Nachkomme stellt Besitz infrage Gehört das Palais Schaumburg gar nicht dem Staat?

Bonn · Das Palais Schaumburg ist ein Symbol der Bonner Republik. Das Schlösschen zwischen Adenauerallee und Rhein könnte vor 80 Jahren auf irreguläre Weise in staatliche Hände gelangt sein.

Es gibt Familiengeschichten, die haben ohne jede Ausschmückung das Zeug zum Drehbuch. Historiendrama, Politthriller, Bruderzwist – im vorliegenden Falle wäre von allem etwas dabei. Die Handlung spielt in Bonn, Schauplatz ist mit dem Palais Schaumburg eines der prominenten Gebäude der Bundesrepublik.

Das weiße Schlösschen zwischen Adenauerallee und Rhein könnte vor 80 Jahren auf irreguläre Weise in staatliche Hände gelangt sein. Alexander vom Hofe jedenfalls, ein Nachkomme des Adelshauses Schaumburg-Lippe, ist davon überzeugt. Seine Argumente finden sich in einem Konvolut Hunderter Akten, die er aus Interesse an seiner Familiengeschichte in den vergangenen drei Jahrzehnten zusammengetragen und studiert hat.

Zuletzt habe sich das Puzzle vor seinen Augen vervollständigt, berichtet der 62-jährige Jurist. Die von ihm zitierten Unterlagen legen nahe, dass die Nationalsozialisten beim Verkauf des Palais an den Staat seinerzeit mit einigen Tricks nachgeholfen haben. Stimmt die These, wäre die Schlussfolgerung nicht ohne Brisanz: Dann nämlich hätte sich die Bundesrepublik Deutschland ausgerechnet den Dienstsitz ihrer Bundeskanzler auf Grundlage von nationalsozialistischem Unrecht „ersessen“.

Prominenter Fall

Kein singulärer, aber ein prominenter Fall, dessen damalige Vorgänge Alexander vom Hofe aufarbeiten möchte. Und zwar historisch wie juristisch – wobei es ihm, wie er versichert, nicht um Ansprüche auf die Immobilie geht, sondern gewissermaßen ums Recht all jener, die bei dem Immobiliengeschäft aus dem Sommer 1939 das Nachsehen hatten.

Doch der Reihe nach: Alexander vom Hofe ist ein Großneffe von Adolf Fürst von Schaumburg-Lippe, des letzten fürstlichen Herrschers jenes deutschen Kleinstaates, der als Freistaat bis 1946 existierte. Der Fürst hatte das Palais Schaumburg 1920 seiner Tante, der Hohenzollernprinzessin Viktoria von Preußen, Schwester des früheren deutschen Kaisers Wilhelm II., abgekauft. Wie viele männliche Mitglieder des Hauses Hohenzollern hatte sich auch der Fürst von Schaumburg-Lippe in seinen Bonner Studienjahren dem Corps Borussia an der Kaiserstraße angeschlossen, rege Kontakte nach Bonn waren also vorhanden.

Es war ein Flugzeugabsturz in Mexiko, der den ehemaligen Fürsten und dessen Frau, die Schauspielerin Ellen Bischoff-Korthaus, im März 1936 aus dem Leben riss. „Unter bis heute ungeklärten Umständen“, wie Alexander vom Hofe unterstreicht.

Einen Beweis für ein Verbrechen gibt es bislang zwar nicht – wohl aber für Ermittlungen der Geheimen Staatspolizei, die das Ehepaar wegen vermeintlicher Devisenverbrechen in den Blick genommen hatte. In Wirklichkeit, ist Alexander vom Hofe überzeugt, habe sein Großonkel mit Geschäftsbeziehungen zu jüdischen Bankiers den Argwohn der Nationalsozialisten erzeugt.

Von Prinz geführt

Adolf hinterließ vier Brüder, deren Verhältnis zu den Nationalsozialisten offenbar unterschiedlich ausgeprägt war. Während es einer zum Adjutanten von Joseph Goebbels brachte, blieb etwa Alexander vom Hofes Großvater Heinrich auf Distanz.

Geführt wurde das Adelshaus nach Adolfs Tod von einem der vier Prinzen, der sich offenbar zu arrangieren verstand: Vom Hofes Recherchen zufolge ließ Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe seinen Aufnahmeantrag in die NSDAP 1936 mit Hilfe Görings auf das Jahr 1928 zurückdatieren.

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hatte Alexander vom Hofe in einem Buch nachzuweisen versucht: Prinz Wolrad, der sich trotz Abschaffung des Adels den Fürstentitel hat zusprechen lassen, habe mit Hilfe von NS-Unrecht seine Geschwister und damit auch den Großvater vom Hofes um ihr Erbe gebracht.

Anhand zahlreicher Dokumente widerlegt der Rechtsanwalt auch die Annahme, der verunglückte Fürst sei vermögenslos gestorben. Vielmehr sei er – und nicht etwa das „Haus“ – in Registern und Grundbüchern als Eigentümer zahlreicher Liegenschaften registriert gewesen, sagt Alexander vom Hofe. Und verweist auf all die Grundbuchauszüge, die er auf einer eigens eingerichteten Internetseite voller Dokumente, Bilder und Briefe veröffentlicht hat. Zudem sei der Erbschein, wonach Adolf von seinen Geschwistern beerbt wurde, unterdrückt und den Gerichten und Grundbuchämtern nicht vorgelegt worden.

80 Jahre später stoßen die Recherchen vom Hofes nach GA-Informationen in dem prominenten Adelsgeschlecht längst nicht überall auf Gegenliebe. Von erbitterten Korrespondenzen ist zu hören. Denn nicht nur die Familie, auch die Vermögensverhältnisse sind bis heute weit verstreut. Und wer freut sich schon über breite Debatten zur Rechtmäßigkeit seines Eigentums?

709.000 Reichsmark in bar

Zurück zum Palais Schaumburg und 709.000 Reichsmark in bar. Dafür ging das Schlösschen im Februar 1939 über den Tisch. Neuer Eigentümer war die Heeresstandortverwaltung und damit der Reichsfiskus. Nach vom Hofes Überzeugung beruhten die Geschäfte mit den Nazis auf Gegenseitigkeit: Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe habe im Großen und Ganzen die familiären Besitztümer behalten, im Gegenzug seien dort kriegswichtige Produktionsstätten eingerichtet worden. Das Palais Schaumburg war indes für die Wehrmacht vorgesehen: Es sollte den Stab der XII. Infanteriedivision zur Vorbereitung des Frankreich-Feldzug beherbergen.

Alexander vom Hofe, der in Madrid lebt und arbeitet, nennt den Verkaufsvorgang vom Februar 1939 schlichtweg „illegal“ und führt eine Reihe von Formfehlern ins Feld. So seien etwa die Miterben gar nicht beteiligt gewesen. Statt der Erbengemeinschaft, wie es sich gehört hätte, trat ein (vollmachtloser) Vertreter des „Hauses Schaumburg-Lippe“ auf; doch nicht das Adelshaus, sondern die Erben des Fürsten seien Eigentümer gewesen.

Zudem war der reguläre Testamentsvollstrecker in Haft und wurde durch einen Bevollmächtigten ersetzt. Schließlich habe nicht etwa ein Notar, sondern ein „Stabszahlmeister“ der Wehrkreisverwaltung das Geschäft beurkundet. All das bringt den Nachfahren zu dem Schluss: Ein rechtsgültiges Immobiliengeschäft kam damals nicht zustande.

Eine Klage von Alexander vom Hofe auf Restitution hat die Bundesrepublik nicht zu befürchten. Nach 1949 war das Palais Schaumburg ein Symbol der jungen Demokratie. Dass die Geschichte der Bundesrepublik ein „Kuckucksei“ ins Nest gelegt haben könnte, war in dieser Form bislang nicht bekannt. Auf der Tafel zum „Weg der Demokratie“ wäre noch Platz, die Geschichte fortzuschreiben.

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