Der Markt, der alles hat So war der letzte Tag bei Knauber in Bonn

Weststadt · Im Bonner Freizeitmarkt Knauber haben Generationen eingekauft. Das schier endlose Sortiment lockte vor allem Heimwerker. Aber auch für Kinder war der Ausflug immer etwas besonderes. Am 1. Juli schließen die Filialen.

 Der Knauber-Markt in der Weststadt schließt am 1.7.2020 und wird von Bauhaus übernommen

Der Knauber-Markt in der Weststadt schließt am 1.7.2020 und wird von Bauhaus übernommen

Foto: Nicolas Ottersbach

Die Metallgitter rosten, der giftgrüne Knauber-Handgriff ist verblasst. Die Einkaufswagen mit ihrem flachen Korb und der großen Ablage darunter sind ein Symbol für den Freizeitmarkt. Woanders gibt es längst modernere Modelle. Aber hier schieben sie eine gefühlte Ewigkeit ihren Dienst. Transportierten nicht nur Waren, sondern auch Geschichten.

An diesem Mittwoch ist Schluss damit. Das Familienunternehmen Knauber geht zum Teil im Bauhaus-Konzern auf. Dazu zählen die fünf Märkte in der Region und der ursprüngliche Markt in Endenich, an dessen Standort die Gourmet-Zeile erhalten bleibt. Knauber will sich künftig in seiner Bonner Zentrale auf den Energiehandel fokussieren. Es sei eine „unglaublich schwere und emotionale Entscheidung“ gewesen. „Nach intensiver Beobachtung der Einzelhandelsentwicklung sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir den international aufgestellten Online-Mitbewerbern nicht dauerhaft Paroli bieten können. Dafür haben wir langfristig auch nicht die entsprechende Einkaufsmacht“, sagt Geschäftsführerin Ines Knauber-Daubenbüchel.

Lokal war Knauber immer eine Größe. Das Konzept dahinter blieb jedoch vielen ein Rätsel. Die einen liebten das schier endlose Sortiment. Spielzeug, Schrauben, Pflanzen, Klobürsten, Grills, Arbeitsjacken, Hochzeitsfotoalben. Die anderen beschwerten sich über Apothekenpreise. „Hier war immer meine erste Anlaufstelle, weil ich wusste, dass ich hier etwas finde, auch wenn es etwas teurer war“, erzählt Peter Schmitz. Der 65-Jährige steht vor dem fast leeren Schraubenregal, das vor ein paar Tagen noch voll war. Das rote „50 Prozent reduziert“-Schild hat gewirkt. Bei Schmitz sorgt es für Ratlosigkeit. Stück für Stück hat er ein Gewächshaus mit Knauber-Material gebaut. Jetzt, kurz vor der Schließung, wollte er noch Fenster montieren. Das passende Klavierband hat er, nur eben die Schrauben nicht. Im Internet will nicht bestellen. „Ich habe im Kopf einen Plan, wie ich etwas bauen will. Das Material dafür muss ich mir dann aber angucken können.“ Beim ihm steht Knauber für Qualität. Ob er ein Beispiel hat? „Ich habe mir vor zig Jahren eine Schnitzelpfanne gekauft. Die ist immer noch top.“

Knauber zum kleinen Preis – das hat Schnäppchenjäger gelockt. Das Geschäft ist komplett zerpflückt. Immer wieder gibt es Kramtische, auf denen Restwaren wild zusammengestellt sind. Mehr als die Hälfte des alten Inventars ist weg. Was nicht weggeht, übernimmt Bauhaus. Dort, wo die Regale in der Sanitärabteilung schon abgebaut sind, kommt der ursprüngliche, helle gelbe Linoleumbodens zum Vorschein. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie viele Schritte in den Gängen gemacht wurden. Jetzt ist es still. So still, dass man nur noch die Lüftung rattern hört.

Eine traurige Atmosphäre, die nicht dem entspricht, wofür Knauber immer stehen wollte. Das findet wohl auch die Geschäftsführung. Deshalb haben sie sich gewünscht, dass keine Fotos mehr vom leeren Geschäft gemacht werden. „Es tut weh, das so zu sehen“, sagt eine Kundin um die 60. Sie hat einen Knauber-Regenschirm entdeckt, fünf Euro steht auf dem roten Preisschild. Eigentlich eine nettes Erinnerungsstück. „Aber wenn ich das jetzt mitnehme, muss ich zu viel daran denken.“ Mehr als 30 Jahre ist sie in das Geschäft gekommen, oft mit den Kindern. „Die Ausflüge hierhin waren immer ein Erlebnis.“

Dieselben Gefühle haben die Jugendlichen Lionel und Sophie, die noch etwas Günstiges für ihre Geschwister ergattern wollen. „Knauber ist mit dem Vater in die Heimwerkerabteilung zu fahren“, sagt Lionel. „Oder die Farbe für mein Zimmer auszusuchen“, ruft Sophie dazwischen. Ein Mann Mitte 30 schiebt einen grünen Knauber-Eimer im Einkaufswagen umher, die gibt es jetzt für einen Euro. „Früher habe ich die Aquaristikabteilung geliebt“, erzählt er.

Waffelduft weht nach draußen in die Gartenabteilung. Das Café, mit dem man in vor wenigen Jahren noch einmal versucht hat, Kunden länger im Geschäft zu halten, hat an diesem letzten Tag noch geöffnet. In der Gartenabteilung stehen keine Pflanzen mehr, nur noch Plastikblumen. Die vier Mitarbeiter an der Info unterhalten sich über die das Ende von Knauber. Wie sehr sich die Kunden damit identifiziert haben. Sie wollten das Werkzeug der Mitarbeiter kaufen, deshalb gibt es einen alten Zollstock nun für 50 Cent. Selbst ein bemalter Knauber-Blumentopf wurde mitgenommen.

Was aus der Knauber-Familie wird, zu der man sich zählt, wissen sie nicht. Die Märkte werden umgebaut und voraussichtlich im Herbst als Bauhaus eröffnet. Alle rund 450 Mitarbeiter werden laut eines Unternehmensprechers übernommen. Einige Aushilfen wollen nicht weitermachen, falls ihr Lohn gesenkt wird. Eine große Abschiedsfeier gibt es wegen des Coronavirus nicht, die Mitarbeiter durften nur im kleinen Rahmen feiern.

Trotzdem haben sie bis zuletzt mitgezogen, standen mit Rat und Tat zur Seite. So emsig und unaufhaltsam, wie das Wahrzeichen, das noch bekannter ist, als der Einkaufswagen. Der kleine zauselige Clown, der unter der Decke am Haupteingang an einem Trapez hängt. Sich immer wieder langsam hochzieht, überschlägt und lächelnd herunterplumst. Jedes Kind schaut ihm dabei zu und stört sich nicht daran, dass er etwas aus der Zeit gefallen ist. So wie Knauber.

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