Inklusion in Bonner Schulen Noch gibt es viel zu wenige Plätze

BONN · Wer sein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf bisher an einer Regelschule anmelden wollte, ging mangels Plätzen am Ende oftmals leer aus. Damit soll ab kommenden Schuljahr Schluss sein. Dann tritt für diese Kinder der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Regelschule in Kraft, die "Gemeinsames Lernen" (früher: "Gemeinsamer Unterricht") anbietet. In Bonn dürfte es - wie anderen Kommunen auch - eng werden. Rund 150 Anmeldungen erwartet die Schulverwaltung bei einem Angebot von derzeit 100 Plätzen an den weiterführenden Schulen, teilt die Verwaltung mit.

 Demonstrieren vor der Ratssitzung auf dem Plateau des Stadthauses: Eltern, Lehrer und Schüler von Bonner Schulen.

Demonstrieren vor der Ratssitzung auf dem Plateau des Stadthauses: Eltern, Lehrer und Schüler von Bonner Schulen.

Foto: Horst Müller

Ingrid Gerber geht sogar zukünftig noch von einer höheren Zahl aus. Die Inklusions-Projektleiterin des Bonner Vereins "Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen" (Gl - Gl) hatte am Donnerstagabend vor Beginn der Ratssitzung mit zahlreichen Eltern, Lehren und Schülern von Bonner Gesamtschulen vor dem Stadthaus für eine bessere Qualität von Inklusion an Schulen demonstriert und vor Einsparungen gewarnt (der GA berichtete). Zwar begrüßten sie später den Beschluss des Rates. Danach soll die Aufnahmekapazitäten an den weiterführenden Schulen mit dem entsprechenden Angebot begrenzt werden und Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die keinen Platz finden, vor allem auf Schulen verteilt werden, die die durchschnittliche Besetzung von zwei Kindern pro Klasse in der jeweiligen Jahrgangsstufe nicht erfüllten.

"Doch wie wird das wirklich in der Praxis aussehen?", fragte Gerber. Denn so notwendig jeder neue Platz sei, mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz seien keine klaren Aussagen zu Sach- und Personalausstattung gemacht worden. Deshalb ist auch Volker Börchers, Elternvorsitzender der Integrierten Gesamtschule Beuel (IGS), eher zurückhaltend, obgleich er Rat und Verwaltung lobt: "Sie haben alles getan, was sie tun konnten." Dennoch werde es an der IGS zunächst bei nur zwei Klassen "Gemeinsames Lernen" mit insgesamt zwölf Kindern bleiben. "Nach derzeitigem Stand würde pro zusätzliche Klasse eine halbe bis eine ganze Lehrerstelle fehlen. Damit kann man keinen vernünftigen gemeinsamen Unterricht mehr anbieten."

Die Schulausschussvorsitzende Dorothee Paß-Weingartz (Grüne) hatte in ihrem Redebeitrag im Rat gefordert, die Stadt solle auch die Gymnasien mehr in die Pflicht nehmen. "Die ducken sich bislang weg", sagte sie. Gegen den Vorwurf verwahrte sich Willi Nicolay gestern. Der Leiter des Clara-Schumann-Gymnasiums und Vorsitzende der Bezirksdirektorenkonferenz betonte, die Gymnasien nähmen selbstredend auch Kinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf auf, wenn sie eine Gymnasialeignung hätten. "Hier wird einiges vermischt. Gemeint sind doch zieldifferente Kinder, die kein Abitur ablegen werden. Diese Schüler können wir gar nicht aufnehmen", machte er klar.

Gemeinsam leben - Gemeinsam Lernen

In Bonn lernen laut Stadt in den fünf Gesamtschulen derzeit in den fünften Klassen mit "Gemeinsamen Lernen" insgesamt 55 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. An den vier Hauptschulen sind es 35 Kinder, an drei Realschulen acht und an einem Gymnasium zwei. Nach der Mindestgrößenverordnung des Landes NRW rechnen Experten damit, dass auch in Bonn ein Teil der elf Förderschulen schließen wird. Der Bonner Verein "Gemeinsam leben - Gemeinsam lernen" (Gl-Gl) geht deshalb von einem starken Andrang auf die Regelschulen aus. Der Inklusions-Fachverband, von Eltern behinderter und nicht behinderter Kinder 1981 gegründet, berät Eltern unter anderem bei der Suche nach einem integrativen Kindergarten- oder Schulplatz. Weitere Infos gibt es unter Telefon 02 28/30 414 030 und auf www.gl-gl-bonn.de

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