"Paul" ist bei Pflegeeltern LKA analysiert Bonner Baby-Fall

BONN · Noch gibt es keine heiße Spur: Drei Wochen, nachdem drei Jugendliche in Ramersdorf ein ausgesetztes Baby gerettet haben, ist es der Polizei bisher nicht gelungen, die Identität der Mutter zu ermitteln. Bei der Mordkommission gingen bisher nur wenige Hinweise aus der Bevölkerung ein, wie Polizeisprecher Robert Scholten erklärt.

Doch die Ermittler bleiben dran: Sie haben Spezialisten aus dem Landeskriminalamt (LKA) eingeschaltet - Beamte aus dem Bereich der operativen Fallanalyse, vergleichbar mit den "Profilern", die man aus US-Kriminalfilmen kennt.

Die Spezialeinheit im Düsseldorfer LKA existiert bereits seit dem Jahr 2001. Sie wird auf Anforderung der ermittelnden Behörde vor Ort tätig und macht nach der Fallanalyse Vorschläge für die weiteren Ermittlungen. Sie besteht aus zehn erfahrenen Kriminalpolizisten, die zuvor jahrelang in anderen Dienststellen mit Tötungs- und Sexualdelikten zu tun gehabt haben, erläutert LKA-Sprecher Frank Scheulen.

Einige sind in den USA ausgebildet worden. Die Analysten können zudem auf ein Netzwerk von Kriminologen, forensischen Psychiatern und Psychologen zugreifen. Sie werten Tatortbefunde, Spuren und Zeugenaussagen aus und versuchen, ein Täterprofil zu erstellen. "Dabei wird angestrebt, die Abläufe in einzelne Sequenzen aus Tätersicht aufzuteilen", sagt Scheulen.

Eine Kernfrage im Bonner Fall wäre zum Beispiel, ob die Mutter des Babys - oder eine andere Person, die den Neugeborenen an einem abgelegenen Fußweg ausgesetzt hat - sich in Ramersdorf ausgekannt haben muss. Die Jugendlichen hatten den Jungen am 28. Juni in einem Rucksack entdeckt.

Man hatte ihn in einem Gebüsch unweit des Schießbergweges in der Nähe von T-Mobile abgelegt. Wer immer dies tat, hat zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Baby nicht rechtzeitig gefunden werden würde - denn diesen Weg benutzt an einem Samstag kaum jemand. Die Mordkommission ermittelt deshalb wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt. Der Junge, 3300 Gramm schwer, war bereits stark unterkühlt, als die Jungen ihn fanden.

Die Düsseldorfer Fallanalytiker waren schon in Bonn, um sich vor ort ein Bild zu machen. Über Verbrechen an neugeborenen Kindern wissen sie besonders viel, weil sie gemeinsam mit der kriminalistisch -kriminologischen Forschungsstelle des Landeskriminalamtes an einer Studie zum Neonatizid (Kindstötung) gearbeitet haben.

Die Studie ist laut Scheulen abgeschlossen, aber noch nicht veröffentlicht. "Der Vorteil der Kollegen ist, dass sie sich intensiv und konzentriert ausschließlich mit einem einzigen Fall beschäftigen können", erklärt der LKA-Sprecher, ohne auf Details des Babys in Bonn einzugehen.

Nach seiner Rettung lag der Junge einige Tage im Universitätsklinikum Bonn (UKB) - "ein süßes, niedliches Kind", wie UKB-Sprecherin Magdalena Nitz damals sagte. In der Klinik gab ihm das Personal den Namen "Paul". Mittlerweile hat das Bonner Jugendamt die Vormundschaft übernommen und gibt keinerlei Informationen über Paul mehr heraus, um das Kind zu schützen. Der GA erfuhr allerdings aus sicherer Quelle: Das Baby lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Das Paar hat offenbar vor, es nach Ablauf eines Jahres zu adoptieren.

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