Wissenschaftsförderung Kritischer Blick auf Auszeichnung als Exzellenz-Uni

Bonn · Die Bonner Universität ist in den Kreis der Exzellenz-Hochschulen aufgerückt. Das bringt viele Millionen Euro – aber nicht für die Studierenden, sagen Kritiker.

„Gaudeamus igitur“ – also lasst uns fröhlich sein – singt der internationale Chor der Uni Bonn am Freitag um 16.25 Uhr ferienbedingt etwas schwachbrüstig. Doch im b-it-Center auf dem Campus Poppelsdorf könnte die Stimmung kaum ausgelassener sein. „Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ist die beste Hochschule Deutschlands.“ Das hat – im 201. Jahr der Geschichte der Uni – Landeswissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen den Bonnern keine fünf Minuten vorher in einer Videobotschaft mitgeteilt.

Noch Minuten zuvor herrscht knisternde Spannung im Raum, als um 16 Uhr die Übertragung der entscheidenden Pressekonferenz aus dem Wissenschaftszentrum beginnt. Als die Moderatorin zu einer längeren Danksagung und Begrüßungsrunde ansetzt, macht sich die Anspannung vernehmlich Luft. Viel steht auf dem Spiel für die Hochschule, für Bonn und die Region. Es ist wie Warten aufs Christkind im Hochsommer. Jeder rechnet mit Geschenken.

„Aber man kann erst sicher sein, wenn sie auch übergeben wurden“, sagt Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel, die 2018 mit ihrem Exzellenzcluster „Econtribute“ in der ersten Runde des Wettbewerbs eine der sechs Förderzusagen für Bonn holte. Das Cluster habe bereits intensiv mit der Arbeit begonnen, berichtet Schnabel. Viele internationale Kapazitäten seien angesprochen und zu regelmäßigen Gast-Aufenthalten eingeladen worden. Bewerbungsverfahren laufen. Linien zur Frauen- und Nachwuchsförderung wurden aufgelegt.

Als um 16.12 Uhr Bundesforschungsministerin Anja Karliczek endlich die Liste mit den elf Prämierten verliest, legt sich schließlich erwartungsvolle Stille über den Raum: RWTH Aachen ... Forschungsverbund Berlin ... – Bonn! Gestandene Akademiker mit Anzug und Krawatte liegen sich in den Armen. Isabel Schnabel, die Wirtschaftsweise der Bundesregierung, ist bei gleich mehreren hochmotivierten Luftsprüngen zu beobachten. „Gewonnen“, ruft Uni-Rektor Michael Hoch als lautester und reckt beide Arme in die Luft, sobald die Lichter der TV-Kameras sich auf ihn richten. Der Rest der Live-Übertragung geht im Jubel unter – und im Klirren der flugs gereichten Sektgläser.

Offiziell Exzellenz-Uni

Bonn ist nun offiziell Exzellenz-Uni. „Die wissenschaftliche Expertise begründet unsere Entscheidung“, verkündet derweil Bundesministerin Karliczek, Vizevorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz im Wissenschaftszentrum Bonn. In den zwei Tagen zuvor hatte ein Gremium aus 39 internationalen Experten über insgesamt 19 Anträge beraten. Auch die Professoren Eva Quante-Brandt (Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz), Martina Brockmeier (Vorsitzende des Wissenschaftsrats, WR) und Peter Strohschneider (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG) haben daran mitgewirkt. Auf Grundlage der Gutachten und unter Berücksichtigung der Ortsbesuche hat das Gremium schließlich eine Em-pfehlung erarbeitet.

In der finalen Auswahlkommission hatten dann auch die 16 Landesminister für Wissenschaft und Forschung und Karliczek für den Bund eine Stimme. „Danke für die Entscheidung. Ich bin überwältigt, dass wir eine einstimmige Entscheidung treffen konnten – es ist nicht selbstverständlich, dass sich Bund und Länder da einig sind“, sagt Karliczek.

Sehr verwunderlich ist der Erfolg der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität nicht. Innerhalb der ersten Bewerbungsrunde um den Titel der Exzellenz-Uni hatte Bonn sieben Cluster beworben und im vergangenen September für sechs davon die erhoffte Förderung erhalten – mehr als jede andere Uni in Deutschland.

Die Entscheidung für Bonn und die Unis in Aachen, Dresden, Hamburg, Heidelberg, Konstanz, München (Ludwig-Maximilians- und Technische Uni), Tübingen sowie das Karlsruher Institut für Technologie und den Berliner Hochschulverbund ist der Kommission nicht leicht gefallen. Sie bedeutet auch, dass die Universität Köln in diesem Jahr ebenso leer ausgeht wie die in Münster und Bochum.

Wissenschaftslandschaft voran treiben

Man gehe aber „davon aus, dass die gesamte Wissenschaftslandschaft von der Exzellenzinitiative vorangetrieben wird“, sagt Karliczek. In den kommenden Jahren seien herausragende Forschungsergebnisse zu erwarten, die auch über Deutschland hinaus strahlen werden. Karliczek tröstet die Verlierer: „Ihre Exzellenz haben alle Hochschulen bewiesen, die teilgenommen haben, auch die, die nun nicht gefördert werden.“

In Poppelsdorf dominiert allein die Freude. Oberbürgermeister Ashok Sridharan gehört – urlaubsgebräunt und eigens angereist – zu den ersten Gratulanten. „Das ist einfach sensationell“, sagt er dem GA. Sridharan verspricht, die Stadt werde alles tun, um bei der Umsetzung des Erfolges mitzuwirken. Das gelte nicht nur für schnelle Baugenehmigungen, sondern für alle Infrastruktur, die eine international aufgestellte Spitzenforschungs-Uni benötige. Der Erfolg sei in einem großen Team möglich geworden – „und der Kapitän heißt Michael Hoch“.

Zwischen Toasts und Glückwünschen greift Hoch selbst zum Mikrofon. Er dankt überschwänglich allen Beteiligten, allen voran Forschungs-Dekan Andreas Zimmer. Mit der Förderung, die zunächst für die kommenden sieben Jahre zehn bis 15 Millionen Euro im Jahr zusätzlich für Forschungsprojekte und den Transfer in die Lehre in die Hochschulkasse spült, werde die Universität sich weiter entwickeln können. „Wir werden mehr im Mittelpunkt stehen“, prophezeit Hoch und verspricht, die Uni werde vermehrt gesellschaftlich relevante Themen bearbeiten. „Für die Universität Bonn ist diese Entscheidung ein Meilenstein in ihrer Geschichte. Heute werden die Weichen gestellt für die nächsten Jahrzehnte, und nun steht fest: Die Universität Bonn ist ganz vorne mit dabei“, sagt Hoch später im Interview mit dem GA (siehe unten).

Bei aller Freude über das glänzende Ergebnis gibt es aber auch Kritik an der Exzellenz-Förderung. Schon im Vorfeld hatten Vertreter verschiedener Studierenden-Ausschüsse in Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung das Entstehen einer „Zwei-Klassen-Lehre“ kritisiert. Auch Tobias Eisenach aus dem Referat für Hochschulpolitik des Bonner AStA warnt vor überzogenen Erwartungen: „15 Millionen Euro sind im Gesamtetat der Universität ein Klacks“, sagt der angehende Historiker. Vor allem profitierten Studierende selbst an den Exzellenz-Hochschulen wenn überhaupt nur über mehrere Ecken von der Förderung. So sollten Spitzenkräfte für die Forschung mit stark reduzierten Lehrverpflichtungen eingeworben werden.

Stabilere Füße

Statt punktueller Förderung müsse die universitäre Lehre grundsätzlich auf stabilere Füße gestellt werden, fordert Eisenach. Das marode Hauptgebäude im Kurfürstlichen Schloss sei ein Symbol der Misere. Dort gebe es nicht einmal fest installierte Beamer. Im Historischen Institut fehlten moderne Whiteboards, und in den Bibliotheken seien viele relevante Bücher nur ein Mal vorhanden und deshalb oft nicht ausleihbar. An seiner früheren Hochschule in Potsdam hat Eisenach das so nicht erlebt. Das Land und über den Hochschulpakt auch der Bund seien in der Pflicht, auch die Breite der universitären Ausbildung auf hohem Niveau zu gewährleisten.

Einen Glückwunsch für seine Uni möchte aber auch Eisenach nicht auslassen. Am Freitag dominiert die Euphorie. Und neben dem Uni-Chor schallt dann auch – mit einem etwas betretenen Seitenblick in Richtung Köln – die Queen-Hymne aus den Lautsprechern: „We are the Champions“.

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