Belastung binnen fünf Jahren gestiegen Bahnlärm bringt Bonner um den Schlaf

Bonn · 29.500 Bonnerinnen und Bonner werden während der Nachtstunden von lauten Zügen, quietschenden Bremsen und anderem Eisenbahnlärm um den Schlaf gebracht. Der Lärmaktionsplan zeigt: Die Zahl der Betroffenen ist binnen fünf Jahren weiter gestiegen.

 Bahnlärm in der Bonner Südstadt: Ein Güterzug fährt auf den Bahnschienen an der Kaiserstraße.

Bahnlärm in der Bonner Südstadt: Ein Güterzug fährt auf den Bahnschienen an der Kaiserstraße.

Foto: Nicolas Ottersbach

Man möchte sich die Ohren zuhalten! 29.500 Bonnerinnen und Bonner werden während der Nachtstunden von lauten Zügen, quietschenden Bremsen und anderem Eisenbahnlärm mit einer Lautstärke von mehr als 55 Dezibel um den Schlaf gebracht und müssen mit gesundheitlichen Problemen wie Schlafstörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen rechnen. 55 Dezibel hören sich ungefähr so laut an, als habe man einen brummenden Kühlschrank im Schlafzimmer stehen – nur nicht so gleichmäßig.

Während tagsüber bei höheren Alarmwerten von 65 Dezibel – das entspricht einem Fernseher in Zimmerlautstärke – nur 13.000 Anwohner starken Bahnlärm ertragen müssen, kostet in dieser Zeit der Straßenverkehr verstärkt Nerven. 9100 Wohnungen mit schätzungsweise 19.000 Bewohnern werden tagsüber regelmäßig von gesundheitsschädlichem Straßenlärm umtönt.

Auch 22 Schulgebäude und ein Krankenhaus sind betroffen. Bei diesem Grenzwert sieht das Umweltbundesamt kurzfristig Grund zu Änderungen. 500 Wohnungen und zwei Schulen in Bonn liegen sogar im Lärmbereich von 75 Dezibel. Dort ist es bei offenen Fenstern dauerhaft so laut wie vor einer Waschmaschine im Schleudergang.

Ergebnisse im Entwurf des städtischen Lärmaktionsplans

Diese Ergebnisse finden sich im Entwurf zur dritten Fortschreibung des städtischen Lärmaktionsplans, den das Planungsbüro Richter-Richard aus Aachen und Berlin jetzt vorgelegt hat. Bis zum 8. Dezember können registrierte Bürger in einem Online-Dialog dazu Anregungen geben. Anfang April solle das Papier im Umweltausschuss vorgestellt und in der Ratssitzung im Mai beschlossen werden, berichtet Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann.

Wie die mitgelieferten Lärmkarten für Lärmquellen illustrieren, umschnüren vor allem die Autobahnen 565 und 59 linksrheinisch und die B42 rechtsrheinisch mit Verbindung über die Südbrücke die Innenstadt und Beuel mit einer Lärmschneise in Form eines umgedrehten U. Vor allem auf und östlich der Nordbrücke wird der Schall weit zu beiden Seiten verteilt. Dazu kommt in Form eines nach links gekippten Ypsilon der Lärm der Eisenbahn. Wer von der Autobahn nichts hört, den stören häufig die Züge. Der Lärm von Stadt- und Straßenbahn und Industrie fällt dagegen weniger ins Gewicht. Betroffen sind von den Bahnen meist nur Anwohner. Industrielärm konzentriert sich vor allem westlich der Nordbrücke am Bonner Hafen sowie in zwei Gewerbegebieten in Beuel-Ost.

Auch durch kumulative Effekte mehrerer Lärmquellen liegen in der Innenstadt der Kaiser-Karl-Ring, Wittelsbacherring, die Baumschulallee, der Bonner Talweg, die Reuterstraße, Adenauerallee und das Rheinufer oberhalb der Lärmgrenzen von 65 Dezibel tags und 55 Dezibel nachts. In Poppelsdorf sind Sternenburgstraße, Clemens-August-Straße, Sebastianstraße, A 565 und Jagdweg betroffen, in Beuel die Kennedybrücke, der Konrad-Adenauer-Platz, St.-Augustiner-Straße, Siegburger Straße und Goetheallee, in Oberkassel neben dem Rheinufer die Heinrich-Konen-Straße, Dornheckenstraße, Hosterbacher Straße, Hartwig-Hüser-Straße und die Straße Im Mohrenfeld. In den anderen Stadtbezirken ist es ruhiger oder es gibt dort im Verhältnis zur Fläche weniger betroffene Anwohner.

Die Lärmaktionspläne der Vergangenheit haben in Bonn bezogen auf die Betroffenen bislang keine Besserung gebracht, räumt die Stadtverwaltung ein. Im Gegenteil: Von Straßenlärm mit einer Lautstärke von 70 Dezibel am Tag bzw. 60 Dezibel in der Nacht seien heute sogar 500 bis 1000 Menschen mehr betroffen als bei der letzten Auswertung vor fünf Jahren, schätzt Hoffmann. „Auch beim Schienenverkehr der DB AG gab es eine Zunahme der Betroffenen“, sagt er.

Um für Verbesserungen zu sorgen, hatte die Stadt schon 2011 vor der zweiten Runde des Lärmaktionsplans vier Hauptbelastungsachsen untersuchen lassen. Dies sind die Kölnstraße, Kaiser-Karl-Ring und Hochstadenring bis zur Viktoria-
brücke, die Hausdorffstraße und die Dottendorfer Straße. Mit aktualisierten Daten empfehlen die Gutachter etwa auf der Kölnstraße einen neuen lärmreduzierten Straßenbelag, Tempo 30 auf vielen Abschnitten, einen Umbau des Stiftsplatzes und ein häufigeres Schleifen der Stadtbahngleise. Insgesamt könne der Lärm damit um fünf bis acht Dezibel abnehmen. Auf dem Kaiser-Karl-Ring bzw. Hochstadenring wird beispielsweise eine Umprogrammierung der Ampeln auf eine Richtgeschwindigkeit von 35 bis 40 km/h vorgeschlagen.Selbst wenn der Rat den Lärmaktionsplan beschließt, werden die Maßnahmen allerdings nicht automatisch umgesetzt, so Hoffmann.

Die Stadt erfüllt mit dem Papier lediglich eine EU-Vorgabe. Die gemachten Vorschläge müssten von den Ratsgremien einzeln beraten und beschlossen werden. Einzelne Folgen hatten die ersten beiden Runden immerhin. „An der Josefshöhe“ wurde Tempo 30 eingeführt. Und nach Leitungsarbeiten auf der Römerstraße wurde dort schallschluckender Asphalt aufgebracht.

Online-Dialog zum Lärmaktionsplan: www.bonn-macht-mit.de.

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