Konzert Mut zum Risiko

Bonn · Sechster Abend von Hinrich Alpers Beethoven-Sonatenprojekt im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses

 Hinrich Alpers

Hinrich Alpers

Foto: Rita Taylor

Beethovens Waldstein-Sonate op. 53, mit der Hinrich Alpers den fünften Abend seines achtteiligen Bonner Beethoven-Sonatenzyklus am Dienstag beendet hatte, und die Appassionata op. 57, die am Donnerstag auf dem Programm stand, sind fraglos zwei Monumente der heroischen mittleren Schaffensphase des Komponisten. Dazwischen, versehen mit der Opusnummer 55, thront noch mächtig die dritte Sinfonie, die „Eroica“. Ach, ja, und – fast vergessen – die Klaviersonate in F-Dur op. 54. Die zwei Sätze fristen zwischen diesen sie umgebenden titanischen Gipfelwerken ein Mauerblümchendasein, wenig beachtet, selten aufgeführt.

Irritierend harmlos der Beginn mit einem Menuett, dem Inbegriff des höfischen Tanzes. Es ist aber gerade der Vorteil einer zyklischen Aufführung der 32 Klaviersonaten, dass auch solche Werke zu Gehör kommen und zu einer Auseinandersetzung zwingen. Dieses Menuett, dessen Beginn Alpers mit schwereloser Leichtigkeit spielte, hat es in sich. Es ist keineswegs eine Verbeugung vor der feudalen Klasse, was man spätestens dann merkt, wenn Alpers beginnt, in heftigem Staccato die plötzlich einsetzenden Oktav-Triolen zu hämmern. Das wirkt wie ein Aufbegehren gegen die Konvention. Den zweiten Satz charakterisierte Alpers in seiner locker vorgetragenen Einführung als Perpetuum mobile, ein Versprechen, das sein perlendes Spiel hielt.

Diesem leisen, subtilen Beginn des sechsten Abends im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses folgte dann die als „Appassionata“ bekannte Klaviersonate in f-Moll op. 57, ein Drama in drei Akten, das von existenziellem Ringen erzählt, von Leidenschaft und Aufbegehren, der Ausdruck ist zum Bersten expressiv. In Alpers finden diese Emotionen und Leidenschaften einen großartigen Interpreten. Er weiß, dass er die Extreme, die Beethoven hier in die Musik hineinlegt, nur mit Mut zum Risiko herausholen kann. Wer hier auf Sicherheit spielt, hat schon verloren. Alpers stürzt sich mit dem ersten Forte ins Geschehen, nimmt das Allegro assai überschriebene Tempo sehr schnell und reizt die dynamischen Kontraste lustvoll aus. Den langsamen Variationensatz spielt er mit warmer Innigkeit, bevor er im Finale seine virtuosen Fähigkeiten auf mitreißende Weise in Szene setzt, wenn er das Tempo in der Stretta noch einmal so fühlbar anzieht, dass es einem beim Hören schwindelig wird.

In der Sonate in Fis-Dur op. 78 begegnet dem Hörer wieder Musik ganz anderer Prägung. Ruhig-lyrisch, gesanglich geht es hier zu. Auch diese Stimmung weiß Alpers sehr schön wiederzugeben. Ganz selten ist die Sonate in G-Dur op. 79 in Konzerten zu hören. Sie bezeichnete Beethoven selbst als „Sonatine“, was auf ihren vergleichsweise geringen Schwierigkeitsgrad verweisen mag. Doch wenn man, wie Alpers etwa die Tempovorschrift des ersten Satzes ernst nimmt und ihn Presto spielt, ist es nun auch wieder nicht so leicht. Ihr folgte als fünftes Werk an diesem kurzweiligen Abend Sonate in Es-Dur op. 81a „Les Adieux“, deren Stimmungsschwankungen, die sich schon aus den programmatischen Satzüberschriften „Das Lebewohl“, „Abwesenheit“ und „Das Wiedersehen“ herauslesen lassen, Alpers grandios in Töne fasste: Melancholie, Schmerz und überschäumende Freude in 15 Minuten Musik. Als Zugabe spielte er die Fantasie op. 77.

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