Bonner LVR-Klinik Kinderneurologie akut gefährdet

BONN · Die Zukunft des Kinderneurologischen Zentrums (KiNZ) der LVR-Klinik ist nicht mehr gesichert. „Seit Anfang des Jahres gibt es größere Probleme mit der Abrechnung der stationären Leistungen im Kinderneurologischen Zentrum“, bestätigt Sprecher Tillmann Daub für die Geschäftsführung.

 Um den Fortbestand der Behandlungen im Kinderneurologischen Zentrums sorgt sich Chefarzt Helmut Hollmann

Um den Fortbestand der Behandlungen im Kinderneurologischen Zentrums sorgt sich Chefarzt Helmut Hollmann

Foto: Barbara Frommann

KiNZ-Chefarzt Helmut Hollmann wird deutlicher. Er beklagt eine „existenzielle Infragestellung unserer stationären Behandlungsmöglichkeiten“. Die Folge: Es könnte „eine hoch reputierte, ergänzende Option gerade für junge Kinder mit gravierenden Entwicklungsstörungen und Behinderungen sowie deren Eltern in Bonn ersatzlos wegfallen.“ Das Ganze resultiere aus einer „radikalen Kehrtwendung“ bei den Kostenträgern. Nach GA-Informationen hat sich in LVR-Rechnungen seit Januar schon ein sechsstelliger Eurobetrag an strittigen Posten angesammelt.

Die Klinik am Kaiser-Karl-Ring leistet seit 1978 für die Region eine laut Hollmann unverzichtbare spezialisierte Behandlung, und zwar ambulant und, wenn es sein muss, auch stationär. Die sei nun bedroht. Denn man erlebe plötzlich eine Flut von Ablehnungen der Kostenübernahme durch die Krankenkassen, erklärt der Chefarzt. Der Grund: „Seit Anfang des Jahres wird in Verbindung mit einem Wechsel der Zuständigkeit im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) die Indikation zur stationären Aufnahme und damit Behandlung im KiNZ grundsätzlich infrage gestellt.“

Viele Stellungnahmen des MDK für die Krankenkassen liefen seither auf Ablehnungen hinaus. „Kinder und Jugendliche werden ohne selektive Würdigung der vorliegenden Diagnosen grundsätzlich als behindert erklärt.“ Die Behandlung in der Kinderneurologie werde nicht mehr als nötig angesehen, die Kinder sollten sofort in die Rehabilitation, folgert Hollmann empört.

MDK-Sprecherin Barbara Marnach sagt auf Anfrage, dass die Gutachten durchweg von erfahrenen Fachärzten auf Basis ihrer Expertise und den geltenden Rechtsgrundlagen verfasst würden. „Eine einheitliche Begutachtungspraxis ist für diese Arbeit unbedingt notwendig. Deshalb wird im MDK darauf großer Wert gelegt.“ Bei den Abrechnungsprüfungen der LVR-Klinik bestehe „unter den Gutachtern kein Dissens in der Begutachtungspraxis“, betont Marach. Erst kürzlich habe es ein gemeinsames Gespräch in der Klinik, deren Arbeit die Gutachter überaus schätzten, gegeben. „Es ist daher absurd, den MDK-Gutachtern zu unterstellen, durch Abrechnungsprüfungen würden Kinder grundsätzlich als behindert erklärt“, widerspricht Marnach dem Chefarzt. Selbstverständlich sei eine genaue Diagnostik und Behandlung für diese Kinder unverzichtbar. „Eine andere Frage ist jedoch, ob die Diagnostik ambulant oder stationär durchgeführt werden kann.“

In inhaltlichen Fragen verweist Marnach an die Krankenkassen. Sarah Hackl, Sprecherin der federführenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Rheinland/Hamburg, erklärt knapp: „Aktuell laufen die Gespräche mit der LVR-Klinik Bonn noch. Somit können wir derzeit zu dem Thema leider keine weiteren Auskünfte geben.“

Doch wie begutachtet der MDK vergleichbare Leistungen in anderen Kliniken? LVR-Chefarzt Hollmann sieht in den neuen Beurteilungen des Bonner Zentrums eine Diskrepanz zum Behandlungsinhalt, wie er in den zehn deutschen Sozialpädiatrischen Fachkliniken und in mehr als 50 Kinderkliniken mit sozialpädiatrischer Ambulanz umgesetzt werde. Das könne nicht angehen. „Denn der Behandlungsaufwand für Diagnostik, Therapie und Anleitung der Eltern ist doch sehr präzise im DRG-Abrechnungssystem vorgegeben.“ Der MDK wiederum hält sich dabei bedeckt. „Uns liegen von anderen Kliniken keine vergleichbare Daten vor“, so Marnach.

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