Auf dem Marktplatz Künstler enthüllen Erinnerungsmal an die Bücherverbrennung 1933

BONN · Michael Dülmen fällt auf unter den vielen hundert Zuschauern auf dem Marktplatz. Er steht in der ersten Reihe. Die Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 möchte er auf keinen Fall verpassen.

 Füllen die Truhe mit Literatur, die die Nazis als "undeutsch" diffamierten: Die beiden Konzeptkünstler Andreas Knitz (links) und Horst Hoheisel.

Füllen die Truhe mit Literatur, die die Nazis als "undeutsch" diffamierten: Die beiden Konzeptkünstler Andreas Knitz (links) und Horst Hoheisel.

Foto: Marcel Dörsing

Um seinen Hals hat sich der 70-jährige Bonner ein Gemälde gehängt, auf dem ein erschrockenes Gesicht zu sehen ist, eingekesselt von Flammen. Das Bild der Bonner Künstlerin Doris Distelmaier-Haas hatte Dülmen zuvor ersteigert, um mit dem Erlös die Errichtung eines Mahnmals unterstützen.

"Das ist mir sehr wichtig", sagte Dülmen. "Ich bin 1943 geboren. Zu der Zeit brannten schon nicht mehr nur Bücher, sondern auch Städte und sogar Menschen. Aber mit den Büchern hat es angefangen." Dülmen ist einer von über 100 Bonnern, die mit Spenden die Verwirklichung des Projekts überhaupt erst ermöglichten. Gestern, am 80. Jahrestag der Bücherverbrennung, übergaben die Konzeptkünstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz das Erinnerungsmahl OB Jürgen Nimptsch.

Bronzene Buchrücken der vielen Autoren und deren Werke, die am 10. Mai 1933, in die Flammen geworfen wurden, haben Knitz und Hoheisel ins Pflaster eingelassen. In der Mitte, kurz vor der Rathaustreppe, schlummert unter einer großen Gedenktafel das Herzstück des Erinnerungsmals: Eine Kiste, gefüllt mit Ausgaben der Werke von Thomas Mann, Kurt Tucholsky, Erich Kästner und weiterer Literatur, die die Nationalsozialisten als "undeutsch" diffamierten.

Jedes Jahr soll die Kiste wieder herausgeholt werden, die Bücher verschenkt und durch neue ersetzt werden. "Unsere Idee war ein Denkmal, das aktiv und lebendig besteht. Wir sind selbst gespannt, wie es sich entwickelt", erklärte Knitz. Rund 70.000 Euro kostete das Erinnerungsmal, das ohne städtische Mittel finanziert wurde. 51.000 Euro stellte die Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung. Rund 23.000 Euro stammen aus Spenden von Bürgern, Parteien, des Studentenparlaments und Uni-Mitarbeitern. "Es ist ein wirklich demokratisches Denkmal", sagte Hoheisel.

"Es waren keine braune Horden, die Initiatoren und Organisatoren der Bücherverbrennung waren. Es kam aus der Studentenschaft mit Unterstützung der Professoren und der kommunalen Verwaltung", erkärte Hans Wupper-Tewes von der Landeszentrale für politische Bildung.

Dabei sei es für die Uni eine besonders beschämende Tatsache, dass sich dabei ausgerechnet der Germanist Prof. Naumann hervorgetan habe, sagte Rektor Jürgen Fohrmann. Nimptsch erinnerte in seiner Rede mit Auszügen aus den Berichten des GA aus der damaligen Zeit an die Ereignisse. Trotz Mairegens habe sich eine "mehrtausendköpfige Menge" auf dem Marktplatz eingefunden.

Bereits zuvor lasen Michael Klevenhaus, Karin Krömer, Dennis Pörtner und Birte Schrein, Schauspieler des Bonner Theaters, vor mehreren hundert Zuhörern in der Aula der Uni aus Werken von Stefan Zweig, Bertolt Brecht und vielen anderen.

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