Podiumsdiskussion zur Altenpflege Kritiker und Heimleiter liefern sich Wortgefechte

Bonn · Es ging hoch her am Donnerstagabend im Uniclub bei der Podiumsdiskussion zur Altenpflege, zu der die Bonner Initiative Handeln statt Misshandeln (HsM) eingeladen hatte.

 Diskutieren angeregt über Pflege und ihre Defizite: (von links) Rolf D. Hirsch, Ursula Lehr, Claudia Lücking-Michel, Katja Dörner und Ulrich Kelber.

Diskutieren angeregt über Pflege und ihre Defizite: (von links) Rolf D. Hirsch, Ursula Lehr, Claudia Lücking-Michel, Katja Dörner und Ulrich Kelber.

Foto: Barbara Frommann

Hatten sich die Politiker auf dem Podium wohl auch präpariert, in Wahlkampflaune mit Statements punkten zu können, so legte Moderator Martin Blachmann von Anfang an den Finger in die Wunden der aktuellen Pflegediskussion.

Wie stehe es denn mit der Fixierung, den bewegungseinschränkenden Maßnahmen im Heimalltag, packte Blachmann gleich zu Beginn ein heißes Eisen an. Man könne von einem Mittelwert von 25 Prozent Einsatz dieser Maßnahmen ausgehen, antwortete Gerontopsychiater Rolf D. Hirsch, der auch HsM-Vorsitzender ist.

Die Tendenz sei allerdings dank vieler Diskussionen fallend. "Denn es geht ja auch anders. Menschliche Pflege ist die beste Medizin", sagte Hirsch. Fesselung gebe es in ihrem Heim nicht, konterte im Publikum sofort Eleonore Rönn-Hövedesbrunken, Leiterin des Perthes-Heims.

Fixierung dürfe bei sich selbst gefährdenden Personen auch nur ausgeführt werden, wenn Arzt und Amtsgericht es anordneten. "Ich fühle mich misshandelt von Ihrer Initiative Handeln statt Misshandeln", griff sie als Mitglied des Arbeitskreises der Bonner Einrichtungsleiter Hirsch an. Und bekam Beifall von anderen Heimleitern. "Wir alle leisten Hochleistungspflege", sagte Beate Weber vom Sebastian-Dani-Heim.

Trotzdem sei einiges zu verbessern, merkte Ursula Lehr, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren Organisationen (BAGSO), an und bekam Beifall von Betroffenen. "Rehabilitation muss vor Pflege stehen", sagte Leer. Nach einem Schlaganfall müsse auch in Heimen die Rehabilitation eingeleitet werden, damit der Schweregrad der Schädigung reduziert werde.

Im Heimalltag werde jedoch meist nur mit Pflege reagiert. Auch bei Oberschenkelhalsbrüchen dürfe keine kostbare Zeit verloren gehen, weil auf Genehmigungen der Krankenkassen gewartet werde. "Wir müssen Korrekturen schaffen." Wie könne es sein, dass in erschreckend vielen Fällen Angehörigen die gesetzliche Vertretung für Demente entzogen werde, schilderten Zuhörer im Publikum krasse Fälle.

"Wir beziehen die Angehörigen aus Prinzip in die Entscheidungsprozesse ein", wehrte sich Reinhard Schmidt, Leiter des Hauses Rosental. Jeder Kritiker könne in Bonn auch die Heimaufsicht einschalten, ergänzte Rönn-Hövedesbrunken. Tatsache sei aber schon, dass gesetzliche Betreuer von Senioren keiner Qualitätskontrolle unterlägen, gab auf dem Podium Katja Dörner, Grüne, zu.

Immerhin habe der Gesetzgeber festgelegt, dass kein Betreuer für mehr als 50 Senioren zuständig sein dürfe. "Sie müssten auf jeden Fall eine Ausbildung machen. Das sind doch meist Juristen, die ansonsten nicht viel zustande gebracht haben", schaltete sich Lehr ein.

Die Politik müsse auf jeden Fall rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, durch die Pflegende in Heimen und zu Hause vor Überforderung geschützt werden könnten, zog Claudia Lücking-Michel, CDU, für sich als Konsequenz.

Ulrich Kelber, SPD, legte noch eins drauf: "Würdige Pflege geht nur, wenn wir Mehrleistungen aus den Pflegekassen beschaffen." Womit in dieser durchweg hitzig geführten Debatte eines klar wurde: Es müssen noch viel mehr genau dieser Diskussionen zum immer wichtiger werdenden Thema Altenpflege geführt werden.

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