Möglicher Bombenleger von Bonn Marco G. hatte kaum Kontakte zu den Nachbarn

TANNENBUSCH · Mittwochnachmittag in Tannenbusch: In den Matschpfützen vor dem Wohnblock am Memelweg liegen zertretene Werbeprospekte. Vor der Haustüre, an der der Knauf abgebrochen ist, stehen ein ausgeschlachteter Motorroller und demolierte Fahrräder. Im Innenhof des Wohnblocks passt eine verschleierte Frau auf kleine Kinder auf.

Im vierten Stock dieses Hauses hat bis zum 13. März der muslimische Extremist Marco G. gewohnt, den die Ermittler verdächtigen, jene Bombe gebaut zu haben, die mittags am 10. Dezember 2012 am Bonner Bahnhof gefunden und unschädlich gemacht wurde.

Denn wie der "Stern" am Mittwoch berichtete, fanden die Ermittler an dem zur Bombe gehörenden Metallrohr und dem Wecker DNA-Spuren von Marco G.s Frau und dessen zweijährigem Sohn. Beide wohnen mutmaßlich noch immer in der Wohnung, während der 26-Jährige seit Mitte März in Untersuchungshaft sitzt. Er soll nämlich mit drei anderen Komplizen einen Mordanschlag auf Markus Beisicht, den Vorsitzenden der islamfeindlichen Partei Pro NRW, geplant haben. Ermittler hatten bei der Festnahme G.s sprengfähiges Ammoniumnitrat in dessen Kühlschrank gefunden. Außerdem berichteten Medien, dass Marco G. sich in einem abgehörten Gespräch als Bombenleger dargestellt habe.

Wie seit längerem ist der Balkon der Wohnung am Memelweg auch gestern mit Stoff verhangen. Die Wohnungstüre im vierten Stock bleibt auch nach mehrmaligem Klingeln verschlossen. Ob Mutter und Kind des zum Islam konvertierten Marco G. noch in der Wohnung leben, das können oder wollen viele Nachbarn nicht recht beantworten. Offensichtlich hatte die Familie im Haus wenig Kontakt zu den Nachbarn. Der junge Mann, der die Tür zur gegenüberliegenden Wohnung seiner Schwester aufschließt, beantwortet Fragen zu seinen Nachbarn mit einem Achselzucken. Er kenne die Familie nicht, habe keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Über Marco G.s Frau wisse er auch nichts. Nur, dass sie immer einen Niqab, einen Vollschleier getragen habe.

Eine Nachbarin im ersten Stock ist sich jedoch sicher, G.s Frau am Dienstag noch gesehen zu haben. Sie bleibt für den GA-Reporter nicht sichtbar um die Ecke in der Wohnung stehen und beantwortet von dort die Fragen. Die junge Frau in der Wohnung über der von Marco G. kann zu der Familie nichts sagen. "Die kenne ich gar nicht", sagt sie.

Die Familie sei völlig unscheinbar gewesen, erst als ein Spezialeinsatzkommando der Polizei im März die Wohnung stürmte und Marco G. verhaftete, sei sie auf die Nachbarn aufmerksam geworden. "Da gab es mitten in der Nacht auf einmal einen lauten Knall und das SEK lief überall herum", erzählt die junge Frau. Dass die Ermittler in der Wohnung unter ihr wenige Tage später auch noch Ammoniumnitrat fanden, das zum Bau von Bomben verwendet werden kann, und dass der Nachbar unter ihr vielleicht eine Bombe gebaut hat, schockiert die Frau. "Das ist einfach nur traurig. Ich habe selber ein kleines Kind. Und hier wohnen ja auch noch viele andere Menschen".

Während die Bundesanwaltschaft sich gestern nur vage äußerte, dass ein Zusammenhang zwischen dem versuchten Bombenanschlag und dem versuchten Attentat auf den Pro-NRW-Chef bestehe, sprach der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Wolfgang Bosbach, gestern Abend bei einer Veranstaltung der Wachtberger Senioren-Union von "einem wichtigen Ermittlungserfolg". Bosbach sagte, es sei schon peinlich genug, "dass wir auf Videoaufnahmen von McDonald's zurückgreifen müssen".

Damit spielte er auf die Tatsache an, dass Überwachungskameras der Deutschen Bahn auf dem Bahnhofsgelände keine Aufnahmen gespeichert haben. Sehr wohl aber hatten Kameras in dem Fast-Food-Restaurant einen Verdächtigen aufgezeichnet, der eine blaue Tasche trug, die mutmaßlich die gleiche ist, in der sich die Bombe befand.

Anschläge auf Pro-NRW-Funktionäre geplant?
Am späten Abend des 13. März hatte ein Spezialeinsatzkommando unweit des Hauses von Pro-NRW-Chef Markus Beisicht zwei mutmaßliche Attentäter aus der salafistischen Szene in einem Fahrzeug festgenommen, darunter Marco G., der mögliche Bombenleger vom Bonner Hauptbahnhof. In den Wohnungen der Männer in Bonn und Essen wurden anschließend zwei weitere Männer festgenommen, die ebenfalls in Verdacht stehen, an der Planung "staatsgefährdender Straftaten" beteiligt gewesen zu sein. In den Wohnungen entdeckte die Polizei Schusswaffen und Utensilien, die zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden können. Auf die Spur der Extremisten waren die Behörden durch ein Verfahren der Staatsanwaltschaft in Dortmund gekommen. Dort war gegen Islamisten ermittelt worden, die einen Anschlag vorbereitet haben sollen. Wie es in Ermittlerkreisen hieß, war bei den Festgenommenen eine Liste mit Namen von acht Pro-NRW-Politikern gefunden worden, auf die ebenfalls Anschläge geplant gewesen sein könnten.

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