Nahverkehr in Bonn und der Region Werden Fahrgäste von Bus und Bahn künftig entlastet?

BONN · Die Tarife für Bus und Bahn steigen auch in Bonn und der Region stetig an. Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) startet nun eine Debatte über die künftige Finanzierung des Angebots.

 SWB-Straßenbahn am Bertha-von-Suttner-Platz: Die Preise im Nahverkehr steigen bisher jedes Jahr deutlich an.

SWB-Straßenbahn am Bertha-von-Suttner-Platz: Die Preise im Nahverkehr steigen bisher jedes Jahr deutlich an.

Foto: Volker Lannert/Volker Lannert,

Der auch für die Ticketpreise im Bonner Nahverkehr zuständige Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) steht vor einem Problem. Die stetigen Tariferhöhungen für die Fahrkarten, begründet mit steigenden Kosten für Angestellte, Strom und den Infrastrukturausbau, wirkt nicht mehr zeitgemäß, um Autofahrer zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen. Denkbar knapp ging 2019 die Zustimmung für einen Preisanstieg um durchschnittlich 2,5 Prozent ab Januar für die Dauerkarten in der politisch besetzten Verbandsversammlung durch. Vorgeschlagen hatte der VRS 4,66 Prozent. Jetzt scheint es dort Überlegungen zu geben, künftig vorsichtiger an der Preisschraube zu drehen.

Die Verbandsversammlung hatte beschlossen, die VRS-Geschäftsführung möge den Kommunen aufzeigen, wie es nach 2021 weitergehen kann, ohne dass die Fahrgäste kontinuierlich draufzahlen. Am Mittwoch stellt die VRS-Spitze ihre Ideen in einer gemeinsamen Sitzung des Planungs- und Finanzausschusses des Bonner Stadtrates vor. Details waren vorab zwar nicht zu erfahren. In der schriftlichen Einladung für die Sitzung deutet der VRS aber die Richtung bereits an: Die Debatte über die letzte Fahrpreiserhöhung zeigten, „dass der Grundsatz einer überwiegenden Nutzerfinanzierung nicht mehr opportun scheint und zugunsten einer stärkeren öffentlichen Finanzierung zu überdenken ist“. Hintergrund: Bislang galt die Devise, die Zuschüsse aus den Städten und Kreisen nicht zu stark steigen zu lassen und lieber die Tickets zu verteuern.

Freie Fahrt für alle kostet eine Milliarde Euro im Jahr

Vorige Woche äußerten sich die VRS-Geschäftsführer Norbert Reinkober und Michael Vogel im Rhein-Erft-Kreis erstmals vor Kommunalpolitikern. „Der VRS hat vor allem seine Finanzierungsstruktur noch einmal klar gemacht. Für mich ist auch klar geworden, dass der Bund sich stärker in die Finanzierung einbringen muss“, sagte SPD-Fraktionschef Dierk Timm. Im VRS-Gebiet werden durchschnittlich 75 Prozent der Einnahmen durch den Ticketverkauf generiert. Die Kommunen leisten einen beträchtlichen Beitrag: Bonn verweist auf die veröffentlichten Nahverkehrs-Jahresberichte. Laut dem aktuellsten von 2017 zahlte die Stadt an die Verkehrssparte der Stadtwerke Ausgleichsleistungen von 25 Millionen Euro. Hinzu kamen weitere Millionen Infrastrukturmittel, alles in allem etwa 30 Millionen Euro. Nach Timms Angaben wären allein auf Bonn durch eine Nullrunde 2020/21, also ein Aussetzen der Tariferhöhungen Mehrkosten von 6,7 Millionen Euro für die SWB und 1,2 Millionen für die Stadt zugekommen.

Bei ihrem Vortrag gingen Reinkober und Vogel auf das „Wiener Modell“ ein, das als vorbildlich gilt. Dort zahlen Fahrgäste einen Euro pro Tag für ihre Jahresfahrkarte (“365-Euro-Ticket“). Dabei klangen auch Vorschläge an, die sich in den Kommunen des Verkehrsverbunds vielleicht zur Gegenfinanzierung umsetzen ließen. Es war von einer Arbeitgeberabgabe die Rede, auch von einer konsequenten Parkraumbewirtschaftung, aus deren Erlösen die Mehrkosten teilweise beglichen werden könnten.

Übereinstimmend berichteten aus dem Erft-Kreis Timm, Gerd Fabian (CDU) und Johannes Bortlisz-Dickhoff (Grüne), die VRS-Führung habe erläutert, dass ein kostenloser Nahverkehr im VRS-Gebiet im Jahr etwa eine Milliarde Euro kosten würde und mit einer Steigerung der Fahrgastzahlen um 30 Prozent einher ginge: Etwa 680 Millionen Euro kommen durch Ticketverkäufe zusammen, Land und Bund leisten Zuschüsse von 211 Millionen Euro, etwa als Subventionierung für Schul- und Behindertentickets. Um die Fahrgastzuwächse bewältigen zu können, wären 120 Millionen Euro beispielsweise für Schnellbuslinien zu investieren. Bei einem verbundweiten 365-Euro-Ticket würden Mehrkosten von 200 Millionen Euro entstehen, die wohl die Kommunen zu zahlen hätten. Wichtiger als ein günstiger Preis seien für Fahrgäste aus Sicht der VRS-Geschäftsführer ein gutes Angebot (enge Takte) und gute Qualität (solide Fahrzeuge).

Mit einem interfraktionellen Antrag hatte die Verbandsversammlung 2019 beschlossen, der VRS solle sich mit dem elektronischen Handyticket (eTarif) für ein Modellprojekt im Klimapaket der Bundesregierung bewerben. Die Idee: Eine Kostendeckelung für Nutzer bei 35 bis 40 Euro im Monat. Die Mehrkosten lägen wohl etwas höher als beim 365-Euro-Ticket. Unklar ist, wie viel der Bund für das Projekt zu zahlen bereit wäre. Der VRS testet das e-Ticket mit mehreren tausend Kunden. Es ermöglicht eine Abrechnung nach Luftlinie.

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