Sozialer Wohnungsbau Kleine Wohnungen für mehr arme Mieter in Bonn

Bonn · Wie angespannt der Bonner Wohnungsmarkt ist, spiegelt die Statistik. Zurzeit gibt es bei der Vebowag nur rund 400 Mieterwechsel pro Jahr, vor 2007 waren es noch 700 bis 800 Wechsel im Jahr.

Vor 100 Jahren hat in Bonn mit der Gründung des Godesberger Bauvereins der gemeinnützige Wohnungsbau begonnen. Es sind heute nicht mehr rückkehrende Soldaten, sondern Senioren, Singles und Familien, die bei steigenden Mieten nicht mehr mithalten können und auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Strategie der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Vebowag ist, „der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung gerecht zu werden“, wie Vorstand Michael Kleine-Hartlage erklärt. Der Bestand wird deshalb vor allem um barrierearme und kleinere Einheiten ergänzt.

Die Fluktuation ist seitdem stark zurückgegangen. Es sind nicht nur Hartz-IV-Empfänger, sondern auch ganz normale Angestellte mit weniger Einkommen, die in Bonn Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) und damit auf eine geförderte Wohnung haben. „Das wird noch zunehmen, wenn sich die demografischen Effekte stärker zeigen, weil wir dann mit der Gruppe der Rentner noch mehr berechtigte Haushalte haben als heute“, sagt Kleine-Hartlage. Laut Vebowag-Mitarbeiter Detlef Eckert ist zudem in Bonn durch den Verkauf von ehemaligen Postwohnungen, Beamtenwohnungen und städtischen Wohnungen viel günstiger Wohnraum weggefallen.

Die Vebowag hat aktuell 6300 Wohnungen im Bestand. Sie hat mit der Stadt vereinbart, ihr 5000 geförderte Wohnungen zur Belegung zur Verfügung zu stellen. Die Miete für eine vor 2013 errichtete Wohnung liegt bei 4,89 Euro pro Quadratmeter, für neuere Wohnungen sind – nach geänderten Förderrichtlinien – im Schnitt 6,12 Euro zu zahlen. Für Bauten, die ab 2018 geplant werden, werden es 6,80 Euro sein. In der Amerikanischen Siedlung in Plittersdorf, wo die Wohnungen frei (ohne Belegungsbindung und WBS) vermietet werden, liegt das Mietniveau bei rund 8,20 Euro pro Quadratmeter.

Alte Häuser werden für Neue abgerissen

In Bonn fehlt Bauland. Deshalb reißt die Wohnungsbaugesellschaft eigene Häuser mit schlechter Bausubstanz aus den 1950er und 60er Jahren ab, um zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen. Ein Vorteil: Auf nahezu gleicher Fläche lassen sich mehr Wohnungen schaffen, wenn statt dem früher üblichen Hochparterre jetzt Erdgeschosswohnungen geplant und auch die Dächer ausgebaut werden. Die neuen Häuser sind energieeffizient, hell und modern, wie man zum Beispiel an der Kreisauer Straße in Bad Godesberg sehen kann. Allerdings braucht es längere Vorbereitung, denn die alten Mieter können mitbestimmen, in welche Ersatzwohnung sie ziehen möchten.

Stichwort soziale und kulturelle Durchmischung: Hier haben die Vebowag-Mitarbeiter viel Erfahrung. „Durch die kleinen Wohnungen in den Neubauten kommen jetzt auch viele Ältere in die Bestände. In Kombination mit den Familien ist das eine gute Mischung“, sagt Eckert. Die Mieterstrukturen seien weitaus besser, seit die Vebowag ihren Blick stärker auf Demografie richte.

Außerdem gibt es bei den Neubauten soziale Konzepte, wie Mehrgenerationen-Projekte oder angeschlossene Betreuungsangebote für Senioren. „Wir möchten Satellitenstädte wie in den 70er Jahren vermeiden, damit keine neuen Brennpunkte entstehen“, sagt Eckert. Die neuen Wohnungen werden barrierearm oder barrierefrei geplant. Aufzüge sind Standard, auch die Schlafzimmer müssen etwas größer sein, damit man mit dem Rollstuhl um das Bett herum fahren kann.

„Wir haben im optimalen Fall Dreizimmerwohnungen mit 65 bis 68 Quadratmetern. Das ist auch das, was bezahlbar ist“, sagt Kleine-Hartlage. Dreizimmerwohnungen seien auch für Alleinerziehende geeignet und für Mieter, die zu Hause ein Arbeitszimmer benötigten. „Das wird mit der Digitalisierung immer mehr ein Thema“, so der Vebowag-Chef.

Es gibt Mieter, die über Generationen der Vebowag verbunden sind. „Wir gratulieren jedes Jahr zu Jubiläen“, berichtet Eckert. Ende der 90er Jahre, als es in einer Phase des Berlin-Umzugs Leerstände gab, hatte das städtische Unternehmen trotzdem alles vermietet.

Zehn Millionen für Sanierungen pro Jahr

Neben den Neubauprojekten investiert die Vebowag pro Jahr über zehn Millionen Euro in ihren Bestand, neben drei Millionen für Reparaturen und Wartung sind das kleinere oder größere Instandsetzungsmaßnahmen wie Anstrich, Fensteraustausch oder neue Heizungen. Umgerechnet auf den gesamten Wohnungsbestand kostet das 25 Euro pro Quadratmeter. „Das ist viel, der Finanzinvestor zahlt vielleicht sieben Euro. Wir machen das, damit die Wohnungen nachhaltig vermietbar bleiben. Wir richten uns gerne auf die Zukunft ein: Irgendwann kippt der Markt auch wieder und dann wollen wir zu denjenigen gehören, die keine Vermietungsprobleme haben“, sagt Kleine-Hartlage.

Dass die Vebowag Sanierungsstau beseitigen kann, hat sie bei der Amerikanischen Siedlung Plittersdorf bewiesen. Es gibt noch zwei weitere Baustellen: In den Hicog-Siedlungen Muffendorf und Tannenbusch klagen Mieter über hohe Nebenkosten und über die Hausverwaltung. Aus der Politik kam deshalb schon der Vorschlag, dass die Vebowag beide Siedlungen von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) übernehmen soll.

„Wir würden sie auch nehmen, das ist nur ein Frage des Preises“, sagt der Vebowag-Chef. Es müsse sich wirtschaftlich rechnen. „Denkmalgeschützte Siedlungen in der Größe zu sanieren, ist ein Kraftakt“, sagt Kleine-Hartlage. Aber dafür trainiert der gemeinnützige Wohnungsbau in Bonn ja auch schon seit 100 Jahren.

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