Bonner Karneval vor 60 Jahren Politik und Karneval passen gut zusammen

Bonn · In der fünften Jahreszeit können Jecken die Dinge gerne mal etwas unverblümter ansprechen als im Alltag. Narrenfreiheit eben. In dieser Hinsicht war die Session 1956/1957 eine besonders bemerkenswert politische – mit einem letzten Notopfer für Berlin.

 Letztes Bonner Notopfer für Berlin: Die Närrischen Germanen nehmen im Rosenmontagszug 1957 die Zwangszuschlags-Briefmarke für zwei Pfennig auf die Schippe, mit der bis März 1956 die West-Berliner unterstützt wurden.

Letztes Bonner Notopfer für Berlin: Die Närrischen Germanen nehmen im Rosenmontagszug 1957 die Zwangszuschlags-Briefmarke für zwei Pfennig auf die Schippe, mit der bis März 1956 die West-Berliner unterstützt wurden.

Foto: GA-Archiv

Am 20. Februar 1957 berichtet der General-Anzeiger darüber, wie das offizielle Foto der närrischen Tollitäten Prinz Klaus I. (Schmitt) und Bonna Marie-Anne II. (Weiss) entstehen konnte. Unter der Überschrift „Prinzenbeine in faltenlosen Perlonhosen“ berichtet der Chronist, wie Prinzen-Anzieherin Hanne Everwand die Kleider für die Tollitäten in die richtige Form gebracht hat. 1000 Arbeitsstunden waren dafür notwendig. Die Roben glänzen, und so sparen die umstehenden Karnevalisten beim Fotoshooting nicht mit nützlichen Tipps: „Klaus, denk an deine Oberlippe! Und vor allem: Zunge rein! Sonst siehst du aus wie der Bonner Wappenlöwe.“

Die Inthronisation von Prinz und Bonna im Februar 1957 bekommt dadurch Gewicht, dass Oberbürgermeister Wilhelm Daniels daran mitwirkt. Verkehrsdirektor Hans Bungert mahnt, die Tollitäten sollten sich bewusst sein, dass sie als erstes Nachkriegs-Prinzenpaar ihre Würde aus der Hand des Stadtoberhaupts empfangen: „Das ist eine Ehre, die verpflichtet! Ihr seid keine Hansnarren, sondern Majestäten des Karnevals.“

Am Abend des 21. Februar 1957 hebt Daniels die Tollitäten auf den Schild. Und er macht seine Sache richtig gut. Mit seiner Rede löst er Begeisterungsstürme unter den Karnevalisten aus: „Wenn man aber Bonner Oberbürgermeister werden will, dann muss man schon sehr jeck sein! So oft es um Fröhlichkeit und Karneval geht, bin ich dabei, wenn ich auch nur wenig Zeit habe.“ Die 800-köpfige Festgemeinde bei der Proklamation ist begeistert von der wortgewandten Rede. Kein Zweifel, auch für den GA-Chronisten war der Auftritt des Oberbürgermeisters „ein strahlender Höhepunkt der Session“.

Der Rosenmontagszug am 4. März 1957 wird dann – getreu dem Sessionsmotto – zur narrentollen „Welttheater-Premiere“. Ein schmuckes Kunstwerk der Närrischen Germanen sorgt für besondere Lacher: das „letzte Notopfer an Berlin“, ein schwankendes Bundeshaus, mit einem Brückenmännchen bestückt. Darüber steht: „Sämtliche Liebesgaben sind für die hiesigen Armen.“ Damit spielen die Närrischen Germanen auf die Steuerbriefmarke „Notopfer Berlin“ an, die vom 1. Dezember 1948 bis 31. März 1956 jeder Post-Absender zusätzlich zum Porto auf seine Sendung kleben musste, um damit qua Gesetz die in wirtschaftliche Not geratene West-Berliner Bevölkerung zu unterstützen. Doch die Bonner waren 1957 der finanziellen Folgen der Berlin-Blockade überdrüssig, und auch die Wiesse Müüs machten ihre Scherze mit Berliner Abgeordneten, Diäten und gepackten Koffern – schon damals!

Karneval 1957 ging auch ganz und gar unpolitisch und einfach nur menschlich: In der Ausgabe vom 28. Februar stellte der GA die Tanzmariechen aus Bad Godesberg vor – mit Küken Karin Hoevels (16) von den Fidelen Möhne aus Lannesdorf, die am Elften im Elften geboren wurde und allein von dieser Tatsache ihre Begeisterung für den Fastelovend ableitete. Also: Hoch das Bein!

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