Neujahrsempfang des Bonner Integrationsrats Nimptsch geht auf Distanz zu "Charlie"

BONN · Es war ein Bekenntnis, wie man es in diesen Tagen des Terrors nicht so oft hört: "Je ne suis pas d'accord avec Charlie. Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Charlie tut." Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hatte die Sätze seiner Rede vorangestellt - möglicherweise, damit sich die Zuhörer beim Neujahrsempfang des Integrationsrats schon einmal auf etwas gefasst machen konnten.

 Empfang des Integrationsrates im Alten Rathaus: Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (links), die Integrationsbeauftragte Coletta Manemann und der Vorsitzende des Integrationsrates, Rahim Öztürker.

Empfang des Integrationsrates im Alten Rathaus: Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (links), die Integrationsbeauftragte Coletta Manemann und der Vorsitzende des Integrationsrates, Rahim Öztürker.

Foto: Roland Kohls

Denn Nimptsch erklärte den Gästen aus Politik, Verwaltung, Religionsgemeinschaften und Verbänden nach seiner Begrüßung im Alten Rathaus recht ausführlich, warum er sich mit einer Solidarisierung mit den ermordeten Zeichnern und Redakteuren der Pariser Zeitschrift "Charlie Hebdo" schwertut: "Die Freiheit, alles zu sagen, ist das eine, der Respekt vor dem Anderen aber das andere. Du, der du dich jetzt auf die Meinungsfreiheit berufst, hast es auch nicht gerne, dass man Dinge über dich sagt, die man rechtlich sagen darf, die dir aber wehtun." Das "Du" in seiner Rede hatte etwas von "Geboten", zu denen nach Nimptschs Interpretation des respektvollen Umgangs eben auch gehört: "Provoziere nicht und mache dich nicht über den Anderen lustig, auch und gerade nicht über seinen Glauben."

Zur Meinungsfreiheit gehöre, nicht nur viel zuzulassen und auszuhalten, sondern auch, Gelassenheit und Souveränität, auf manches zu verzichten - "nicht weil man es nicht dürfte, sondern weil man es gut meint mit dem Gedanken der Gemeinschaft". Zwar verabscheue er den Anschlag auf "Charlie Hebdo", aber "deswegen muss ich noch längst nicht einverstanden sein mit allem, was Charlie tut. Ich bin zum Beispiel nicht mit Mohammed-Karikaturen einverstanden, die an einen erigierten Penis erinnern, wenn man sie auf den Kopf stellt", spielte Nimptsch auf das jüngste Titelbild der Satirezeitschrift an. Der OB erinnerte an das provokative Video der Kabarettistin Carolin Kebekus, die - als Nonne verkleidet - Oralverkehr mit Jesus am Kreuz simuliert habe. "Ich war einverstanden mit dem WDR, der entschieden hatte, das so nicht zu senden." Damals habe der Sender dies mit Rücksicht auf die religiösen Überzeugungen in der Bevölkerung getan. Wie um seine Absicht des respektvollen Miteinanders zu untermauern, kündigte Nimptsch an, in den nächsten Tagen den Bonner Rat der Religionen einzuladen, "um mit den Religionsführern in unserer Stadt über Charlie und über den Papst und seine Mutter zu sprechen". Dies wiederum war eine Anspielung auf eine Äußerung von Franziskus, wo er die Grenzen der Meinungsfreiheit sieht: "Wer meine Mutter beleidigt, bekommt eins auf die Nase."

Auch vom neugewählten Vorsitzenden des Integrationsrates, Rahim Öztürker, kam ein Bekenntnis: "Wir sind alle Bonnerinnen und Bonner", sagte er stellvertretend für das aus vieler Herren Ländern bestehende Gremium und für die multikulturelle Bevölkerung in dieser Stadt. "Den Terror von Paris verurteilen wir aufs schärfste. Wir lassen uns dadurch nicht auseinanderdividieren", sagte er, um im gleichen Atemzug die Formulierung “Menschen mit Migrationshintergrund„ zu kritisieren. "Das ist auch eine Art der Diskriminierung. Das muss man nicht immer erwähnen."

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