Bonner Doppelmord Leidet der Angeklagte unter Verfolgungswahn?

BONN · In einem vollkommen neuen Licht erscheint seit Dienstag der Prozess um den Bonner Doppelmord. Vor Gericht schweigt der 57 Jahre alte Angeklagte bislang zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Während der Ermittlungen hatte er jedoch gestanden, im Februar vergangenen Jahres einen Verkäufer eines Matratzengeschäfts am Belderberg sowie einen Verwaltungsleiter auf dem Ennertparkplatz erschossen zu haben.

Den Polizisten gegenüber hatte der verurteilte Versicherungsbetrüger als Motiv genannt, dass er durch Raubüberfälle an Geld kommen wollte. Damit habe er eines seiner Kinder vor der Unterbringung in einem Heim bewahren wollen. Er habe bei der Begehung der Taten keinen bewussten Entschluss gefasst zu schießen.

Gestern berichtete der zunächst als Zeuge gehörte psychiatrische Sachverständige Wolf Gerlich allerdings, dass der Angeklagte ihm gegenüber von Wahnvorstellungen berichtet habe. Angeblich fühlt sich der Niederpleiser von seiner Schwägerin verfolgt und drangsaliert. Dieser Verfolgungswahn könnte bei den Taten möglicherweise eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Offenbar hat der 57-Jährige dem Gutachter berichtet, dass der Matratzenverkäufer vor dem Laden gestanden, eine Zigarette geraucht und ihm Zeichen gegeben habe, dass er in den Laden kommen solle. Dort habe er sich in eine Falle gelockt und bedroht gefühlt. Er habe gedacht, dass jemand hinter einem Regal stehe.

Da habe er seine Pistole gezogen. Der erste Schuss sei "zu früh" losgegangen, den zweiten habe er jedoch aktiv abgegeben. Auch bei der zweiten Tat auf dem Ennertparkplatz sollen Wahnvorstellungen eine Rolle gespielt haben. Angeblich hatte der Täter das Gefühl, dass er von dem in seinem Auto sitzenden späteren Opfer auf Geheiß der Schwägerin beobachtet wird.

Der 49-Jährige sei dann zunächst weggefahren und etwa eine halbe Stunde später zurückgekehrt. Als das Auto auf ihn zugefahren sei, habe er geschossen. Offenbar hat der Angeklagte gegenüber dem Gutachter behauptet, dass er den Polizisten aus Angst davor, dass er in der Psychiatrie weggesperrt wird, nichts von den Wahnvorstellungen berichtet habe.

Als der Sachverständige dem 57-Jährigen im letzten der im Gefängnis geführten Gespräche erläutert hatte, dass aufgrund seiner Angaben genau diese dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik nun erst recht im Raum stehe, habe der Angeklagte "verunsichert und irritiert" gewirkt. Der Prozess wird fortgesetzt.

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