Kennedybrücke senkt sich um zwölf Zentimeter

Mit acht schwer beladenen Sattelschleppern testen Stadt und Baufirma, wie elastisch der Stahl ist - Daten sind für die Berechnung der neuen Brückenteile wichtig, damit später keine Lücken entstehen

  Im Dunkeln  rollen die 40-Tonner an. Keine Gefahr, doch einige Fußgänger sind trotzdem eingeschüchtert.

Im Dunkeln rollen die 40-Tonner an. Keine Gefahr, doch einige Fußgänger sind trotzdem eingeschüchtert.

Bonn. "Und wer fährt bis zur Mitte?", fragt ein Lkw-Fahrer. "Der Mutigste", scherzen die Kollegen, die in der Nacht zum Donnerstag auf ihren Einsatz auf der Kennedybrücke warten. Ein Belastungstest steht an und dafür stehen acht 40 Tonnen schwere Sattelschlepper bereit. Ein Feuerwehrfahrzeug mit Kran biegt zufällig um die Ecke. "Na, mit der Kaffeemühle hebt der keinen von uns aus dem Rhein", spotten die Fahrer.

2.22 Uhr: die Stadtbahn Linie 66 fährt über die Kennedybrücke Richtung Stadthaus, gleich dahinter die Nachtbusse 4 und 6. Thomas Heeg von der M & V Verkehrssicherung macht zu. Einige Taxifahrer halten trotz Sperrung am Suttnerplatz auf die Brücke zu und wenden erst vor der zweiten Barriere, an der die Ordner unmissverständliche Handzeichen geben. "Das verstehe ich einfach nicht", sagt Heeg kopfschüttelnd.

Einige Minuten später muss er nochmal aufmachen. Eine allerletzte Bahn muss durch. Mit einigen Minuten Verspätung steigen die Fahrer auf ihre Zugmaschinen. Langsam rollen sie in Doppelreihe auf die ersten Messpunkte zu.

Wolfram Schmidt, Abteilungsleiter im Tiefbauamt der Stadt, betrachtet die heranrollenden 320 Tonnen gelassen. "Das ist eine normale Belastung. Da passiert nichts", sagt er. Es geht nicht um die Stabilität der sanierungsbedürftigen Rheinbrücke. Sie Statiker wollen vielmehr wissen, wie elastisch die alte Brücke ist, damit die neuen Brückenteile entsprechend angepasst werden können.

"Als die Brücke nach dem Krieg gebaut wurde, war es schwierig, überhaupt an genug Stahl zu kommen", berichtet Schmidt. Über die Qualität des verwendeten Materials hat die Stadt keine Angaben. Deshalb der Test. Es geht um Zentimeter. Aber die sind entscheidend, damit später bei Belastung zwischen alten und neuen Brückenteilen keine Lücken entstehen.

Es ist fast gespenstisch ruhig auf der Kennedybrücke. Ohne Verkehrslärm hört man nur das Rauschen des Wassers. Selbst die Nachtschwärmer, die die Brücke auf einer Seite passieren dürfen, gehen leise und zügig über den Fußweg. So ganz geheuer scheint ihnen die Aktion nicht zu sein.

Nur wenn die Fahrer ihre Motoren anwerfen, um zum nächsten Messpunkt vorzurücken, wird es kurz laut. Vorne fahren Dietmar und Gerd, wie die Schilder hinter der Windschutzscheibe verraten. Geladen haben sie "Schüttgut", wie der Fachmann sagt. Kies und Sand für den Straßenbau, der am nächsten Morgen ohnehin auf Baustellen benötigt wird.

Die Kennedybrücke besteht aus einem Hauptfeld, dem mittleren Teil zwischen den Brückenpfeilern, und zwei Nebenfeldern. "Gemessen wird jeweils in der Mitte der Felder, an den ungünstigsten Belastungspunkten", erklärt der städtische Ingenieur.

Während die Fahrer überlegen, wo man mitten in der Nacht mitten auf der Kennedybrücke einen Kaffee herbekommen könnte, muss Thomas Heeg einen Autofahrer über die Bedeutung von Verkehrsschildern - in diesem Fall "Durchfahrt verboten" - aufklären.

"Wie komme ich denn jetzt nach Beuel?", fragt der Mann, der schon bis zur Brückenmitte vorgefahren ist, durchs geöffnete Fenster und ergänzt treuherzig: "Ich wohne da nämlich." Jetzt lernt der Beueler auch mal die Nordbrücke kennen.

Am Ende der Messungen steht gegen 4 Uhr fest, dass sich die Fahrbahn der Rheinbrücke unter der Last von 320 Tonnen um zwölf Zentimeter senkt. "Das sind ganz normale Bewegungen, wie sie im täglichen Betrieb oft vorkommen", sagt Schmidt.

Alleine eine Straßenbahn wiege 60 Tonnen. Theoretische Berechnungen hatten ergeben, das sich die Brücke voraussichtlich rund neun Zentimeter durchbiegt. Umso interessanter sind die Messergebnisse für Schmidt: "Die Brücke verhält sich in der Praxis anders als in der Theorie." Auch wenn es nur drei Zentimeter sind.

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