Interview mit Udo Stein „Kinderarmut ist immer Familienarmut“

Bonn · Das Thema Kinderarmut beschäftigt auch das Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Bonn. Mit Amtsleiter Udo Stein sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Udo Stein leitet das Bonner Jugendamt.

Udo Stein leitet das Bonner Jugendamt.

Foto: Max Malsch

Können Sie die Zahl von 16 000 armen Kindern und Jugendlichen in Bonn bestätigen?
Udo Stein: Es gibt in Bonner Haushalten 4828 unter 18-Jährige, die Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beziehen. Als arm gelten aber auch die sicher noch viel mehr Kinder aus Familien, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens erzielen. Das sind in NRW für eine vierköpfige Familie 1926 Euro. Wie hoch diese Zahl armer Kinder und Jugendlichen genau ist, können wir zurzeit statistisch nicht ermitteln.

Steigt Kinderarmut in Bonn?
Stein: Die Zahlen sind bei uns in den letzten Jahren auf einem relativ gleichen Niveau geblieben. In anderen Regionen hat es durchaus Steigerungen gegeben. Aber jedes arme Kind in Bonn ist natürlich immer ein armes Kind zu viel. Und es gibt eine Konzentration in einigen Stadtbezirken.

Wie erkennen Sie Kinderarmut?
Stein: Ich sehe sie zum Beispiel an abgetragenen und schlechten Schuhen und unangemessener Kleidung. Kinderarmut ist aber zum großen Teil Teilhabearmut und damit aus kommunaler Sicht ein Bildungsproblem. Und deren Bekämpfung ist ein zentrales Feld unserer Jugendhilfe. Wir bauen also nachdrücklich die Bildungsangebote in der Stadt aus.

Wo setzen Sie da Akzente?
Stein: Unsere Arbeit beginnt mit den Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren und in den Kindergärten. Sie geht weiter mit einem ausdifferenzierten Schulsystem. Und sie endet dann in der Förderung im Bereich Übergang von der Schule zum Beruf. Also wir begleiten die Kinder und Jugendlichen entlang eines ganzen Bildungsstrahls bis zum Erwachsenenalter.

Die Offenen Ganztagsschulen sind auch ein wichtiges Element?
Stein: Natürlich. Schon einmal mit dem Ziel, Familie und Beruf in Bonn vereinbar zu machen. Kinderarmut ist ja immer Familienarmut. Und die entsteht ja auch, wenn Menschen nicht am Arbeitsprozess teilnehmen können, weil sie Kinder betreuen müssen. Deshalb ist der Betreuungsaspekt in Kindergärten und Schulen auch ein Baustein, um Menschen in Arbeit zu bringen.

Diakonie-Chef Ulrich Hamacher fordert, dass mehr für Kindergesundheit gesorgt werden muss.
Stein: Es stimmt: Arme Kinder haben höhere Gesundheitsrisiken. Das hat dann oft auch etwas mit schlecht geheiztem, feuchtem und zu engem Wohnraum zu tun. Aber wir haben die Gesundheitsvorsorge schon im Blick und erreichen die Kinder aus armen Familien ja über die Tageseinrichtungen und Schulen, bringen sie dort also in Gesundheitssysteme, wenn die Eltern das nicht machen.

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