Bildungspolitik Klagen über Lehrermangel in Bonn

Bonn · Vertretungskräfte sind kaum noch zu finden. Am schlimmsten betroffen sind Bonner Grundschulen. Eine Personalrätin spricht sogar von "großer Not".

Während die meisten Schülerinnen und Schüler seit diesem Montag ihre Herbstferien genießen, haben viele Schulleiter noch alle Hände voll zu tun. Ein Problem, das vor allem die Rektoren an den Grundschulen umtreibt: der akute Mangel an Lehrkräften. „An den Bonner Grundschulen herrscht eine große Not“, bringt Sibylle Clement das Problem auf den Punkt.

Die Vorsitzende des Personalrats für die Lehrerinnen und Lehrer an den Bonner Grundschulen leitet die Jahnschule in Auerberg und weiß aus eigener Anschauung, dass viele Kolleginnen und Kollegen mittlerweile an der Grenze ihrer Belastbarkeit arbeiten. „Früher“, so sagt sie, „hätten wir doch kaum jemanden eingestellt, der erst sein erstes Staatsexamen absolviert hat. Heute sind wir froh, wenn sich auch diese Absolventen bei uns melden“. Denn der Markt an Grundschullehrern sei regelrecht leer gefegt.

Ein Problem sei vor allem, in Krankheitsfällen oder bei Schwangerschaften für ausreichend Vertretungskräfte sorgen zu können. An ihrer eigenen Schule habe sie den Lehrermangel bis zu den Herbstferien allerdings kompensieren können, indem der Deutsch-Förderunterricht nur noch reduziert erteilt wurde und auch teilweise auf doppelte Lehrerbesetzung in den Klassen verzichtet werden musste. Hinzu komme, dass auch in inklusiven Klassen an Grundschulen bis zu 30 Kinder unterrichtet würden. „Das führt die Inklusionsarbeit an Schulen eigentlich ad absurdum“, ist die Expertin überzeugt.

Lehrer verzichten auf Sozialindexstunden

Eine Kollegin einer anderen Schule in Bonn, die namentlich nicht genannt werden will, hat ähnliche Probleme. Auch sie sucht zurzeit händeringend Lehrkräfte, vor allem Vertretungslehrer. „Wir müssen uns um Inklusion und Integration kümmern, haben dafür allerdings überhaupt nicht ausreichende personelle Ressourcen.“ Damit trotzdem kein Unterricht an ihrer Schule ausfallen muss, verzichteten die Kollegen zurzeit auf sogenannte Sozialindexstunden, bei denen immer zwei Lehrer in einer Klasse anwesend seien. „Das wäre angesichts der vielen Kinder mit besonderem Förderbedarf aber dringend nötig“, sagt die Schulleiterin.

Aber auch viele Kinder ohne ausgewiesenen Förderbedarf profitierten von Doppelbesetzungen in den Klassen. „Wir stellen generell eine Entwicklung fest, dass sich Kinder sehr viel schlechter als noch vor einigen Jahren zum Beispiel auf feste Regeln einlassen können und stärker an Konzentrationsschwäche leiden“, sagt die Schulleiterin. Manche Erstklässler seien noch nicht einmal in der Lage, sich alleine die Jacke anzuziehen oder die Schnürsenkel zu binden. Hinzu komme der stark gewachsene Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, die in aller Regel ebenfalls einen höheren Förderbedarf hätten.

Vorwürfe an die Landesregierung

Die Pädagogin macht vor allem die Landesregierung für die Misere verantwortlich: „Die Entwicklung ist doch in Düsseldorf regelrecht verschlafen worden“, klagt sie.

Hintergrund: Mit der Umstellung sämtlicher Lehramtsstudiengänge in Nordrhein-Westfalen auf das Bachelor- und Master-System müssen Lehramtsstudenten für die Grundschulen seither mindestens zwei Jahre länger studieren als vorher. Dadurch klafft aktuell eine Lücke in den Kollegien vieler Grundschulen, wie auch die Bezirksregierung Köln auf Anfrage des General-Anzeigers bestätigte.

„Für die Grundschulen stehen erstmalig für die ausgeschriebenen Stellen nicht ausreichend Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung“, sagte Freya Johannsen von der Pressestelle der Bezirksregierung Köln. In Bonn betrage die Lehrerversorgung bei den Grundschulen derzeit 98,5 Prozent.

Insgesamt könnten derzeit rund 100 Stellen im Regierungsbezirk nicht besetzt werden. Wie viele das genau für Bonn sind, könne im Moment nicht gesagt werden. Mitte des Monats sollen aber die amtlichen Schuldaten für dieses Schuljahr vorliegen. Das Land habe die Möglichkeit eröffnet, auch Gymnasiallehrkräfte befristet an Grundschulen einzustellen. Auch mit Aufstockungen von Teilzeitstellen sowie der vorzeitigen Rückkehr aus Beurlaubungen wolle man dem akuten Mangel entgegentreten, so Johannsen weiter.

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