Bekenntnisschulen in Bonn Nachbarskinder werden getrennt

BONN · Einige Bonner Familien haben Ablehnungen für die nächstgelegene Grundschule erhalten. In Bekenntnisschulen dürfen wohnortferne Kinder bevorzugt werden.

Dass ihr zweites Kind im Sommer wohl nicht mit seinen Freunden in der nahen Grundschule eingeschult werden wird, können die jungen Eltern nicht fassen. Zumal das große Geschwisterkind schon auf dieser öffentlichen katholischen Schule war und sie sich für die Einrichtung engagieren. Jetzt sieht diese Schule keine Chance für ihr zweites Kind, weil es nicht katholisch ist. Und weil mehrere ortsferne katholische Kinder den Vorzug bekommen müssten, sagt der Vater bitter. Er will derzeit lieber anonym bleiben, weil das Schulamt noch eine Lösung für die Familie sucht.

Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster von 2016 sei nun in Bekenntnisschulen erstmals die konfessionelle Zugehörigkeit das wichtigste Auswahlkriterium, habe man ihm gesagt. Das heißt im Klartext: Bei Anmeldeüberhang muss die Katholische Grundschule unter den Bewerbern jedes wohnsitzferne katholische Kind vorziehen. „Das kann doch nicht wahr sein. Wir wollen in Gemeinschaft leben. Aber in der Grundschule werden Nachbarskinder plötzlich aussortiert?“

Auch Bekenntnisschulen werden zu 100 Prozent vom Steuerzahler finanziert. Segregation zu Schulbeginn zu vermeiden, über dieses Ziel war kürzlich der Schulausschuss einig (der GA berichtete). Doch sowohl Schulamt als auch Rektoren seien an das OVG-Urteil gebunden, antwortet Isabel Klotz vom Presseamt. Das hat in der derzeit heißen Anmeldephase nach Informationsstand der Stadt sieben Fälle wie den oben genannten zur Folge: An sechs katholischen Schulen lägen mehr Anmeldungen für das neue Schuljahr vor, als Plätze vorhanden seien, rechnet das Presseamt vor.

An zwei dieser sechs Schulen könnten noch alle wohnsitznahen Kinder aufgenommen werden. An drei Schulen müssten die Schulleitungen wohl wohnsitzferne katholische Kinder vorrangig vor wohnortnahen Kindern aufnehmen. Von einer Schule fehlten noch Angaben. Die endgültige Platzvergabe erfolge Anfang März.

Bonns katholischer Schulreferent Robert Buchholz betont auf Anfrage: „Es ist das gute Recht von Eltern, dass ihr Kind die Schulart ihrer Wahl besuchen kann. Die Wohnortnähe ist nur ein Kriterium.“ Auch die inhaltliche Ausrichtung einer Schule, ihr Programm, ihre Angebote, Stärken und Kooperationen seien für Eltern entscheidend. Das habe das OVG-Urteil bestätigt.

Demnach hätten bekenntnisangehörige Kinder einen Vorrang an Bekenntnisgrundschulen. „Schulen, Kommunen und Schulaufsichtsbehörden tun alles ihnen Mögliche, den Anmeldewünschen zu entsprechen und Anmeldeüberhänge gering zu halten“, sagt Buchholz. Im Einzelfall finde sich auf diese Weise oft eine Lösung, die vielen Interessen gerecht werde.

„Wichtig ist, dass den Schulen, der Stadt, dem Stadtrat und den Kirchen vor Ort kein Vorwurf aus den Ablehnungen zu machen ist. Die Verantwortung liegt beim Land“, sagt Max Ehlers für die unabhängige Elterninitiative „Kurze Beine – kurze Wege“. Solange die Verfassung allein in NRW noch öffentliche Bekenntnisschulen vorsehe, müssten Schulen und Verwaltung nach dem OVG-Urteil handeln.

Angesichts der knappen Grundschulplätze fürchte er aber, dass die neue Aufnahmepraxis noch mehr dazu beitrage, dass Grundschulen ihre wichtige gesellschaftliche Integrationsaufgabe nur noch bedingt wahrnehmen könnten. „Wir halten es deshalb für dringend geboten, dass die Stadt jetzt alles daransetzt, dass zumindest die flächenversorgenden Bekenntnisschulen endlich in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt werden.“

Nach GA-Information gibt es Rektoren von Bekenntnisschulen, die nicht glücklich über das OVG-Urteil sind. „Ich fürchte, dass wir in Zukunft noch mehr wohnortferne Kinder nehmen müssen“, sagt eine der Schulleitungen.

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