Bonner Altstadt Offene Ateliertage und Flohmarkt: "Frische" Kunst und "feuchte" Schnäppchen

BONN · Erst einmal musste der innere Schweinehund besiegt werden. Der forderte bei so manchem Kunstfreund und erst recht bei den Flohmarktfans am Samstag einen Wolldeckenteetag auf dem Sofa. Wer den Schweinehund ignorierte, der wurde zumindest in Sachen Kunst reich belohnt: Mehr als 40 Altstadt-Künstler empfingen in ihren Ateliers ihre Gäste und ließen sie Geschichten aus Farbe, Holz, Klang und Papier entdecken.

 Erster und zweiter Blick: Pablo Gimènez zeigt den Besuchern Guido und Una Schmitz-Krummacher Negative seiner Arbeit.

Erster und zweiter Blick: Pablo Gimènez zeigt den Besuchern Guido und Una Schmitz-Krummacher Negative seiner Arbeit.

Foto: Horst Müller

Natürlich malte die Regentrude mit. Sie erschuf Pfützen, wo immer es ging. Damit trieb sie die Altstadtbesucher allerdings erst recht hinein - ins Trockene und damit an den zwei Wochenendtagen hinein ins Reich der Kunst. Zentrum, Dreh- und Angelpunkt der elften Offenen Ateliertage, war die Galeria Galeano an der Heerstraße. Dort, wo sich ohnehin auf kleinem Raum lokale Kunst ballt, gaben 20 mal 30 Zentimeter große Miniwerke fast aller an den Ateliertagen beteiligter Künstler einen ersten Einblick in die Vielfalt, die es zu entdecken gibt.

"Huch", rief eine ältere Dame beim Anblick eines Fotos von einem nackten Mann mit Apfel am Küchentisch. Der Mann wartete um die Ecke: In der Georgstraße blickt er mal mit Rasierschaum im Gesicht dem Betrachter entgegen, mal steht er unter der Dusche. "Meine Schmusemuse" nennt Silke Putz ihr Modell.

Die Malerin sucht und findet ihre Motive gern im Alltag, hebt - als professionelle Kulissenmalerin für Kino und Theater darin geübt - mit sicherem Auge Momente und Details in den Fokus. Vom Atelier Putz in der Georgstraße aus hatte die Regentrude nur wenige Meter lang die Chance, einem in den Jackenkragen zu tropfen.

Schon war man in der Wolfstraße, wo Korn in Balkonkästen und Blumen so taten, als wäre noch Sommer. Das Palais Diletanti, seit einem Jahr in der Altstadt, ist Treffpunkt von acht Künstlern, die - nomen est omen - alle Autodidakten sind: "Dilettanten eben", sagt Künstlerin Claudia Söchting verschmitzt.

Aber wo eine Idee, wo ein gutes Auge ist oder auch ein interessanter Gedanke, da entsteht auch ohne Studium Kreativität: Die "Diletanten" spielen mit Schein und Sein, aus ostdeutschen Städtenamen wird eine spitzfindige Collage mit Namen "Stiefmütterchen", und auch bei den Fotos des Bonner Künstlers Pablo Gimènez sieht man beim zweiten Blick anderes als beim ersten Blick: Was wie ein üppiges Blumen-Bukett in einer Bodenvase anmutet, entpuppt sich als Mülleimer mit zerknüllten, vielfarbigen Plastiktüten.

Auch Waltraud Caspari beherrscht die Kunst zu überraschen. Ebenfalls Autodidaktin, richtet sie den Blick auf Dinge, die jeder kennt: einen alten Rasierpinsel, Treppenstufen im Spiel von Licht und Schatten, gestapelte Kaffeetassen. "Es sind Dinge, die mich umgeben, mit denen ich etwas tue oder die immer wieder auftauchen", sagt sie.

Auf Leinwand wird das gewählte Objekt dann mittels Spachtel statt Pinsel derart plastisch, dass man meint, es greifen, fühlen zu können. Caspari arbeitet im Sozialdienst, betreut geistig behinderte Menschen. Aus der kreativen Konzentration kommt wieder Kraft fürs Leben.

Bei Anne Murrins ist Anfassen erwünscht. Im Kult 41 zeigt sie Objekte, deren weiche organische Formen viele Deutungen zulassen. Und kaum ein Atelierbesucher konnte dem Wunsch, sie anzufassen, die Formen nachzufahren, widerstehen. Auch hier eine Überraschung: Was kompakt, hart und massiv wirkt, besteht im Kern aus weichem Holz, ummantelt mit einer dünnen Bleidecke.

Anne Murrins ist Absolventin der Alanus-Hochschule Alfter. Viele Altstadt-Künstler haben in Alfter studiert. Andere kommen aus New York oder Belgien hierhin, um in dem August-Macke-Viertel umgeben von Gleichgesinnten ihre Ideen zu verwirklichen. Wer Schnäppchen suchte, der fand sie nicht in den Werkstätten, der musste auf den Altstadtstraßen fündig werden. Dort allerdings trug am Ende die Regentrude den Sieg davon: Das Wetter ließ die meisten Flohmarkttreibenden schon bald wieder ihre Ware einpacken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort