Konzert in der Harmonie Legendäre Kultband will es nochmal wissen

Bonn · Die Band The Electric Sandwich zählte zu den bekanntesten Gruppen der deutschen Rockszene. Musikmagazine führen das Album bis heute als einen der Meilensteine der deutschen Krautrockszene auf. Am Freitag tritt die Band beim Bonner Beat Festival in der Harmonie auf.

 The Electric Sandwich: (v. l.) Hans Greuel, Wolf Fabian und Gerd Weber.

The Electric Sandwich: (v. l.) Hans Greuel, Wolf Fabian und Gerd Weber.

Foto: Nicolas Ottersbach

Das Stück hat Kultcharakter. Der Bass auf "China" ist hypnotisch, der Rhythmus meditativ, die Gitarre gespielt wie im Rausch. Das 1972 erschiene Debütalbum der Band The Electric Sandwich wird heute als Schallplatte für 700 Dollar gehandelt und gilt unter Musikliebhabern als Sammlerstück. Die bereits 1967 gegründete Formation zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Bonner Bands. Musikmagazine führen das Album bis heute als einen der Meilensteine der deutschen Krautrockszene auf. Am Freitag tritt die Band beim Bonner Beat Festival in der Harmonie auf.

Wolf "Lupus" Fabian lächelt verschmitzt, wenn er über die 1960er Jahre spricht. 1967 wurde die Band von Schülern gegründet. Geprobt wurde am Kaiserbrunnen - heute würde man sagen "unplugged", also akustisch ohne Verstärkeranlagen. Man spielte Stücke etwa von Jimi Hendrix. Schon ein Jahr später sorgte die Band für einen handfesten Skandal - und das zwei Tage vor Heiligabend bei einem Benefiz-Festival im Studio der Beethovenhalle. Gitarrist Ulrich "Ulipoff" Hübinger, damals unter jungen Leuten geradezu eine Legende, trat mit einem Adventskranz mit brennenden Kerzen auf, der Sänger legte einen Striptease hin, die Roadies bewarfen das Publikum während des Auftritts mit toten Heringen. "Ich habe von all dem gar nichts gewusst. Ich glaube, das war eine relativ spontane Aktion", sagt Schlagzeuger Fabian und lacht leise in sich rein. "Aber das Ganze hat uns schlagartig bekannt gemacht, und das nicht nur in Bonn."

Zudem war die Band nicht nur wegen ihrer ungewöhnlichen Konzerte beliebt, sondern weil sie darüber hinaus einfach gut war. 1970 bestand die Band, die dann nur noch eigene Titel spielte, neben Fabian aus Jörg "Edy" Ohlert, dessen Gitarrenspiel schon sehr an Hendrix erinnerte, Klaus "Lory" Lormann (Bass) und dem einzigartigen Frontmann Jochen "Archy" Carthaus, der nicht nur sang, sondern auch Gitarre und Saxofon spielte. Die Band belegte bei einem Bandwettbewerb, den die Zeitschrift Hörzu 1971 in Hannover veranstaltete, immerhin den zweiten Platz - zusammen mit den Scorpions.

Das legendäre Brain Label, bei dem damals alle bekannten Bands unter Vertrag standen, nahm die Band in die deutsche Rockfamilie auf. Es gab Fernsehauftritte, die Bonner tourten mit solch erfolgreichen Bands wie Steamhammer oder Uriah Heep. Ihr Debütalbum und die Single "On My Mind" waren zwar erfolgreich, doch die Bandmitglieder entschieden sich, sich ihren Examen zu widmen. Sie wurden Ärzte, Juristen, Lehrer. Wolf Fabian etwa unterrichtete viele Jahre lang am Friedrich-Ebert-Gymnasium, bis ihn Krankheiten regelrecht aus dem Verkehr zogen. Aber die Musik ließ ihn nie los: "Sie ist mein Ein und Alles", sagt er. Mittlerweile betreibt er mit einem Partner zusammen ein Musikstudio, und das unveröffentlicht gebliebene zweite Album der Electric Sandwich will er demnächst auch herausbringen. "Es ist überarbeitet und digitalisiert. Die CD wird demnächst unter dem Titel “Lava„ erscheinen", sagt er.

Die Band ist auch wieder ins Leben gerufen worden. Nach einem kurzen Aufleben vor fast 15 Jahren musste erstmal wieder ein Schlusspunkt gesetzt werden - nach dem plötzlichen Tod von Archy Carthaus vor einigen Jahren. Jetzt besteht die Band aus Sänger Niggy Lehmann, Gerd Weber als zweiter Leadgitarrist sowie Hans Greuel am Bass. Am Freitag kann man die Combo live erleben, und diesmal werden wohl keine toten Fische ins Publikum fliegen.

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