Videoüberwachung in Bonn Nur wenige Orte im Blickfeld

BONN · Wann und wo ist Videoüberwachung nötig und zur Sicherheit sogar geboten? Diese Frage beschäftigt seit dem Bombenfund auf Gleis 1 des Bonner Hauptbahnhofs, von dem es offenkundig keine Videoaufzeichnung gibt, die Bürger in der Bundesstadt. Denn während zum Beispiel in London eine flächendeckende Überwachung durch Videokameras längst selbstverständlich ist, sieht das in Bonn völlig anders aus.

Öffentliche Plätze, Straßen und ähnliche Orte werden nach Auskunft des Presseamtes im Stadtgebiet nicht überwacht. Einzige Ausnahme: der Bad Godesberger Straßentunnel. Allerdings gibt es an einigen Ampeln an Verkehrsknotenpunkten - zum Beispiel an der Reuterstraße oder der B 9 - Kameras, "mit denen Verkehrsströme visualisiert werden". Das dienst unter anderem der Verkehrssteuerung, außerdem wird so festgestellt, wie viele Autos wann unterwegs sind. Details wie Kennzeichen oder Personen sind nicht identifizierbar.

Das sieht auf privaten Grundstücken anders aus. So zum Beispiel an Tankstellen: Die meisten seien videoüberwacht, und zwar sowohl im Verkaufsraum, als auch rund um die Zapfsäulen, erklärt Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes. Die Bilder werden im Regelfall 48 Stunden lang gespeichert. Die Überwachung samt Speicherung hat präventiven und repressiven Charakter: Räuber und Tankbetrüger sollen abgeschreckt oder - im Ernstfall - identifiziert werden. Die Kameras zeigen Erfolg: Laut Ziegner ist die Zahl der Überfälle auf Tankstellen in Deutschland stark zurückgegangen. "Es sind circa 900 jährlich." Das sei deutlich weniger als noch in den 90er Jahren.

Ähnlich halten es auch die Stadtwerke Bonn (SWB). Sie haben in ihrem Bahnnetz, in Bussen und Bahnen mehr als 300 Videokameras im Einsatz, so eine Sprecherin. 24 davon befinden sich auf den SWB-Anlagen unterhalb des Hauptbahnhofs, also an den Bahnsteigen entlang der U-Bahn-Gleise. Die Bilder werden 48 Stunden lang gespeichert, allerdings aus datenschutzrechtlichen Gründen nur nachträglich von Ermittlungsbehörden angeschaut, wenn diese das Material anfordern. Nach GA-Informationen setzen die Ermittler in Sachen "Bombenfund am Bonner Hauptbahnhof" große Hoffnungen in die Auswertung der Bilder aus den Kameras im öffentlichen Nahverkehr.

Der Polizei sind bei der Videoüberwachung Grenzen gesetzt. Das NRW-Polizeigesetz schreibt vor, dass Daten maximal 14 Tage gespeichert werden dürfen und die Aufnahmen der Verhütung von Straftaten dienen müssen. Ob eine Videoüberwachung durch die Polizei angemessen ist, sorgt immer wieder für Streit mit den Datenschützern. "Dass eine Videoüberwachung Verbrecher abschreckt, ist zumindest nicht wissenschaftlich nachgewiesen", sagt Birgit Weck-Boeckh, Sprecherin des NRW-Beauftragten für Datenschutz.

Auch wenn Privatleute in öffentlich zugänglichen Räumen filmen, müssen nach Angaben der NRW-Datenschützer strenge Vorgaben eingehalten werden. Hier geht es meist um Ladenbesitzer, Tankstellenbetreiber oder Gastronomen die sich per Kameraüberwachung gegen Überfälle und Einbrüche wappnen wollen. "In diesem Fall müssen die Kunden auf die Kameraüberwachung hingewiesen werden, etwa durch Schilder an den Türen", sagt Weck-Boeckh. Außerdem dürften die Aufnahmen nicht gespeichert werden. "Viele Kameras, etwa an Tankstellen, löschen das Material automatisch nach 24 Stunden."

Auch auf Webcams, die etwa von öffentlichen Plätzen aus Livebilder ins Internet stellen, müssten die Passanten hingewiesen werden, so die Datenschützerin. Hier würden aber oft die Bildausschnitte oder die Bildschärfe so eingestellt, dass Personen nicht erkennbar seien.

Besonders geschützt seien die Rechte von Arbeitnehmern bei Videoüberwachung in Betrieben, sagt Weck-Boeckh. Zuletzt geriet der Einzelhändler Lidl in die Kritik, weil dort das Verhalten von Verkäuferinnen und Verkäufern per Kamera ausgespäht wurde. Nach Ansicht von Experten dürfen Einzelhändler Videoüberwachung zwar als Diebstahlschutz nutzen, nicht aber um Daten über das Verhalten ihrer Mitarbeiter auszuwerten.

Die Gewerkschaft der Polizei NRW hält Videoüberwachungen an "neuralgischen Punkten", wie Sprecher Stephan Hegger sagt, für sinnvoll. Er warnt jedoch: Kameras vermitteln ein trügerisches Bild der Sicherheit. "Die Aufzeichnung ersetzt kein Sicherheitspersonal und keinen Polizisten", so der Gewerkschafter. Wenn es etwa bei Überfällen und Schlägereien zu lange dauere, bis Hilfe kommt, könne die Technik die Opfer nicht schützen.

Bleibt die Frage, wieso die Kamera auf Bahnsteig 1 am Montag, als die Bombe dort deponiert wurde, keine Bilder lieferte. Wer für die Sichtung der Bilder und für die Wartung der Kameras zuständig ist, ob die Kamera am Bahnhof defekt ist, ob die Videobilder lediglich gesichtet oder doch aufgezeichnet werden - diese Fragen wurden gestern von Seiten der Deutschen Bahn nicht beantwortet. Die Bundespolizei teilte mit, dass "die Videotechnik auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes sich grundsätzlich im Eigentum der DB AG befindet". Das Unternehmen entscheide weitgehend eigenständig darüber, wo die Technik eingesetzt werde. Aber: "An besonders kriminalitätsgefährdeten Bahnhöfen erfolgt eine Absprache mit der dort zuständigen Bundespolizei." Grundsätzlich gelte, dass die Bahn die Videodaten für die Bundespolizei aufzeichne.

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