Stadtverwaltung Neues Vergabegesetz ist ein "Papiertiger"

Bonn · Da wäre aber was los: Eine Autoreparaturwerkstatt repariert den Schaden an einem Fahrzeug nicht, weil sie nur Ersatzteile einbauen darf, deren Herstellung an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft ist.

 Das neue Vergabehandbuch trägt auch die Handschrift von Krämer und Bartscher.

Das neue Vergabehandbuch trägt auch die Handschrift von Krämer und Bartscher.

Foto: GA

Etwa, dass Frauen in jenem Betrieb gleichen Lohn wie Männer beziehen oder bestimmte ökologische Kriterien erfüllt sein müssen. Doch diesen Nachweis kann der Werkstatt keine Firma liefern, deshalb bleibt das Auto stehen. Ein Fall, der in der freien Wirtschaft undenkbar ist, aber für die öffentlichen Auftraggeber in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Mai aufgrund des neuen Tariftreue- und Vergabegesetzes (TVgG-NRW) durchaus zur Regel werden könnte, wie Martin Krämer gestern deutlich machte.

Der Leiter des zentralen Vergabeamtes der Stadt Bonn kann zwar die Intention des Gesetzes nachvollziehen, die öffentliche Hand als Instrument zur Umsetzung bestimmter politischer Ziele zu nutzen. Immerhin betrage das öffentliche Auftragsvolumen bundesweit 360 Milliarden Euro im Jahr.

Aber in der Praxis, meint Krämer, sei das Gesetz kaum umzusetzen. "Es ist ein Papiertiger, das den öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen vor allem viel zusätzliche Arbeit aufbürdet", ist der Vergabeexperte überzeugt. Mit der Folge, dass die städtischen Dienstleistungen für die Steuerzahler künftig noch teurer würden.

Trotz vieler offener Fragen und Einwände seitens der Kommunen werde die Landesregierung wohl keine Korrekturen mehr vornehmen, befürchtet Krämer. "Unsere Frage, ob wir künftig überhaupt noch Waren aus China einkaufen dürfen, hat man bis heute nicht beantwortet", berichtet er.

Krämer nennt einige Beispiele, die seiner Meinung nach das öffentliche Auftragswesen nahezu lahm legen könnten. So dürfen Kommunen künftig nur Aufträge an Unternehmen vergeben, die sich schriftlich verpflichten müssen:

  • ihren Beschäftigten einen vergabespezifischen Mindestlohn zu zahlen;
  • konkrete Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen;
  • soziale Kriterien beim Warenbezug einzuhalten.

Liegt eine solche Verpflichtungserklärung nicht vor, darf ein öffentlicher Auftrag nicht erteilt werden. Daneben sieht das Gesetz eine auftragsspezifische Frauenförderung vor. "Ein Vergabesachbearbeiter kann doch nicht die halbe Welt retten", kritisiert Krämer, das Gesetz sei außerordentlich praxisfremd.

Seine Sorge: Vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen werden sich aus Sorge, gegen geltendes Recht zu verstoßen, immer weniger um öffentliche Aufträge bewerben. "Wer nicht weiß, worauf er sich einlässt, lässt lieber die Finger davon", sagt er.

Krämer und sein Vize Christoph Bartscher, mit dem er gemeinsam ein Vergabehandbuch zur Durchführung von kommunalen Bauaufgaben herausgebracht hat, hoffen, dass doch noch Ausnahmen zugelassen werden. Vor allem bei den kleineren Aufträgen bis zu 10.000 Euro, die das Gros des städtischen Vergabewesens ausmachten.

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