Haribo in Bonn Kessenich trauert um den Firmenpatriarchen Hans Riegel

BONN · Es ist erst mal einfach Dienstag. An der Haltestelle gegenüber der Kirche Sankt Nikolaus warten junge und alte Menschen auf die S-Bahn, in der Bäckerei im Rheinweg schneidet Angelique Michalsky frische Donauwellen in Stücke.

 Haribo ist Kessenich, Kessenich ist Haribo: Hans Riegel in Bronze im Firmengebäude.

Haribo ist Kessenich, Kessenich ist Haribo: Hans Riegel in Bronze im Firmengebäude.

Foto: Volker Lannert

Die Bäckerei ist vom Haribo-Betriebsgelände zwei Straßen entfernt. Aber Haribo als Thema beginnt schon hier. Am Nebentisch knistert leise die Zeitung beim Umblättern. Und eine alte Dame sagt: "Der Herr Riegel, gestorben? Ach je."

Maria Pinsdorf ist gut über achtzig Jahre alt. "Mehr als 44 Jahre", sagt sie, habe sie in Kessenich verbracht. Und Kessenich, das ist Haribo. Grundsätzlich, und an diesem Dienstag, der eben doch nicht einfach nur ein Dienstag ist, ganz besonders.

Es ist nicht so, dass Flaggen auf Halbmast stehen, jeder schwarz trägt, keine Autos mehr fahren. Aber über den Tod von Hans Riegel, dem Kessenicher Unternehmer, wird heute überall hier gesprochen. In den Läden, auf der Straße. Auf jeder Kessenicher Straße, nicht nur der, die nach Hans Riegel benannt ist.

"90 ist er geworden", murmelt Maria Pinsdorf. Dann, resolut: "Hundert hätte er werden sollen. Mit 90 fängt das Leben doch erst an!" Riegels Schwester Anita tanzte auf der Hochzeit von Maria Pinsdorf. Deren Mann war Chauffeur von Adenauer gewesen. Bundes-Bonn und Weltunternehmens-Sitz Kessenich, alles eins.

Um die Ecke, in der Burbacher Straße, steht ein Haribo-Wagen. Er parkt vor dem Infopoint Kessenich, wo der Goldbär in Plastik das Regal schmückt. Infopoint-Betreiberin Sylvie Hommer-Rickes hat Tränen in den Augen. "Hans Riegel", sagt sie, "den kannte doch hier jeder." Als Immobilienmaklerin hat sie "immer wieder" Kunden, die nach Kessenich wollen, "ganz gezielt wegen des Geruchs: Sie wollen da wohnen, wo es nach Lakritze und Gummibären riecht." Der Goldbär als Einwohner, ja, fast als Familienmitglied: "Auf Reisen", sagt Hommer-Rickes, "hat mein Mann einen Plüsch-Goldbären mit, fürs Heimatgefühl."

[kein Linktext vorhanden]Der Bär, das Haribo-Symbol. Im weiten Sinne: In der Hans-Riegel-Straße 1, erste Etage, hängt ein wandfüllendes Gemälde von zwei Grizzlys. Hans Riegel hat es dort aufhängen lassen, gegenüber ist er selbst zu sehen: als Porträt in Bronze. Unten steht ein Gipsabguss der Bronze, weiße Rosen dahinter, ein Kondolenzbuch davor, auf schwarzem Tuch. Die Dame an der Info-Theke schluckt schwer: "Der Herr Riegel", sagt sie, "das war ja nicht einfach nur der Chef. Der war das Herz von allem hier."

Eine Tür weiter, am Betriebstor, kommt Haribo-Azubi Andreas Weber (18) von der Frühschicht. "Ich habe nie mit ihm gesprochen", sagt er. "Aber ich trag' die Nachricht von seinem Tod in mir rum, das geht allen hier so." Gabelstapler Luis Soler, 42, beginnt gerade seine Schicht. Seit 22 Jahren arbeitet er bei Haribo, wie sein Vater vor ihm. "Durch Hans Riegel hat meine Familie ein Leben aufbauen können", sagt er.

"Wir verdanken ihm eigentlich alles." Gegenüber der Goldbärenfabrik steht der Filippi-Grill. Lange war er Mittagstreffpunkt der Haribo-Mitarbeiter. "Jetzt dürfen sie in ihrer Arbeitskleidung den Betrieb nicht mehr verlassen", sagt Grill-Chef Anastasios Ketikoglou (60). Dass Hans Riegel tot ist, hat er noch gar nicht gewusst. Aber das Haus, in dem er Döner brät, gehört dem Haribo-Chef. Ketikoglou ist also Mieter beim Goldbären. Ein bisschen Haribo ist eben immer, hier in Kessenich.

So reagierte das Netz auf die traurige Nachricht:

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