Jugendgewalt in Bonn Polizei spricht Betretungsverbote aus

BONN · Nach den jüngsten Gewaltausbrüchen Jugendlicher gegen Altersgenossen und Polizisten in Bad Godesberg hat die Bonner Polizei gegen mehrere Personen Betretungsverbote für den Innenstadtbereich von Bad Godesberg erlassen. Das teilte die Polizei am Freitag auf Anfrage mit.

 Mit gewaltbereiten Jugendlichen hat die Bonner Polizei auf konstant hohem Niveau zu tun.

Mit gewaltbereiten Jugendlichen hat die Bonner Polizei auf konstant hohem Niveau zu tun.

Foto: dpa

Bei der Gelegenheit unterstrich die Polizei, dass die Jugendkriminalität in ihrem Zuständigkeitsbereich einen rückläufigen Trend aufweise. Insbesondere für den Bereich Bad Godesberg hätten die Ermittler im vergangenen Jahr "einen spürbaren Rückgang für Delikte der Straßenkriminalität" festgestellt, die durch Jugendliche insgesamt begangen wurden, erklärte Polizeisprecher Frank Piontek.

Auch registriere die Polizei "keinen signifikanten Anstieg an Raub- oder Körperverletzungsdelikten durch Jugendliche im Bonner Stadtgebiet", betonte Piontek. Allein in Bad Godesberg müsse die Polizei derzeit ein wachsames Auge auf mehrere Gruppen von Jugendlichen haben, die teils in aggressiver Weise durch die Stadt ziehen würden. Näheres will die Polizei bei der Vorstellung der Kriminalstatistik im März darlegen.

Ein differenziertes Bild zeichnet auch der Bonner Jugendrichter Andreas Dubberke. Auch er kann anhand der absoluten Zahlen nicht bestätigen, dass die Zahl der Jugendstrafsachen in Bonn steigt. Im Gegenteil: Zumindest am Amtsgericht Bonn, wo der 36-Jährige gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen insgesamt 2,7 Stellen bekleidet, von denen Jugendstrafsachen verhandelt werden, seien die absoluten Zahlen der Fälle in den vergangenen Jahren eher leicht rückläufig.

So habe beispielsweise im vergangenen Jahr jeder der drei Richter rund 120 "Schöffensachen", also Verfahren von größerer Bedeutung, sowie jeweils weitere 300 Verfahren zu betreuen gehabt. Die Bandbreite der Delikte erstreckte sich dabei von Schwarzfahren bis räuberische Erpressung. Die Arbeitsbelastung der drei Jugendrichter entspreche in etwa der Personalausstattung: "Man kann nicht sagen, dass wir massiv unterbesetzt sind", sagt Dubberke, der seit 2006 als Richter tätig ist.

Allerdings bekommen er und seine Kollegen auch nur einen Teil der in der Region Bonn verübten Taten zu Gesicht: So werden besonders schwere Fälle, zuletzt beispielsweise das Verfahren gegen die "Black Jackets" aus Bad Godesberg, sogleich am Landgericht angesiedelt. Auch kommen längst nicht alle Strafsachen zur Anklage, sodass die Fallzahl, mit der die Staatsanwaltschaft konfrontiert ist, deutlich höher liegt.

Zudem werden je nach Tatort zahlreiche Fälle in den umliegenden Amtsgerichten der Region, also in Euskirchen, Rheinbach, Waldbröl, Siegburg und Königswinter verhandelt. Und noch einen Faktor gibt es, der die Aktenstapel auf den Richtertischen begrenzt. Andreas Dubberke: "Es gibt eine nicht unerhebliche Dunkelziffer, weil viele Delikte nicht zur Anzeige kommen. Ich habe zuweilen durchaus das Gefühl, dass Geschädigte nicht aussagen, weil sie Angst vor möglichen Folgen haben."

Innerhalb der Gesamtzahlen, so seine Erfahrung, sei der Anteil von Gewaltdelikten auf hohem Niveau konstant. Allerdings beobachtet Dubberke Einzelfälle, in denen die Täter brutaler zu Werke gehen. "Wir haben regelmäßiger als früher damit zu tun, dass mehrere Täter auf ein einzelnes Opfer losgehen oder ein am Boden Liegender mit Tritten gegen den Kopf verletzt wird", schildert er seinen Eindruck, der aber ausdrücklich ein subjektiver sei. Dass, wie es oft heißt, die Hemmschwelle unter Jugendlichen sinke, will er jedenfalls pauschal nicht bestätigen.

Dies gelte naturgemäß auch für den Blick auf die jugendlichen Täter, deren Profil Dubberke als heterogen bezeichnet. So liege zwar durchaus in vielen Fällen ein Migrationshintergrund vor. Hierin die Ursache oder die Erklärung für straffälliges Verhalten zu sehen, hält Dubberke jedoch für einen Trugschluss: Vielmehr gebe es gewisse soziale Grundbedingungen, die Gewaltkriminalität begünstigten - und die oftmals in Migrantenfamilien vorzufinden seien.

Aber, so Dubberke: "Nicht der Migrationshintergrund ist das Problem, sondern das nicht intakte soziale Umfeld, in dem beispielsweise mangels Bezugspersonen das Verständnis für gegenseitigen Respekt verloren gegangen ist." Aus demselben Grund sei eben auch der Anteil an Gewaltdelikten "beachtlich", bei dem die Täter keinerlei Migrationsgeschichte aufwiesen.

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