Bauarbeiten in Bonn Nachtschicht auf der Viktoriabrücke

Bonn · Der Abriss der Viktoriabrücke hat begonnen. Bei der Demontage der Stahlkonstruktion setzen Arbeiter Brenner und Schleifer ein. Der General-Anzeiger war in der Nacht dabei.

Blitzende Funkenregen erleuchten den sternenklaren Nachthimmel, dann frisst sich eine mehr als tausend Grad heiße Flamme durch die Stahlplatten und Eisenträger der Viktoriabrücke. Mit einem lauten Knall lösen sich die Bauteile und werden von einem Kran beiseite gehievt. Bei den Abrissarbeiten an der mehr als 100 Jahre alten Brücke sind die Bauarbeiter mittlerweile an der stabilen Stahlkonstruktion angelangt. Lange dauert es nicht mehr, dann wird an der Stelle der stadteinwärts führenden Fahrbahn ein riesiges Loch im Skelett des Bauwerks klaffen.

Doch der Lärm der zurzeit nachts durchgeführten Arbeiten zerrt auch an den Nerven der Anwohner. „Hier ist es generell sehr laut“, berichtet Nikolai Krupp. Er tüftelt gerade an seiner Doktorarbeit im Fach Physik und wohnt direkt an der Brücke im vierten Stock eines Hauses an der Endenicher Straße. „Allein der Straßenlärm ist schon anstrengend, wenn ein Bus vor unserer Tür vorbeifährt, zittert das ganze Haus.“ Die Baustelle würde sich in die Geräuschkulisse einfügen, sagt Krupp. Auch andere Anwohner berichten vom intervallartigen Rattern der Baumaschinen und lauten Schlägen, die nachts sogar in den Innenhöfen der Wohnhäuser deutlich zu hören seien.

„Es gab schon vier Anfragen von Anwohnern, die den Lärm nicht mehr aushalten und deswegen vorübergehend in Hotels schlafen wollen“, weiß Bauleiter Tobias Tünte. Diese Anfragen würden zurzeit geprüft, die Hotelrechnungen übernommen. „Der schlimmste Lärm ist jetzt aber vorbei“, versichert er. „Wir mussten uns durch eine zentimeterdicke Betonschicht kämpfen und den Asphalt entfernen, damit wir an den Stahl kommen.“ Dafür sei der lautstarke Einsatz von Werkzeugen wie Presslufthammer, Felsmeißel und Bohrhammer notwendig gewesen.

Abriss kann nur nachts erfolgen

Der Abriss der Stahlkonstruktion kann nur Nachts erfolgen. „Die Bahn muss für die Maßnahmen direkt über den Gleisen den Verkehr einstellen“, sagt Stephanie Hagen-Severin von der Bauüberwachung an Ort und Stelle. „Die Oberleitungen werden aus Sicherheitsgründen abgestellt, schließlich kommen unsere Leute damit ständig in Kontakt.“ Generell ist für die Arbeit an der Brücke ein sehr kurzes Zeitfenster vorgesehen. Nur von 0.40 bis 6 Uhr morgens können die Fachkräfte ihrer Arbeit nachgehen, danach rollen wieder Züge über die Gleise.

„Im Dezember sind wir dann endlich fertig mit dem Abriss“, sagt Hagen-Severin. „Bis dahin wird es nur noch einmal wirklich laut: In den Nächten am 13. und 14 September wird ein mit einem Meißel ausgestatteter Bagger den alten Beton vom Gehweg hämmern.“

Bis dahin sind jede Nacht 15 Arbeiter im Einsatz. Einer von ihnen ist Norbert Kuhborn. Er ist Schlosser und erklärt, wie der Abriss des Stahlskeletts funktioniert: „Zuerst muss ich mit einem Betonschneider den Schmutz und die Betonreste vom Stahl entfernen.“ Währenddessen decken seine Kollegen die Oberleitungen der Bahn mit speziellen Decken ab, damit diese nicht durch die umherfliegenden Funken beschädigt werden. „Dann kann ich mit einem Schneidbrenner große Platten aus der Brücke schneiden, die dann mit einem Kran abtransportiert werden.“

Nebenbei: Kuhborns großes Hobby ist das Sammeln von antiken Möbeln. Deswegen stimmt der Abriss der 1905 errichteten Brücke den passionierten Geschichtsliebhaber auch ein wenig wehmütig. „Es ist alles sauber vernietet, wirklich tolle Arbeit. Leider baut heute niemand mehr in diesem Stil.“

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