Traditionsgeschäft in Bonn muss schließen Letzte Adventsausstellung bei Antiquitäten Kemp

Bonn · Die Adventsausstellung im Antiquitätengeschäft Kemp in der Herwarthstraße hat eine lange Tradition. In diesem Jahr wird sie zum letzten Mal stattfinden. Tochter Tina Beutter muss das Geschäft schließen.

 Tina Beutter bereitet ein letztes Mal die traditionelle Adventsausstellung im Geschäft ihrer Mutter vor.

Tina Beutter bereitet ein letztes Mal die traditionelle Adventsausstellung im Geschäft ihrer Mutter vor.

Foto: Stefan Hermes

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass Martina Kemp (71) zusammen mit ihrer Tochter Tina (38) die unzähligen Kisten und Kartons mit antikem Christbaumschmuck aus dem Lager ihres Antiquitätengeschäfts an der Herwarthstraße holte. Wie immer wollten sie die Räume zur Weihnachtszeit mit den käuflichen Preziosen aus Glas und Pappe, aus Blech und Gold, schmücken. Wertvolle Christbaumkugeln und Figuren aus längst vergangenen Tagen. Baumschmuck mit Gelatine- oder Anilinfarben bemalt, manchmal mit venezianischem Tau aus feinsten Glaskügelchen bestreut oder auch mit gläsernem Feenhaar besetzt. Sammler und Liebhaber des historischen Christbaumschmucks warten darauf, dass der oftmals schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts im thüringischen Lauscha oder dem böhmischen Globenz hergestellte Baumschmuck das Kempsche Antiquitätengeschäft in ein kleines Weihnachtswunderland verwandelt.

Seit Martina Kemp 1970 notgedrungen das Geschäft ihres unerwartet früh gestorbenen Vaters Fred übernahm, wurde das Sammeln und Restaurieren von historischen Krippenfiguren und Weihnachtsschmuck eine ihrer Leidenschaften. Nun wird bald auch das Geschäft von Martina Kemp zu einem Teil der Geschichte Bonns werden. Seit dem Sommer des Jahres lebt die plötzlich und schwer an Demenz erkrankte 71-Jährige in einem Pflegeheim in der Nähe von Fulda. „Heime in Bonn und Umgebung sind einfach nicht bezahlbar“, sagt ihre Tochter Tina Beutter verärgert, die sich nach langer und leidvoller Suche für das knapp 300 Kilometer entfernte Heim entscheiden musste.

Jetzt wird sie ein letztes Mal zu einer Adventsausstellung in das vormals elterliche Geschäft einladen und sich mit einem Sonderverkauf von den Kunden verabschieden. Vielleicht wird dann auch die ein oder andere Geschichte erzählt werden: Zum Beispiel, wie der Zahnarzt Fred Kemp damals zu dem Laden kam. Ende der dreißiger Jahre hätte er nur weiter praktizieren können, wenn er Mitglied der nationalsozialistischen NSDAP geworden wäre. Kemp weigerte und entschied sich für den Handel mit Heiligenfiguren und Urväter-Hausrat. Er muss große Freude daran gehabt haben, zwischen goldenen Bilderrahmen, antiken Möbeln und – wie er es nannte – „allerlei Firlefanz“ zu sitzen. „Kunst und Kitsch“, erklärte er seinen kunstsinnigen Besuchern, lägen sehr nahe beieinander.

Blütezeit des Antiquitätenhandels ist vorbei

Sein Geschäft erlebte die Goldenen Jahre des Antiquitätenhandels. Auch noch in den 70er und 80er Jahren boomte der Antiquitätenhandel. Tina erinnert sich an die Zeiten, wo die Familie ständig auf der Suche nach dem Besonderen und Schönen war. Ob in England, Frankreich oder in Süddeutschland: Die Kemp-Beutters fanden überall die Kostbarkeiten, die ihren Laden in der Herwarthstraße zum Ziel von Sammlern und Liebhabern machten.

„Die Zeiten sind vorbei“, zieht Tina heute das Fazit. Als Innenarchitektin weiß sie, dass sich heute niemand mehr mit schweren Möbeln belastet. „Man möchte beweglich bleiben“, sagt sie, „weder die kunstvollen Gläser, das handbemalte Porzellan oder das Silberbesteck sind für die Spülmaschine geeignet.“ Kaum jemand lege noch Wert auf Möbel aus den Stilepochen von Barock, Klassizismus oder Biedermeier. So befinden sich die Preise für Antiquitäten seit Jahren im Sinkflug. Wenn überhaupt, so Tina Beutter, sei heute noch „Crossover“ gefragt. Man kombiniere Einzelstücke mit modernem Design. Noch finden sich dazu in ihrem Laden genügend Anregungen.

Adventsausstellung mit Sonderverkauf, Freitag, 16. November von 16 bis 20 Uhr und Samstag, 17. November von 10 bis 20 Uhr, Antiquitäten Martina Kemp, Herwarthstraße 10.

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