Anja Nostadt von der Bürgerinitiative „Gib 8“ Kurz gefragt

Anja Nostadt ist das Gesicht der Bürgerinitiative „Gib 8“, die gegen das Abitur nach acht Jahren kämpft. Mit der Bonner Psychotherapeutin sprach Gabriele Immenkeppel.

 Anja Nostadt.

Anja Nostadt.

Foto: Privat

Es ist nicht einfach, die richtige Schule für ein Kind zu finden. Weshalb bereitet diese Entscheidung vielen so große Schwierigkeiten?

Anja Nostadt: Neben der Gesundheit ist Bildung eines der am höchsten bewerteten Güter in unserer Gesellschaft. Eltern möchten, dass ihre Kinder die beste Bildung bekommen. An den Universitäten sind viele Fächer mit einem Numerus clausus versehen. Bei der zum Teil gestiegenen wirtschaftlichen Unsicherheit von vielen Familien ist diese Entwicklung zu erklären.

Was hat sich verändert?

Nostadt: Mittlerweile gibt es viel mehr Angebote. Die Fragen: Welche Schule hat welches Profil; gibt es eine Übermittagsbetreuung und wie viele „Langtage“ hat mein Kind in welcher Stufe beschäftigen Eltern. Die Situation an den Gymnasien hat sich durch die G8-Reform sehr verschärft. Dort müssen alle mit vollgestopften Lehrplänen kämpfen. Durch die extrem vielen Wochenstunden erleben Kinder eine Belastung und einen Arbeitsalltag, der sich nicht von dem eines Erwachsenen unterscheidet. Dadurch haben sie zu wenig Möglichkeit, außerschulische Erlebnisse zu erfahren. Viele Umfragen und jüngste Studien haben gezeigt, dass die Mehrheit G 8 anlehnt, G 9 wünscht und anstatt eines verpflichtenden Ganztages vielmehr die freiwillige Übermittags- und Nachmittagsbetreuung für ihre Kinder fordert.

Welche Korrekturen des Systems sind ihrer Meinung nach unbedingt erforderlich?

Nostadt: Die baldmögliche Rückkehr zu G 9 an Gymnasien und die Rückkehr zum überwiegenden Halbtagsunterricht. Kindern und Jugendlichen sollten freiwillige Angebote der Übermittagsbetreuung zur Verfügung stehen. Zudem sollten alle Schulen eine gute Mensa haben. Das ist auch genau das, was berufstätige Eltern benötigen. Durch die Flexibilisierung der Arbeitszeiten braucht man nicht mehr eine Betreuung von 8 bis 17 Uhr. Das haben empirische Untersuchungen gezeigt. Wir brauchen keinen verpflichtenden Ganztag überall. Wir brauchen ein Schulsystem, das zum einen eine vertiefte Bildung und ein fundiertes Wissen vermittelt, zum anderen aber auch Zeit für die Entwicklung von diskursiven und kommunikativen Fähigkeiten lässt. Das ist mit dem engmaschigen G 8-Korsett nicht möglich.

Nostadt: Ich wünsche ihnen, dass sie eine Schulgemeinschaft finden, in der sie sich gut aufgehoben fühlen. Dass sie zu leistungsfähigen und stabilen Persönlichkeiten heranwachsen, und dass sie später über eine gute, eigene Urteilsfähigkeiten verfügen. Zudem wünsche ich ihnen, dass sie genügend Zeit für außerschulische Aktivitäten haben, Freunde treffen können und ausreichen Zeit für Begegnungen im Kreis der Familie.

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