"Inklusion von Anfang an" Youtuber aus Bonn engagiert sich für Aktion Mensch

Bonn · Der Bonner Youtuber Leeroy Matata engagiert sich für die Kampagne "Inklusion von Anfang an" der Aktion Mensch.

 Unterwegs in Bonn für ein Youtube-Video: Leeroy Matata im Rollstuhl mit seinen Mitstreitern.

Unterwegs in Bonn für ein Youtube-Video: Leeroy Matata im Rollstuhl mit seinen Mitstreitern.

Foto: GA

Die erschreckende Tatsache, dass jeder zweite körperlich oder geistig Beeinträchtigte in Deutschland diskriminiert wird, war noch vor wenigen Wochen Tagesthema nahezu aller Medien in Deutschland.

Die in Bonn ansässige Aktion Mensch hatte die Ergebnisse ihrer Onlinebefragung zu "Diskriminierungserfahrungen" veröffentlicht. Danach hat die Diskriminierung in der Gesellschaft nach Ansicht einer Mehrheit der befragten Menschen mit Beeinträchtigung (52 Prozent) sogar weiter zugenommen. Jeder in der Gesellschaft solle diesem Trend entgegenwirken. Ein inklusives Miteinander steht im Mittelpunkt der Aktion-Mensch-Kampagne "Inklusion von Anfang an".

Hasskommentare gegen Menschen mit Behinderungen

Mit kaum anderthalb Minuten langen Videos in den Sozialen Medien führt die Aktion Mensch auf drastische Weise Wunsch und Realität zum Thema Inklusion vor. Nach geradezu als märchenhaft zu bezeichnenden Beispielen, wie Inklusion aussehen könnte, sehen die Zuschauer in die eindringlichen Augen junger Menschen mit Beeinträchtigung.

Dazu werden Hasskommentare von anderen eingeblendet: Da wird auf Facebook zum Bild eines Jungen mit Down-Syndrom gepostet: "Für 0,1 Prozent müssen 99,9 Prozent Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen", oder "Ich würde niemals meine Kinder mit hirnlosen Kreaturen spielen lassen". Die Aktion Mensch will mit der ungeschönten Wiedergabe ein Zeichen gegen Intoleranz, Hass und die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung setzen. Das entspricht auch dem Wunsch der Betroffenen, die Öffentlichkeit mehr über ihre alltägliche Diskriminierung aufzuklären.

Einer, der das seit drei Jahren sehr engagiert tut, ist der 22-jährige Bonner Leeroy Matata. Frei übersetzt bedeutet sein Künstlername "König des Palavers". Dass der Rollstuhlfahrer seinen wahren Namen verschweigt, ist den verbalen und tätlichen Angriffen geschuldet, die er als öffentliche Person erfährt. Jahrelang hat er für die deutsche Nationalmannschaft Rollstuhlbasketball gespielt und wurde mehrfach Deutscher Meister. Inzwischen sind es rund eine halbe Millionen Menschen, die seinen YouTube-Kanal abonniert haben. Für seine Community ist er als Interviewer, Moderator oder Coach unterwegs und behandelt Alltagsthemen von Lifestyle bis Inklusion.

Sein Erfolg dürfte auf seine Authentizität und Vielseitigkeit zurückzuführen sein. Für Behinderte ist er ein schillerndes und Mut machendes Vorbild, wie die vielen positiven Kommentare unter seinen Videos eindrucksvoll belegen. So wurde er auch für die Aktion Mensch zu einem der Hauptakteure auf deren Social Media Kanälen. Seit einiger Zeit reist er mit einem Team behinderter und nichtbehinderter Coaches quer durch Deutschland und versucht, Kindern und Jugendlichen in Schulen das Leben mit Behinderung greifbarer zu machen.

"Da muss man teilweise bei Null anfangen", sagt Leeroy. Aber es sei spannend, wie viel sich schon in wenigen Minuten bewegen könne. "Wie schläft man im Rollstuhl?", sei eine der meist gestellten Fragen. Für viele Kids sei es schwer vorstellbar, dass er, wie andere Menschen auch, im Bett schlafe. Im Laufe der Treffen würden die Fragen immer aufrichtiger und deutlicher. Die Behinderung des Befragten trete dabei immer weiter in den Hintergrund. "Kann man als Behinderter eine Beziehung haben?", oder "Wie funktioniert dein Liebesleben?", sind plötzlich drängende Fragen. "Alles Themen, über die ich auch locker im Internet rede", sagt Leeroy. Dass er dafür Gehässigkeiten wie "Zurück nach Afrika" aushalten müsse, gehöre zu seinem Alltag.

Amüsiert fügt der Sohn eines Kameruner Vaters und einer deutschen Mutter hinzu, dass er noch nie in Afrika war und in Bonn geboren ist. Doch Leeroy setzt sich mit den Hasskommentaren auf seine Videos auseinander: In einem Film erklärt er seinen Fans, dass es sich unbestritten um dumme Äußerungen handele, die alle nur das Ziel hätten, seine Würde zu verletzen. "Für diejenigen von euch, die nicht wissen, was Würde ist: Jeder hat sie", so Leeroy im Video.

Leeroy Matata: Viele kleine Diskriminierungen im Alltag

"Im Internet fühlen sich die Leute durch ihre Anonymität geschützt und trauen sich etwas", sagt er im Gespräch mit dem GA. Ansonsten seien es eher die vielen kleinen Diskriminierungen. "Da macht sich eben keiner Gedanken, wenn der Aufzug im Kölner Hauptbahnhof über drei Monate kaputt ist und für mich eine Dreiviertelstunde Umweg bedeutet." In Bonn habe er nur wenig negative Erfahrungen gemacht. Schlimm sei für ihn nach wie vor, wenn Mütter ihre kleinen Kinder vor ihm in Sicherheit brächten, weil sie annähmen, er würde sie gleich überrollen.

"Wir sind dabei, das Bild der Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft etwas zu verändern", sagt Andreas Kimpel, Geschäftsführer der Bonner Lebenshilfe. Menschen mit Behinderung würden zunehmend nicht mehr in Spezialeinrichtungen gefördert, sondern sollten am Leben teilnehmen. "Die Gesellschaft muss sich mehr öffnen, dann haben wir auch gute Chancen, uns weiterzuentwickeln", sagt Kimpel. Lange hätte man Förderschulen und -einrichtungen gehabt, jetzt sollten alle Menschen teilhaben und jeder vom anderen profitieren können. "Das ist manchmal anstrengend und wird vielleicht nie so ganz zu schaffen sein, aber es ist unsere Realität", so Kimpel.

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