1955: Persien zu Besuch in Bonn Märchenhafter Empfang für Kaiserin Soraya

BONN · Noch zehn Minuten bis Bonn. Protokollchef von Herwarth informiert im weichfedernden Salonwagen den kaiserlichen Adjutanten Ardeshir Zahedi über die bevorstehende Ankunft.

 Der Schah diskutiert intensiv mit Bundeskanzler Konrad Adenauer (links). Bundespräsident Theodor Heuss empfängt die strahlende Kaiserin abends zum Essen in der Villa Hammerschmidt (rechts). Soraya trägt ein weißes Abendkleid mit kostbarem Geschmeide und Diamanten.

Der Schah diskutiert intensiv mit Bundeskanzler Konrad Adenauer (links). Bundespräsident Theodor Heuss empfängt die strahlende Kaiserin abends zum Essen in der Villa Hammerschmidt (rechts). Soraya trägt ein weißes Abendkleid mit kostbarem Geschmeide und Diamanten.

Seine Kaiserliche Majestät Mohammed Reza Schah Pahlavi Schahinscha von Iran (35) und Ihre Majestät Kaiserin Soraya (22) blicken aus den breiten Fenstern des mit Fliedersträußen geschmückten Salons auf Rädern. "Ich liebe den Rhein", sagt die Kaiserin zu Frau von Tschirschky, die ihr als Ehrendienst des Protokolls für den Bonner Staatsbesuch zugeteilt ist.

Als der Zeiger der Bonner Bahnhofsuhr auf "10" rückt, rollt die rote Diesellok mit der Nummer 0000001 an den mit roten Teppichen ausgelegten und mit einem 60 Meter langen, weißen Baldachin überdeckten Bahnsteig 1. Bundespräsident Theodor Heuss begrüßt den Kaiser mit einem Händedruck und überreicht 50 prächtige rote Rosen an Kaiserin Soraya.

Willkommen in Bonn, Schahinschah und Kaiserin Soraya. Die Reportage aus dem General-Anzeiger vom 28. Februar 1955 liest sich wie ein Märchen aus 1001 Nacht, nur dass dieses Märchen in Bonn spielt. Die Bundeshauptstadt liegt dem Schah und vor allem seiner strahlenden Kaiserin zu Füßen, 15 000 Bonner drängen sich auf dem Bahnhofsvorplatz und skandieren: "Soraya! Soraya!" Mit einer Polizeieskorte geht es in diversen Staatskarossen hinauf auf den Petersberg, dem kaiserlichen Märchenschloss auf Zeit. Der erste Stock wird vorübergehend zum kaiserlichen Palast ernannt.

In einer Privataudienz ab 13 Uhr überreichen die "Petersberg-Lobbyisten" der Kaiserin ihre Geschenke: Aus Rheinbach kommt ein mächtiger Römer mit rebenumranktem Bonner Münster und viel goldener Verzierung. Hinzu kommen ein Buch mit dem Titel "Kaiserin Soraya" sowie die "Gedichte aus dem Orient" in kostbarem Bütteneinband, die ein deutscher Teppichhändler geschrieben hat, der den Großteil seines Lebens in Vorderasien verbracht hatte. Die Vielfalt der Blumengebinde reicht von zartlila Orchideen bis blassroten, doppelt gefüllten Nelken, die der jungen Kaiserin von den sieben schenkfreudigen "Deutschen Freunden des Irans" zu Füßen gelegt werden.

Für Soraya und ihren Gemahl sind getrennte Schlafzimmer hergerichtet worden: Die Zimmer 107 und 109 verbindet aber ein kleiner Salon. Die Kaiserin wird umgeben von hellen, handgeschnitzten Barockmöbeln aus Eiche natur, berichtet der GA, zarte Goldmuster beleben die elfenbeinfarbenen englischen Tapeten. Feinste Seidendecken sind über das breite "französische Bett" gebreitet, und mit Brokat bespannte Sessel laden zum Ausruhen ein. Das Bad ist hellgrau gekachelt und mit indirekter Beleuchtung versehen. Auf den Schah wartet ein stark vergrößernder französischer Rasierspiegel.

Gegen Mittag empfängt Theodor Heuss derweil den Schah auf der mit einem roten Teppich ausgelegten Freitreppe des Hauses des Bundespräsidenten an der Koblenzer Straße. Heuss überreicht seinem Gast das Großkreuz des Bundesverdienstkreuzes und nimmt im Gegenzug die höchste Stufe des iranischen Kaiserhausordens entgegen.

Abends erwartet Heuss seine Gäste zum Essen in der Villa Hammerschmidt. Auf der Karte stehen: Hummer, Champignon-Tunke, Rehrücken, Fürst-Pückler-Eis, Weißwein, Rotwein und Sekt. In seinem Trinkspruch erklärt Heuss, der Besuch des Schahs und der Kaiserin sei eine "willkommene Bestätigung für die freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen dem deutschen und dem iranischen Volke immer bestanden haben". Bei einem kaiserlichen Empfang am späteren Abend in der Redoute machen 200 Gäste dem Schah und der Kaiserin ihre Aufwartung.

Nur zwölf Jahre später sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Iran wegen des Nahost-Konfliktes immer noch freundlich-diplomatisch, aber deutlich angespannter. Der neuerliche Staatsbesuch von Schah und Kaiserin Farah erfordert erhöhte Polizeipräsenz und geht nicht ohne Proteste vonstatten. Der Glanz ist geblieben, das Märchenhafte jedoch verschwunden.

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