Straftaten in Bonn Körperverletzung, Raub und Diebstahl nahmen im ersten Halbjahr zu

BONN · Im ersten Halbjahr 2014 ist die Zahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich des Bonner Polizeipräsidiums gestiegen. Nach GA-Informationen waren es 360 Fälle mehr als im Vorjahreszeitraum, was bei insgesamt 46 262 Straftaten im Jahr 2013 einer Schwankung von einem knappen Prozent entspricht.

 Mit Kontrollen wie hier Am Dickobskreuz will die Polizei Einbrecher abschrecken.

Mit Kontrollen wie hier Am Dickobskreuz will die Polizei Einbrecher abschrecken.

Foto: Archivfoto: Lannert

Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa sprach vergangene Woche bei einem Besuch in Bad Godesberg von einer Zunahme "im einstelligen Bereich". Was sie nicht erwähnte: Es geht um Straftaten, die die Bürger besonders beunruhigen.

Wie der GA erfuhr, haben die Fälle von Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung im ersten Halbjahr um 206 Taten zugenommen. Bei der Straßenkriminalität insgesamt, zu der neben Körperverletzung auch Raub und Diebstahl gehören, sind es sogar 855 Fälle mehr. Eine große Rolle dürfte dabei die explosionsartige Steigerung bei den Fahrraddiebstählen spielen - 512 Fälle mehr im ersten Halbjahr oder plus 50 Prozent. Erfolg erzielt die Polizei dagegen mit ihrer Offensive gegen Einbrecher. Wohnungseinbrüche haben von Januar bis Juni um rund 600 Fälle abgenommen (Gesamtjahr 2013: 1480 vollendete Einbrüche).

Das Polizeipräsidium kommentiert die Zahlen nicht. Auch Hermann-Josef Borjans, Bezirksverbandschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), bestätigt keine konkreten Zahlen, erklärt aber den Trend: "Wenn wir uns intensiv um Einbrecher kümmern, nehmen die Fälle ab. Die Polizisten fehlen dann aber an anderer Stelle - und entsprechend nehmen die anderen Straftaten zu."

Borjans verweist auf die personellen Schwierigkeiten des Präsidiums, das einen Altersdurchschnitt von mehr als 50 Jahren hat. Das führt zu einem hohen Krankenstand. Rund 200 der 1184 Vollzugsbeamten sind nach Gewerkschaftsangaben nur eingeschränkt einsetzbar. Um so mehr empört den Personalrat, dass das NRW-Innenministerium dem Präsidium im September nicht wie erwartet mehr als 50, sondern nur 34 junge Beamte als sogenannten Nachersatz zuweist.

Udo Schott, gleichzeitig Bonner Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, warnt vor einer zunehmenden Überlastung seiner Kollegen. Genau wie Borjans sieht er darin auch eine Ursache für die Aufklärungsquote, die unter den Ergebnissen anderer Kreispolizeibehörden liege.

Im NRW-Durchschnitt klärte die Polizei im vorigen Jahr 48,9 Prozent aller Straftaten auf. In Bonn waren es mit 43,9 Prozent etwas weniger als im Vorjahr (44,3) sowie im Fünfjahresdurchschnitt (45,9). Köln lag mit 43,1 Prozent auf Bonner Niveau, deutlich besser waren etwa Bielefeld (59,6) und Aachen (48), schlechter zum Beispiel Münster (41,9).

Gerlinde Hewer-Brösch, Chefin der Bonner Kriminalpolizei, betrachtet die Aufklärungsquote als Instrument für langfristige Analysen. "Aktuelle Brennpunkte zeigt die Quote nicht", sagt die Leitende Kriminaldirektorin. Im Gebiet des Bonner Polizeipräsidiums, zu dem auch Königswinter, Bad Honnef und die linksrheinischen Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises gehören, habe die Quote innerhalb der vergangenen zehn Jahre lediglich um drei Prozentpunkte nach oben oder unten geschwankt, ohne "Anomalien" aufzuweisen. Bonn sei nur bedingt mit anderen Polizeipräsidien zu vergleichen (siehe unten).

"Wir steuern unseren Kräfteeinsatz nicht über die Aufklärungsquote, sondern über aktuelle Problemlagen", erläutert Hewer-Brösch und nennt die Einbruchsbekämpfung. Dort hätten der gezielte Einsatz der Ermittler, verschärfte Kontrollen durch die Schutzpolizei und intensive Präventionsberatung Erfolge gebracht. Effektiv, aber personalintensiv seien langfristig arbeitende Ermittlungsgruppen beim Staatsschutz, der organisierten und der Wirtschaftskriminalität. Das Teldafax-Verfahren etwa bedeute einen "Riesenaufwand". "Das Ziel ist, kriminelle Strukturen zu bekämpfen", betont Hewer-Brösch. "Das spiegelt sich nicht in der Aufklärungsquote wider."

Die Alarmsignale der Gewerkschaften will die Kripo-Chefin nicht kommentieren. "Wir haben als Führungskräfte die Belastung der Beamten im Blick", sagt sie. Die Behörde bereite sich auf die ab 2017 bevorstehende Pensionierungswelle mit dem Nachersatz vor, der zur Verfügung stehe. Sie gehe davon aus, dass das Innenministerium das Personal sachgerecht verteile. Mit der Aufklärungsquote habe die Personalstärke nicht immer etwas zu tun. 1971 etwa habe die Quote mit 43,3 Prozent leicht unter der heutigen gelegen: "Und damals hatte das Präsidium viel mehr Beamte."

Kurz gefragt

Gerlinde Hewer-Brösch leitet die Direktion Kriminalität im Bonner Polizeipräsidium.

Sie sagen, Aufklärungsquoten verschiedener Städte seien schwer vergleichbar. Warum?
Gerlinde Hewer-Brösch: Weil die Situation immer auch von den Begehungsmöglichkeiten, der Sozialstruktur und zum Beispiel der Infrastruktur abhängt. Bonn ist eine vergleichsweise wohlhabende Stadt mit guten Autobahnanschlüssen, die eine schnelle Flucht ermöglichen. Wir bekommen auch die Nähe zur Großstadt Köln zu spüren. Und wir haben einen relativ hohen Anteil von Kriminalität, die schwer aufzuklären ist.

Was heißt das?
Hewer-Brösch: Bei Taschen- und Fahrraddiebstahl etwa gibt es kaum Spuren und Zeugen. Beim Taschendiebstahl haben wir es häufig mit reisenden Tätern zu tun. Die steigen hier aus dem Zug, schlagen zu und sind oft längst weg, bevor die Opfer etwas merken.Wenn in solchen Bereichen die Fallzahlen steigen, wie aktuell beim Raddiebstahl, beeinflusst das die Quote deutlich. Bei den Tätern aus der Region haben wir gute Erfolge; bei den überörtlichen Tätern ist es schwieriger.

Das Polizeipräsidium Bielefeld klärt fast 60 Prozent aller Fälle: Tauschen Sie sich aus?
Hewer-Brösch: Da schauen wir natürlich hin. Wir haben auf Landesebene einen regelmäßigen Austausch von Erfahrungen und Konzepten.

Was tun Sie, damit Bonn noch sicherer wird?
Hewer-Brösch: Wir werden die Einbruchskriminalität, die immer noch auf hohem Niveau ist, weiter mit dem Einsatz von Ermittlungsgruppen, Kontrollen und Präventionsmaßnahmen bekämpfen. Wir stehen auch reisenden Intensivtätern auf den Füßen. Wichtig ist aber ebenso, die Tatgelegenheiten zu reduzieren. Das können die Bürger zum Beispiel tun, indem sie ihre Fahrräder mit einer Sicherheitsnummer kennzeichnen lassen. Auch Wachsamkeit unterstützt unsere Arbeit: Wer in der Nachbarschaft etwas Verdächtiges bemerkt, sollte immer sofort die 110 anrufen.

Aufklärungsquoten 2013 in Großstädten (ab 200.000 Einwohner) im Vergleich

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort