Schulpsychologie Bonn rät zu Aufmerksamkeit Opfer von Mobbing leiden oft still

Bonn · Bei einer Lesung und Diskussion ging es um das verschwiegene Thema Mobbing in Schulen. Die Schulpsychologie Bonn rät Eltern und Lehrern, aufmerksam hinzuschauen.

 Mobbingopfer ziehen sich oft zurück.

Mobbingopfer ziehen sich oft zurück.

Foto: dpa

Es ist ein schleichender Prozess. Wer gemobbt wird, leidet oft im Stillen. So wie Anna. Sie ist die Protagonistin im Buch "Unsichtbare Wunden", aus dem die Kölner Autorin Astrid Frank am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der Schulpsychologie Bonn im Beethoven Gymnasium las.

Anna ist hübsch, kommt aus reichem Elternhaus, hat ein eigenes Pferd. Attribute, die ihre Clique anfangs geschätzt hat. Bis sich das Blatt wendete. Anna wurde ausgegrenzt, missachtet und seelisch unter Druck gesetzt. Sie gehörte nicht mehr dazu. Im Unterricht meldete sie sich nicht mehr, die Pausen verbrachte sie auf dem Klo. Dort sah sie niemand. Anna entwickelte einen Waschzwang, weil die anderen sagten, sie stinke nach Pferd. Eine fiktive Geschichte? Keinesfalls wie Lehrer Dieter Braun in der anschließenden Diskussion sagt. Und auch Autorin Astrid Frank berichtet, dass die Geschichte nicht frei erfunden sei.

Braun gehört zu einer Gruppe im Kollegium des Beethoven-Gymnasiums, die sich regelmäßig trifft, über das Problem Mobbing spricht und die Sinne schärft, ein solches Vorgehen in der eigenen Klasse zu erkennen. "Das ist gar nicht so einfach. Erst einmal habe ich erst durch einen Hinweis eines Schülers, der ihm anonym eine Mail schickte, davon erfahren, dass sich erste Mobbingprozesse in meiner Klasse formieren", gibt Braun offen zu.

In einem weiteren Fall, sei eine Schülerin lange krank gewesen. Die Mutter habe ihn darüber informiert, dass ihre Tochter nicht zur Schule gehen kann, weil sie über heftige Bauchschmerzen klagt. Dann habe sich der Prozess mit Schulpsychologen, Therapeuten und anderen Lehrern in Gang gesetzt, das Problem zu beheben.

Eine Mutter, die anonym bleiben möchte, berichtete von ihrem Sohn, der mehrere Wochen von einer Gruppe Schüler bedroht wurde. "Es begann auf dem Schulhof. Etwa 40 Schüler umzingelten ihn, schlugen auf ihn ein, drängten ihn in die Ecke. Seine Freunde kamen nicht durch, konnten ihm nicht helfen", sagt sie mit zitternder Stimme.

Seelische Wunden heilen langsam

Noch immer nimmt sie das Geschehene sichtlich mit. Dabei ist es etwa drei Jahre her. Seelische Wunden heilen langsam. "Auf dem Schulweg wurde ihm regelmäßig aufgelauert. Wieder bedrohten sie ihn, damit er nicht darüber redet", fügt sie mit Tränen in den Augen hinzu. Erst nach Wochen erzählte ihr Sohn ihr die Geschichte. An der Schule habe man sie und ihren Sohn nicht wirklich unterstützt. Das Ganze sei nicht thematisiert worden. "Die Schule hat uns im Stich gelassen."

Doch was können Eltern und Lehrer tun? Wiltrud Feddeck von der Schulpsychologie Bonn appelliert, sich eine "Mobbing-Brille" zuzulegen. Wenn Kinder sich in ihrem Verhalten stark verändern, sich immer weiter zurückziehen, könnten das Anzeichen für Mobbing sein. Klaus Vossel, Mitarbeiter der Psychologischen Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Stadt Bonn, weist darauf hin, dass der Prozess in der Regel mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre dauern könne. Das mache es so schwierig, frühzeitig eingreifen zu können. Wichtig sei es, das Thema nicht zu tabuisieren, es offen anzusprechen, mit den Schülern aber auch Eltern darüber zu reden.

Dieter Braun war der Ansicht, dass er als Lehrer präsent sein müsse. "Der Unterricht darf sich nicht nur auf das fachliche Lernen beschränken, auch die soziale Komponente ist wichtig. Wir müssen auch hinterfragen, ob der, der durch Brutalität auffällt, immer auch der Täter ist. Er kann auch das Opfer sein, das sich nicht anders zu helfen weiß." Für Schulleiterin Renate Giesen steht fest, dass das Thema mit der Lesung und anschließenden Diskussion noch lange nicht beendet ist. "Wir werden dies auch noch mal mit unseren Schülern aufgreifen."

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