WCCB-Skandal Man-Ki Kim muss nachsitzen

BONN · Der Flug war gebucht, die Koffer im Gefängnis gepackt, doch seine Vergangenheit im Fall des World Conference Center Bonn (WCCB) holte ihn erneut ein: Der wegen Betruges zu 6,5 Jahren Haft verurteilte WCCB-Investor Man-Ki Kim, der am Donnerstag - nach der Hälfte der Zeit - aus der Haft entlassen und aus Deutschland abgeschoben werden sollte, bleibt hinter Gittern.

Am Montag erließ der für das WCCB zuständige Bonner Insolvenzrichter einen Erzwingungshaftbefehl im Insolvenzverfahren, wie Gerichtssprecher Michael Nehring am Donnerstag bestätigte. Beantragt hat ihn Insolvenzverwalter Christopher Seagon, der noch zwei WCCB-Firmen unter seinen Fittichen hat: einmal die UN Congress Center Bonn (UNCC) GmbH, die WCCB-Bauherr war, zum anderen die SMI Hyundai Europe GmbH (SMIE), die das WCCB bauen sollte.

Seagon will von Kim Antworten auf Fragen nach dem Verbleib von vielen Millionen, die Kim ihm bisher nicht gab. Und als Seagon von der Abschiebung Kims in ein nach GA-Informationen arabisches Land erfuhr, handelte er. Denn hat Kim Deutschland erst einmal verlassen, werden Seagons Fragen nie beantwortet.

Gerichtssprecher Michael Nehring zufolge heißt es in der Begründung für den Haftbefehl: "Man-Ki Kim hat bisher die von ihm geforderten Auskünfte und Mitwirkungshandlungen nicht erbracht." Und nach Abwägung aller Umstände und unter Berücksichtigung der drohenden Unerreichbarkeit Kims habe der Richter den Haftbefehl erlassen, dessen "Zweck die Erzwingung von Auskunfts- und Mitwirkungshandlungen" ist. Schließlich sei Eile geboten gewesen, da es "um sehr sehr viel Geld" gehe.

Der Insolvenzverwalter ist indes gesetzlich verpflichtet, der Spur des Geldes zu folgen und alles, was möglicherweise zweckentfremdet wurde, zurückzuerobern. Er ist sozusagen der Hoffnungsträger jener Handwerker, die für SMIE und WCCB Leistungen erbracht, aber kein Geld erhalten haben. Je mehr Euro Seagon in die Insolvenzmasse zurückholt, desto höher ist die Auszahlungsquote für die Gläubiger. Aber auch für seine Kanzlei.

Man muss sich das Beziehungsgeflecht rund ums WCCB noch mal ins Gedächtnis rufen, um den neuerlichen Haftbefehl für Kim zu verstehen. In die UNCC (Kim), deren alleiniger Gesellschafter zunächst die SMI Hyundai Corporation (Reston/USA) war, flossen rund 100 Millionen Euro Steuergelder, darunter ein Kredit, für den die Stadt Bonn bürgt.

Ex-SMIE-Chef Young-Ho Hong baute und musste sich die Abrechnungen von der Stadt (SGB) - "sachlich und rechnerisch richtig" - zur Zahlung freizeichnen lassen. Erst dann drückte die Sparkasse auf den Auszahlungsknopf und flossen Millionen zum Bauherrn (UNCC) und von dort weiter zur Baufirma (SMIE). Also von Kim zu Hong. Aber so präzise lässt sich das nicht feststellen, denn Hong war zeitweise auch mal UNCC-Chef und Kim SMIE-Chef.

Bei Hong hatte Seagon schon Erfolg. Der zahlte freiwillig über drei Millionen Euro in die SMIE-Insolvenzmasse, um einem zivilen Rechtsstreit mit Seagon aus dem Weg zu gehen.

Strafrechtlich ist Hong mit drei Mitarbeitern des Städtischen Gebäudemanagements (SGB) angeklagt, es geht um Untreue, Betrug und andere Korruptionsdelikte. Nach dem ersten WCCB-Report des Rechnungsprüfungsamtes hat SGB-Chefcontroller Friedhelm Naujoks zahlreiche von Hong eingereichte Abrechnungen abgezeichnet, ohne dass Rechnungen vorlagen.

Einiges wurde gar doppelt abgerechnet. Da ging es nicht um Kleinkram. Bei einer Zahlung flossen mehr als zwei Millionen Euro "ohne Gegenleistung", so die die Ankläger. Nach GA-Informationen interessiert Seagon etwa: Was ist mit den Darlehen, die SMIE an Hyundai-Filialen in Dubai und Reston (USA) gab und schließlich an Kim selbst? Da stehen - Stand Februar 2010 - über 800.000 Euro offen, folgt man ersten UNCC-/SMIE-Berichten Seagons, die dem GA vorliegen.

Und auch Arazim Cyprus Ltd. (Zypern) kommt wieder ins Spiel. Kim hatte sich von der Investmentfirma 10,3 Millionen Euro - als Privatperson - geliehen. Wie der GA berichtete für rund 60 Prozent Zinsen und Gebühren. Als Bürge setzte er die UNCC ein, was leicht fiel, denn Kim war UNCC-Geschäftsführer. Seagon will von Kim wahrscheinlich mehr als 11,7 Millionen Euro für das Arazim-Darlehen. Zumindest hat die UNCC diesen Betrag inklusive Zinsen an Arazim zurückgezahlt.

Doch Kim hat im großen WCCB-Zusammenhang bereits rund 30 Millionen Euro Schadensersatz an Honua Investments (Hawaii) zu zahlen - höchst richterlich in den USA (s. Millionenfalle 70) entschieden. Honua war der zweite Investor - der, der zu spät kam. Denn als Sicherheit für das Honua-Invest setzte Kim WCCB/UNCC-Anteile ein, die er bereits an Arazim verpfändet hatte.

So stellt sich die Frage: Glaubt Seagon, bei Kim tatsächlich Geld eintreiben zu können? Dessen Strafverteidiger hatte seinen Mandanten ausführlich als "mittellos" dargestellt. Eine weitere Firma Kims in den USA, die zuletzt von seiner Frau Mimi geführt wurde, hatte lukrative Regierungsaufträge zur kulturellen Vorbereitung von US- Soldaten auf Einsätze in islamischen Ländern. Selbst wenn Kim nicht mittellos wäre: Wie will Seagon an das Geld herankommen?

Möglicherweise geht es nur vordergründig ums Geld und tatsächlich um Kims Informationen über Dritte, aus denen sich Honig für die Insolvenzmasse saugen lässt. So waren im WCCB-Selbstbedienungsladen am Ende alle Akteure untereinander zerstritten. Die Stadt Bonn befindet sich hier in Lauerstellung: Sie wird ein mögliches Zivilverfahren Seagon/Kim argusäugig verfolgen. Ginge der Insolvenzverwalter leer aus, könnte sie sich Anwalts- und Prozesskosten sparen.

Im Fall Kim stellt sich die Frage: Macht die Erzwingungshaft, die maximal sechs Monate dauern darf, den Südkoreaner gesprächiger? Wahrhaftige Antworten würden ihm jedenfalls sein Ticket in die ersehnte Freiheit bescheren. Und Seagon bei der Suche nach dem Geld helfen.

Der hat unterdessen vor dem Landgericht Köln eine Niederlage gegen die Stadt Bonn verbucht. Im Juni 2013 hatte Seagon beim Landgericht Bonn eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach die Stadt angeblich unerlaubt WCCB-Altpläne zur Fertigstellung nutzt. Nun hob das für Urheberrechtsfragen zuständige Kölner Landgericht diese Entscheidung auf: Seagons "Verbotsantrag" sei bereits "unzulässig" gewesen. Unterm Strich bedeutet das: kein zusätzliches Geld für die Insolvenzmasse.

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