Gewalt auf Ämtern Mitarbeiter in Behörden erleben immer häufiger Übergriffe

BONN · Horrorszenario im Büro: Mit einer abgebrochenen Glasflasche in der Hand stürmte jüngst ein Besucher ins Bonner Sozialamt und bedrohte damit eine Mitarbeiterin. In letzter Sekunde flüchtete die Angestellte aus dem Raum und brachte sich in Sicherheit.

Körperlich blieb sie unverletzt. "Das ist leider kein Einzelfall", weiß Christoph Busch, Personalrat der Bonner Verwaltung und Vorsitzender der Komba-Gewerkschaft Bonn und Rhein-Sieg. Gerade erst sei ein Mitarbeiter im Ausländeramt geohrfeigt worden, im Standesamt habe eine Frau vor Kurzem so laut randaliert, dass die Polizei alarmiert werden musste.

Beleidigungen, Bedrohungen, nervenaufreibende Konfliktgespräche: Mitarbeiter vor allem in Jobcentern, aber auch in Dienststellen der Sozial-, Jugend- und Ordnungsämter, Vollzugsdienste, Rettungsdienste, Feuerwehr, Stadtordnungsdienste, Bus- und Bahnfahrer und Verkehrsüberwachungskräfte von Ämtern sind Ziel von zumeist verbalen Attacken. "Es gibt kaum noch gewaltfreie Bereiche", sagt Busch.

Um die Entwicklung wissenschaftlich aufzuarbeiten und der "Gewaltkultur" konzeptionell zu begegnen, hat Bonn sich neben Gronau und Beckum an einer Studie zum Thema "Sicherheit und Gewaltprävention in Kommunalverwaltungen" beteiligt. Initiiert hat die Studie die Komba-Gewerkschaft NRW.

Für die Untersuchung sprach Professor Bernhard Frevel vom Institut für Polizei und Kriminalwissenschaften der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit Mitarbeitern und Vorgesetzten. Allerdings: "Gewalt und Bedrohungen werden von jedem ganz unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet", weiß Busch auch aus eigener Erfahrung. Als ehemaliger Mitarbeiter in der Zwangsvollstreckung ist ihm ein rauer Umgangston durchaus bekannt. "Aber es gibt auch Kollegen, die an einer Beleidigung lange zu knabbern haben. Andere stecken scheinbar alles regungslos weg."

Deshalb gibt es in Bonn auch keinen einheitlichen Präventionsansatz. "Wir legen großen Wert auf individuelle Lösungen, die gemeinsam mit den einzelnen Fachbereichen, den Mitarbeitern, der Arbeitssicherheit und dem Personalrat entwickelt werden", sagt Marc Hoffmann vom städtischen Presseamt. In Ämtern mit regem Publikumsverkehr ist ein internes Notrufsystem installiert, ein Direktruf zur Polizei ist ebenfalls möglich. "Zudem gibt es regelmäßige Schulungen zum Umgang mit Konfliktsituationen. Und: Alle Übergriffe auf Mitarbeiter werden angezeigt."

Die Bonner Arbeitsagentur hat auf die zunehmende Gewaltbereitschaft ebenfalls reagiert. "Wir haben das komplette Sicherheitskonzept in unserem Haus erweitert", erklärt Sprecher Lars Normann. Dazu gehört unter anderem auch, dass die Möbel in den Büros so umgestellt wurden, dass die Mitarbeiter nahe an der Tür sitzen und so den Raum jederzeit schnellstmöglich verlassen können.

"Der Ton ist rauer geworden", beobachtet auch Markus Waschinski vom Jobcenter in Bonn. Belästigung, Verleumdung, Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Verstoß gegen die Hausordnung, Körperverletzung, Sachbeschädigung - die Mitarbeiter in seinem Haus müssen mit allem rechnen. Während oft nur Hausverbote ausgesprochen werden, erstattet die Behörde in schweren Fällen Anzeigen.

Im Jobcenter hat man zudem den hausinternen Notruf erweitert. Jeder Mitarbeiter kann über seinen Computer per Tastendruck schnell Hilfe anfordern. Zudem sind die Büros, in denen Kundengespräche geführt werden, durch Zwischentüren miteinander verbunden. In diesem Jahr hat das Jobcenter bereits acht Hausverbote ausgesprochen. 2013 waren es 14 und im Jahr 2012 sogar 22.

Trotz aller Verbesserungen fordert Christoph Busch: "Es gibt wirklich viele gute Einzelmaßnahmen in Bonn. Doch die sollte man alle zu einem Gesamtkonzept zusammenführen", wünscht sich der Gewerkschaftler. "Wichtig ist allerdings auch eine intensive Nachsorge. Man kann die Kolleginnen und Kollegen nicht mit ihren Erlebnissen alleinlassen. Psychologen müssen sich darum kümmern, dass solche Gewalterfahrungen mit professioneller Hilfe aufgearbeitet werden."

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