Raddiebstahl in Bonn Mit dem Sperrmüll ist auch das Fahrrad weg

BONN · Der ADFC fordert mehr Einsatz im Kampf gegen organisierten Diebstahl. Die Polizei braucht für Kontrollen allerdings einen konkreten Verdacht.

 Mit auffällig vielen Rädern auf dem Dach werden, wie hier auf dem Foto, werden immer wieder Sperrmüllsammler beobachtet.

Mit auffällig vielen Rädern auf dem Dach werden, wie hier auf dem Foto, werden immer wieder Sperrmüllsammler beobachtet.

Foto: ADFC

Vermutlich werden sie den meisten schon einmal aufgefallen sein: Transporter oder Lieferwagen, die bei Sperrmüll die Straßen entlangfahren und nicht selten Fahrräder auf dem Dach oder im Innenraum transportieren.

Die Vermutung, dass es sich bei einigen Fahrern nicht um Sammler, sondern um organisierte Fahrraddiebe handeln könnte, ist nicht abwegig. Denn dass gerade zu Sperrmüllzeiten vermehrt Räder gestohlen werden, ist nach wie vor ein Problem, sagte ADFC-Sprecher Axel Mörer-Funk.

Das kann Katja Bachelier bestätigen, die mit ihrer Familie in Poppelsdorf wohnt. Am Abend vor dem jüngsten Sperrmüll kam sie gegen 17 Uhr nach Hause. Zu dieser Zeit stand das Fahrrad ihres Sohnes noch an einem stabilen Ständer vor dem Haus, es war mit einem „soliden Schloss“ gesichert, so Bachelier. Zahlreiche Möbel und anderer Sperrmüll hätten bereits an der Straße gestanden, deshalb seien auch schon einige Sammler unterwegs gewesen – teilweise mit Lieferwagen.

„Ich saß mit der Familie beim Abendessen, als wir durch das schräg gestellte Fenster Lärm hörten, der darauf schließen ließ, dass sich jemand mit Werkzeug, eventuell einem Bolzenschneider, an den Fahrradständern zu schaffen machte.“ Sie stand sofort auf. Doch es war zu spät, das Fahrrad war bereits weg. Zeugen sagten aus, es sei in Richtung Luisenstraße geschoben worden, allerdings habe sie auch dort niemanden mehr entdeckt.

„Im Verlauf des Abends hielten wir etwa 20 Sperrmüllsammler in ihren Fahrzeugen an und baten sie, die Tür zum Laderaum zu öffnen. In schätzungsweise der Hälfte der Fahrzeuge befanden sich mehrere Fahrräder, von denen die wenigsten so aussahen, als gehörten sie auf den Sperrmüll“, sagt Bachelier.

Die Polizei könne nichts dagegen tun

Einige Sammler, die unterwegs gewesen seien, hätten ihr geraten, „die Sammelstellen der Schrottsammler aus Rumänien und Polen in Auerberg und an der Römerstraße anzufahren“. Eigenständig recherchierte Bachelier nicht, aber sie schaltete die Polizei ein. Doch die habe ihr gesagt, dass die Polizei nicht helfen könne, denn die Polizei dürfe nur in einem begründeten Verdacht den Fahrer eines Wagens bitten, seinen Laderaum zu zeigen.

Die Tatsache, dass beim Sperrmüll regelmäßig Räder gestohlen würden, sei kein Bonner, sondern ein bundesweites Problem, und man könne nichts dagegen tun.

Die Sammlerszene ist nicht gerade aufgeschlossen gegenüber der Presse. Drei Fahrer am Römerbad winken ab, als das Gespräch auf mögliche Fahrraddiebe in den Kreisen zusteuert. Ein Vierter am Parkplatz neben dem Sportplatz „An der Josefshöhe“ in Auerberg will seinen Namen nicht nennen. Aber er sagt, dass es „Sammler gibt, die mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Und auch darüber hinaus.“

Die Treffpunkte dienten dem Austausch von Waren, denn viele Sammler hätten unterschiedliche Schwerpunkte bei dem, was sie sammeln, erklärt er: „Ich habe dort schon gute Räder gesehen, die niemand wegschmeißen würde.“

Keine zusätzlichen Maßnahmen

Einer seiner Kollegen berichtet, dass manchmal versucht werde, geklaute Räder auf mehrere Transporter aufzuteilen, um das Risiko bei Kontrollen zu minimieren. „Wenn die Polizei dann durchsucht, heißt es, dass man die gestohlene Ware mit einem unbekannten Sammler getauscht hat.“ Mittlerweile würden Diebe allerdings die polizeibekannten Treffpunkte meiden, um nicht aufzufliegen.

Mehr Einsatz der Polizei, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten, wünscht sich Mörer-Funk. Man habe die Polizei mehrfach auf Fahrraddiebstähle zu Sperrmüllzeiten angesprochen, besondere Kontrollen aber würden trotzdem nicht gefahren. Im Moment sei dies für die Behörde wohl kein prioritäres Thema, nur wenige Beamte seien damit befasst. Das zeige sich auch an der niedrigen Aufklärungsquote. „Die Polizei setzt eben lieber auf Prävention“, ist Mörer-Funk überzeugt.

Wolle man Personen und Autos durchsuchen, „bedarf es grundsätzlich eines konkreten Verdachtes für das Vorliegen einer Straftat“, erklärt Polizeisprecher Simon Rott. Allerdings gebe es auch Ausnahmen, räumt er ein. Auf Basis der rechtlichen Möglichkeiten „wurden durch die Polizei in der Vergangenheit immer wieder Sperrmüllsammler überprüft“. Dabei habe sich meist herausgestellt, „dass die auf den Ladeflächen mitgeführten Fahrräder alt und beschädigt und nicht als gestohlen im Fahndungssystem ausgeschrieben waren“. Vor rund drei Monaten habe man Sammler aus Südosteuropa am Römerbad angehalten, die zwei gestohlene Räder dabei hatten.

Einen besonderen Blick hat die Polizei laut Rott – wie bei anderen Delikten auch – auf Liefer- und Kastenwagen mit auswärtigen Kennzeichen, und zwar sowohl aus dem Ausland als auch aus dem gesamten Bundesgebiet. Ebenfalls regelmäßig überprüft würden zudem die von Bachelier angesprochenen Sammelstellen in Auerberg und an der Römerstraße.

Generell aber gelte: Nach Beobachtungen der Polizei würden während des Sperrmülls nicht mehr Fahrräder gestohlen als zu anderen Zeiten, so Rott. Zwar gebe es bei der Anzeigenaufnahme immer wieder Hinweise auf Sammler. „Diese waren jedoch eher allgemeiner Art und wenig konkret.“

Hinweis: Die Abfuhrtermine für Sperrmüll in den verschiedenen Bonner Stadtbezirken gibt es bei bonnorange.

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