Start enttäuscht Politiker Metropolregion Rheinland kommt nur schwer in Gang

Bonn/REGION · In der Region hatte es vor der Gründung erhebliche Bedenken gegeben. Nun zeigen sich Politiker enttäuscht vom Start der Metropolregion Rheinland. Gleichzeitig steigen die Kosten fürs Regionalmanagement Köln Bonn deutlich.

Wenn es nach Ernst Grigat geht, ist das Rheinland 2030 kaum noch wiederzuerkennen. Staus gehören dann ins Geschichtsbuch. Gut ausgebaute Straßen und Schienenstränge, die neue Rheinbrücke und Radschnellwege lassen den Verkehr zwischen Düsseldorf und Bonn ohne Stockungen fließen. Breitbandinternet verbindet Unternehmen, Universitäten, Handel und Gewerbe und die immer anspruchsvolleren privaten Nutzer. Eine diversifizierte Wirtschaft mit Industrie, qualifizierten Dienstleistern sowie Leuchttürmen der Finanz- und Kreativwirtschaft sorgt für weiteren Aufschwung und differenzierte Arbeitsmöglichkeiten. Und die Trennung zwischen Stadt und Land gehört dank einer umfassenden Regionalplanung der Vergangenheit an.

Bis dahin ist der Weg noch weit. Das weiß auch der promovierte Chemiker Grigat, der zuletzt die Chemparks Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen leitete und dabei reichlich Erfahrung im Umgang mit den politischen Gremien und Verwaltungen von Land und Kommunen sammelte. Seit Oktober 2017 soll Grigat von Köln aus als hauptamtlicher Geschäftsführer des Trägervereins die Metropolregion Rheinland katalysieren, eine Marketing- und Vernetzungsplattform für elf kreisfreie Städte, zwölf Landkreise und die Städteregion Aachen. Sie war im Februar 2017 nach einem Anstoß der beiden Regierungspräsidentinnen in Düsseldorf und Köln entstanden.

In der Region hatte es vor der Gründung erhebliche Bedenken gegeben. Schließlich widmen sich auch andere Institutionen ähnlichen Themen, vor allem fünf kleinere Gesellschaften für Regionalmanagement. Eine davon ist der Verein Region Köln Bonn, dem die Stadt Bonn als Mitglied aktuell 92 000 Euro Beitrag und zusätzlich 60 000 Euro für eine Vollzeitstelle im Jahr überweist.

Es gibt ein historisches Vorbild: die Metropolregion Rhein-Ruhr

Außerdem gab es ein historisches Vorbild, das still gefloppt war: Die vom Land einstmals initiierte Metropolregion Rhein-Ruhr, die bis heute im Internet herumspukt, hatte als reine Kopfgeburt nie wirklich funktioniert. „Sie entsprach durchaus den empirisch sehr gut nachweisbaren Charakteristika einer polyzentrischen Metropolregion“, urteilt auf GA-Anfrage die Raumplanerin Kati Volgmann aus der Forschungsgruppe „Metropole und Region“ im landeseigenen Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund. Allerdings sei es nie gelungen, sie durch Aktivitäten relevanter Akteure zu einem bedeutsamen Kooperationsraum oder gar zu einer sichtbaren Organisationsform zu entwickeln.

Die neue Metropole Ruhr und die Metropolregion Rheinland entsprächen nun zwar eher den gewachsenen Bezügen, seien aber planerisch nicht konzeptionell vorbereitet worden und könnten in ihrer geringeren Größe international schlechter wahrgenommen werden. 16 Monate nach der Gründung der Metropolregion Rheinland wächst in der Region tatsächlich die Ernüchterung. Auch im Bonner Wirtschaftsausschuss sieht man vormalige Bedenken gegen eine weitere Organisation vorläufig bestätigt. „Verglichen mit den sehr hohen Erwartungen in die Metropolregion hat sie in 1,5 Jahren wenig geliefert“, sagt der Ausschussvorsitzende und CDU-Landtagsabgeordnete Guido Déus. Allerdings müsse man dem neuen Verein eine längere Findungsphase zubilligen.

Auch Ausschusskollege Dieter Schaper (SPD) sieht die von den Bezirksregierungen gewollte Metropolregion noch nicht in den politischen Gremien der Kommunen angekommen. „Da werden noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen, bis das wirklich funktioniert“, glaubt er. Achim Schröder (FDP) hat Aktivitäten der Metropolregion bislang überhaupt „noch nicht wahrgenommen“.

Positiv äußert sich dagegen Bonns stellvertretender Leiter der Wirtschaftsförderung Ulrich Ziegenhagen. „Vor dem Hintergrund der Herausforderungen“ sei die Metropolregion „alternativlos“. Schon während der Gründungsphase sei das Vertrauen zwischen den Akteuren stetig gewachsen. Ziegenhagen sagt: „Ich bin überzeugt, dass die Metropolregion zeitnah Ergebnisse liefern wird.“

Auch Grigat als neuer Cheflobbyist des Rheinlands verbreitet Optimismus. Sein vierköpfiges Team habe seit Oktober „schon Arbeit für ein ganzes Jahr geleistet“. Kurz nach der Sommerpause sei ein Parlamentarischer Abend in der Landesvertretung NRW in Berlin geplant, um Akteure der Region mit bundespolitischen Funktionsträgern zusammen zu bringen. In Brüssel nehme er an einem Event mit EU-Parlamentariern teil. Außerdem sei er mit den Verkehrsverbünden in Gesprächen für ein gemeinsames Rheinland-Ticket, das die Tarifgrenze zwischen Köln und Düsseldorf überwinde.

Die Metropolregion werde sich 2018 auf der Expo Real in München – Europas größter Fachmesse für Immobilien und Investitionen – präsentieren und 2019 auf einer Hightech-Messe im israelischen Tel Aviv. Auf der Expo Real sind allerdings auch Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis mit ihren Wirtschaftsförderern präsent. Außerdem habe man vom Verein Region Köln Bonn den Rheinischen Kultursommer übernommen. Dazu findet sich dann auch die einzige inhaltliche Pressemitteilung auf der Homepage der Metropolregion.

Seit Jahrzehnten mahnen Experten eine dringend benötigte Zusammenarbeit der Nachbarkommunen im Rheinland bei Fragen der Regionalplanung und des Standortmarketings an. So kann die Bonner Wirtschaftsförderung größere Gewerbebetriebe eigentlich nur noch in Kooperation mit dem Rhein-Sieg-Kreis ansprechen, weil in Bonn schlicht die Flächen dafür fehlen. Ein erster Versuch wurde nun in Alfter unternommen, wo das dortige neue Gewerbegebiet auch von Bonn aus vermarktet wird. Die Teilung der künftigen Einnahmen scheiterte allerdings bislang an einer fehlenden gemeinsamen Betreibergesellschaft. „Bonn hat da immer zu sehr auf sich selbst geschaut“, resümiert Dieter Schaper.

Seit einigen Jahren sei mit dem Verein Region Köln Bonn das Regionalmanagement auf Touren gekommen, lobt Schaper. Die Bonner Stadtverwaltung wirkt da zurückhaltend. Während andere Kommunen mit Bürgermeister, Stadtplanern und weiteren Verwaltungsmitgliedern beim regionalen Gipfeltreffen „Langer Tag der Region“ in der vergangenen Woche in Köln präsent waren, schickte die Stadt Bonn nur den Wirtschaftsförderer Ulrich Ziegenhagen. Er ist zugleich Regionalbeauftragter und war einziger Ansprechpartner aus der Stadtverwaltung für die anderen 600 Gäste.

„Sowohl der Oberbürgermeister als auch Beigeordnete waren in diesem Jahr am 21. Juni wegen Dienstreisen und Gremiensitzungen verhindert“, teilte das Presseamt mit. Die regionale Zusammenarbeit habe für alle Verwaltungsbereiche der Stadt Bonn eine sehr hohe Bedeutung und alle Dezernate pflegten regionale Kooperationen in unterschiedlichsten Formen, versicherte die Stadt.

Seit Vereinsgründung ist der Etat nie aufgestockt worden

Unter Druck gerät das funktionierende Regionalmanagement nun von zwei Seiten. Einerseits muss Reimar Molitor, Geschäftsführer des Vereins Region Köln Bonn. sich am Donnerstagabend im Bonner Wirtschaftsausschuss Fragen gefallen lassen, warum der Vereinsbeitrag der Stadt im kommenden Jahr um fast 26 000 Euro auf rund 178 000 Euro steigen soll – obgleich die neue Metropolregion einige Aufgaben des Vereins übernommen hat und von der Stadt dafür ihrerseits 22 000 Euro im Jahr erhält. Dazu sei eine Dringlichkeitsentscheidung des Stadtrats nötig, schreibt die Stadtverwaltung in ihrer Beschlussvorlage.

Gegenüber dem GA erklärt Molitor die Kostensteigerung mit einem seit Vereinsgründung nie aufgestockten Etat. Außerdem seien die Personal-Abordnungen nie von Dauer gewesen, weil alle Betroffenen stets auf Stellen in der Stadtverwaltung schielten. Deshalb soll die Stadt nun ein Kosten-Äquivalent von 72 000 Euro zahlen, damit der Verein selbst einen Mitarbeiter einstellen kann. Dringlich sei die Sache nun geworden, weil sie 1,5 Jahre in der Verwaltung liegen geblieben sei.

Zwar äußern die Mitglieder im Bonner Wirtschaftsausschuss viel Sympathie für die Arbeit der Region Köln Bonn, die vielfach beim Einwerben von Fördergeldern geholfen habe. Molitor werde sich aber erklären müssen, sagte Ausschussmitglied Achim Schröder (FDP). Eine Ausdehnung des Aufgabenspektrums werde es nicht geben, kündigt Molitor an. Zudem gebe es eine feste Aufgabenteilung zwischen dem Regionalmanagement und der Metropolregion, die das Rheinland vor allem in Brüssel und Berlin sichtbar machen solle. „Wir vermeiden jede Form von Doppelengagement.“

Mittelfristig werde die Zusammenarbeit auch zwischen den Großregionen an Rhein und Ruhr deutlich wachsen müssen, empfiehlt Planungs-Expertin Volkmann. Sie verweist darauf, dass die Landesregierung beschlossen hat, das ganze Land zum Metropolraum zu entwickeln. „Dieser Ansatz dürfte allerdings in Politik und Öffentlichkeit nicht ganz einfach vermittelbar sein“, sagt Volgmann.

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