienanfragen zum Rettungsdienst in Bonn zu beantworten.“ Die Bonner Hilfsorganisationen macht der gesamte Vorgang sauer. „Wir halten uns mit viel Aufwand und hohen Kosten an die Richtlinien, während Falck ohne Strafen durchkommt. Alle Leistungserbringer müssen gleich und fair behandelt werden“, fordert Dirk Lötschert vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). DRK-Chef Georg Fenninger sieht die Verantwortung bei Stadt und Feuerwehr. „Ich erwarte, dass sie gerade bei Neuen genau hingucken. Das ist nicht passiert.“

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