Kampf gegen Langfinger Wie sich Bonner Geschäftsleute gegen Ladendiebe wehren

Bonn · Kleidung, Parfüm oder Brillen: Jedes Jahr verursachen Ladendiebe in Bonn und der Region Schäden im sechsstelligen Bereich. Die Zahlen sind zwar leicht rückläufig; die Polizei vermutet aber eine deutlich höhere Dunkelziffer. So wappnen sich Geschäftsleute in Bonn gegen die Langfinger:

  Egal, ob Kameras oder Kleidung: Ladendiebe denken sich immer neue Tricks aus.

Egal, ob Kameras oder Kleidung: Ladendiebe denken sich immer neue Tricks aus.

Foto: dpa/Ferdinand_Ostrop

Egal ob Kleidung oder Parfüm, Brillen oder Dessous: In Bonner Geschäften wird alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Und das von jedem. Da ist sich Erich Beyersdorff sicher. Denn, so fasst es der Geschäftsleiter der Bonner Sinn GmbH zusammen: „Alle klauen alles.“ Teilweise werde für den Eigenbedarf, teilweise auf Bestellung gestohlen.

Den Täter gibt es somit nicht – es sind Jugendliche wie Erwachsene aller Nationalitäten, Drogenabhängige wie gut situierte Bonner, organisierte Banden wie Einzeltäter, beschreibt Beyersdorff. „Auch mit Rollator und Kinderwagen wird gestohlen“, bestätigt Detektiv Rolf Brauer, der unter anderem bei Sinn im Einsatz ist. So habe er einmal ein Trio älterer Damen beobachtet, die sich ihre Rollatoren „komplett vollgestopft haben“.

Kameras mit Livebildern im Haus am Münsterplatz

Was die Diebe einstecken, folgt nach Angaben des Geschäftsleiters keinem Schema. In dem Haus am Münsterplatz zum Beispiel bedienen sich die Ladendiebe quer durch alle Regale, allerdings „stellen wir immer wieder fest, dass es begehrliche Marken gibt“. Generell aber seien die Zahlen – zumindest in seinem Geschäft – in den vergangenen Jahren konstant geblieben. 0,5 Prozent des Umsatzes müsse man ungefähr abschreiben, „das ist gut“. Normalerweise nämlich läge die Summe des Diebesgut bei rund einem Prozent des Jahresumsatzes. Wie hoch der Verlust genau ist, kann er nicht sagen.

Um die Diebe abzuhalten, wurde einiges investiert. Es gibt Kameras, die Livebilder aufzeichnen, die sofort von Detektiven gesichtet werden. Außerdem arbeitet das Team eng mit Polizei und Ordnungsamt in der Wache Gabi zusammen, auch die Mitarbeiter wurden sensibilisiert. Und: Wer erwischt wird, erhält umgehend Hausverbot. „Im Vordergrund steht für uns auf jeden Fall die Prävention“, betont Beyersdorff.

Das bestätigt Brauer. Daher habe man nicht nur die Videobilder, sondern auch die Eingänge immer im Blick. „Uns ist es am liebsten, wenn nicht geklaut und die Ware nicht beschädigt wird.“ Uns, das sind die Bonner Citydetektive, die es seit 2000 gibt. Sie sind zwar in verschiedenen Läden tätig, aber gut untereinander vernetzt. „Wir telefonieren miteinander, informieren uns und geben uns Tipps zu möglichen Dieben“, beschreibt Brauer. Außerdem unterstützt man sich gegenseitig personell – falls es in dem einen Laden gerade ruhig ist, in dem anderen aber ein Dieb flüchten möchte.

Viele Diebstähle an Aktionstagen wie Black Friday

Dass die Zahl der Diebstähle zunimmt, ist der Eindruck von Gabriele Hergarten, von der Parfümerie Vollmar und verantwortlich für Vollmar Secrets. Die Mitarbeiter seien bei der Inventur entsetzt, wenn sie sähen, wie viel wirklich geklaut werde. „Wir haben den höchsten Schaden bei Luxusartikeln“, so Hergarten. Die Angestellten seien – neben weiteren Maßnahmen – sensibilisiert und sehr aufmerksam. „Das schreckt ab.“ Dennoch: Gerade wenn viel los ist, am Black Friday oder im Weihnachtsgeschäft „wird jeden Tag gestohlen“. Im normalen Betrieb verhindere man zwei bis drei Diebstähle pro Woche, einmal aber seien die Diebe im Schnitt erfolgreich.

Dass es immer mehr Diebstähle gibt, meint auch von Karina Kröber vom City-Marketing-Vorstand. Das kristallisiere sich in diversen Gesprächen und Geschäftsrunden heraus. „Die meisten haben Kameras, größere Häuser beschäftigen außerdem Doormen und Detektive“, beschreibt die Optikerin. Außerdem sei man untereinander vernetzt.

Auch in ihren Läden, darunter Kröber Hören und Sehen, habe man Vorkehrungen getroffen. Die hochpreisigen Brillen zum Beispiel stehen laut Kröber unter Verschluss. Und werden nur hervorgeholt, wenn ein Mitarbeiter ein Auge auf sie – und den Kunden – hat. Feste Diebstahlsicherungen sind ihrer Erfahrung nach zwar eine Hürde, aber kein Hindernis. „Die können teilweise gelöst werden.“ Wie die Diebe das schaffen, verrät sie nicht. Eins ist für Kröber klar: „Die Leute werden immer rücksichtsloser, Die Angst vor den Folgen fehlt immer mehr.“

Dass es aber Konsequenzen gibt, dafür sind Klaus Mertins und sein Team verantwortlich. Er leitet seit fünf Jahren das Kriminalkommissariat 36 bei der Bonner Polizei, das unter anderem für Ladendiebstähle zuständig ist. Dass die Zahlen steigen, kann er nicht bestätigen (siehe auch den Artikel „Ladendiebstahl in Zahlen“), eher das Gegenteil ist – zumindest statistisch – der Fall. Nichtsdestotrotz  geht Mertins davon aus, dass die Dunkelziffer hoch ist. Denn nicht alle Taten werden zur Anzeige gebracht. Dann zum Beispiel, so Mertins, wenn der Diebstahl gar nicht bemerkt wurde. Und sich erst bei der Inventur herausstellt, dass ein Teil fehlt.

Mehr als die Hälfte aller Taten in Bonner Innenstadt

Die Polizei auf jeden Fall stellt einen örtlichen Schwerpunkt fest: Mehr als die Hälfte aller Taten werden in der Bonner Innenstadt begangen, gefolgt vom Beueler und Bad Godesberger Zentrum. In der City handelt es sich meist um Beschaffungskriminalität. „Ein Drogenabhängiger braucht jeden Tag Geld, um seine Sucht zu befriedigen.“ Aber auch gut organisierte Banden, meist aus Süd- und Südosteuropa, seien dabei.

So unterschiedlich die Täter, so unterschiedlich ihre Motive. Die einen, so beschreibt Mertins, stehlen aus Eigenbedarf. „Weil sie sich bestimmte Dinge nicht leisten können, aber meinen, dass sie ihnen zu stehen.“ Die anderen lassen Parfüm und Co. mitgehen, um sie zu verkaufen und so ihre Drogensucht zu finanzieren. Wieder andere klauen auf Bestellung. „Das können Hygieneartikel, Elektrogeräte oder auch Kindernahrung sein“, sagt Mertins. „Die verschwinden dann massenweise aus den Geschäften.“

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