Interview mit Kämmerin Keine Steuererhöhungen für Bonn

Bonn · Kämmerin Margarete Heidler bringt im Mai den Haushalt ein. Sie erwägt moderate Steigerungen von Eintrittspreisen und Entgelten. Kommunalen Steuererhöhungen seien indes nicht vorgesehen, sagt die Beigeordnete im GA-Interview.

Seit November 2016 ist Margarete Heidler Kämmerin der Stadtverwaltung. Im Mai wird sie ihren ersten Bonner Haushalt in den Stadtrat einbringen, der das Budget für 2019 und 2020 regelt.

Die Konjunktur brummt, der Staat nimmt reichlich Steuern ein – Entwarnung für den Haushalt?

Margarete Heidler: Ich kann bestätigen, dass die Einnahmen im Moment auch bei der Stadt Bonn sehr gut sind. Das betrifft Steuern, Landeszuweisungen, aktuelle Sonderprogramme vom Land und vom Bund. Aber Entwarnung bedeutet das noch lange nicht.

Warum nicht?

Heidler: Weil gleichzeitig die Ausgaben stark steigen. Das gilt vor allem für die Sozialaufgaben. Im investiven Bereich haben wir zudem wegen der boomenden Baukonjunktur galoppierende Preise, etwa bei der Sanierung der Beethovenhalle.

Rechnen Sie mit hohen Steuereinnahmen auch in den nächsten zwei Jahren?

Heidler: Ja. Das scheint im Moment relativ stabil zu sein. Vor allem die Gewerbesteuer bringt uns gute Einnahmen.

Allerdings ist diese Steuerart auch sehr schwankungsanfällig – je nach Situation und Verhalten der Bonner Unternehmen...

Heidler: Ja. Und sie wirkt sich auf die Schlüsselzuweisungen des Landes aus. Weil wir schon seit einigen Jahren eine gute Entwicklung insbesondere bei der Gewerbesteuer haben, bekommen wir geringere Zuweisungen aus Düsseldorf. Je stärker die eigene Steuerkraft, um so weniger wird man unterstützt.

Die Liquiditätskredite, also der Dispo der Stadt, gelten als besonders heikel. Steigen sie weiter an?

Heidler: Im Moment nicht, aber sie sind sehr hoch, derzeit 611 Millionen Euro. Das ist kein Bonner Phänomen, sondern in NRW leider in fast allen Städten und Gemeinden der Fall. Das ist eine Fehlentwicklung. Die Kassenkredite sind ja eigentlich dafür gedacht, kurzfristige Engpässe zu überbrücken. In der Realität sind sie aber seit Jahren dauerhafte Finanzierungen geworden.

Das hat auch Ihr Vorgänger Ludger Sander viele Jahre lang beklagt. Warum passiert da nichts?

Heidler: Weil wir diese Mittel brauchen, um unsere Ausgaben bestreiten zu können. Wir verzehren in Bonn jedes Jahr weiteres Eigenkapital (das bilanziell den Wert von Gebäuden, Straßen und städtischen Gütern abbildet – d.R.). Deshalb ist der Haushaltsausgleich so wichtig, den wir 2021 schaffen müssen. Das ist die klare Vorgabe der Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde. Danach müssen wir den Abbau von Eigenkapital dauerhaft stoppen und die Ausgaben allein aus unseren Einnahmen bestreiten. So lange das nicht gelingt, werden wir Kassenkredite brauchen.

Was muss sich dafür ändern?

Heidler: Über die Einnahmenseite kann man im Moment nicht klagen. Wir müssen die Ausgaben stärker in den Blick nehmen. Das ist eine Frage der Standards bei den sogenannten freiwilligen Aufgaben. Ein Stichwort könnte hier die offene Ganztagsbetreuung sein, die ja noch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, anders als die Betreuung von Kindern bis sechs Jahre. Nur ein ganz kleiner Teil unserer Aufgaben sind komplett freiwillig. Das beschränkt sich eigentlich auf Sport, Kunst und Kultur. Eine Stadt wie Bonn muss ein reichhaltiges Angebot vorhalten. Aber die Frage ist, ob hier nicht eine noch stärkere Konzentration auf Schwerpunkte erfolgen sollte.

Bei den Kulturkosten gibt es doch schon einen Schwerpunkt: Oper und Schauspiel bekommen rund 30 Millionen Euro im Jahr. Sehen Sie dort Sparpotenzial?

Heidler: Im Moment nicht. Wir haben einen Generalintendantenvertrag, der bis 2023 läuft, und damit sind die Zuschüsse festgezurrt. Danach wird sich etwas ändern müssen. Dazu laufen derzeit gutachterliche Untersuchungen.

Was würden Sie selbst konkret vorschlagen?

Heidler: Ich würde mich auf die erwähnte Schwerpunktsetzung konzentrieren. Das ist schwierig, weil man mit vielen diskutieren muss – und manchem wahrscheinlich sagen muss, dass es so nicht weitergeht. Dazu braucht man Prioritäten und eine Strategie, die vom Stadtrat getragen werden muss.

Derzeit liegen die Kulturkosten bei 60 Millionen im Jahr. Zu viel für Bonn?

Heidler: Die Bezirksregierung sagt uns immer wieder, dass es zu viel ist.

Und wie sehen Sie das?

Heidler: Der Rat hat ja bereits Einsparungen von 3,5 Millionen Euro bei den Kulturkosten ab 2024 vorgesehen. Ich denke schon, dass man in dieser Größenordnung reduzieren kann.

Wollen Sie Gebühren und Entgelte erhöhen?

Heidler: Ich bin der Meinung, dass es Bereiche gibt, in denen eine Anpassung der Nutzungsgebühren oder Eintrittsgelder durchaus möglich ist – ohne dass es für Familien und Menschen mit geringem Einkommen unerschwinglich wird. Wenn wir zum Beispiel einen Eintrittspreis von 2,50 Euro haben und gehen 20 Prozent hoch, sind wir immer noch nicht bei drei Euro. Ich glaube nicht, dass das jemanden abhält, städtische Angebote zu nutzen. Und für die, denen tatsächlich die nötigen Mittel fehlen, haben wir ja den Bonn-Ausweis. Für diesen sehen wir im Haushaltsverfahren keine Kürzungen vor.

Denken Sie bei Erhöhungen auch an Bäder und Bibliotheken?

Heidler: Es ist noch nichts konkret. Wir haben die Ämter im Rahmen der Haushaltsberatung gebeten, sich Gedanken zu machen. Erhöhungen sind legitim. Sie bilden nur die normale Preisentwicklung und steigende Personalkosten ab.

Müssen die Bonner im nächsten Jahr mit erneuten Steuererhöhungen rechnen?

Heidler: Da sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Die letzten Erhöhungen bei Grund- und Gewerbesteuer sind ja noch nicht so lange her. Das kann man alle paar Jahre machen, muss aber dabei die Konjunktur im Blick haben. Das Gewerbe leistet aufgrund der guten Konjunktur sicher auch in den kommenden Jahren seinen Beitrag zur Finanzierung dieser Stadt. Bei der Grundsteuer, die alle Bürger gleichmäßig trifft, ist es ein wenig anders. Darüber muss man zu gegebener Zeit nachdenken.

Für 2019 und 2020 schlagen Sie also auch keine Erhöhung der Grundsteuer vor?

Heidler: Das ist so. An den Hebesätzen wollen wir jetzt nichts verändern. In der nächsten Woche entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Neuordnung der Grundsteuer. Wir wissen noch nicht, ob wir danach höhere oder geringere Einnahmen haben werden. Das ist ein wesentliches Risiko für den Haushalt.

Überweist der Bund genug Geld für die Aufgaben, die eine Stadt wie Bonn stemmen muss?

Heidler: Wo es noch fehlt, das sind die flüchtlingsbedingten Mehraufwendungen, also die Kosten für die Unterkunft, für Integrationsmaßnahmen, für Betreuung an Schulen. Nicht alle Mittel des Bundes, etwa die Integrationspauschalen, werden vom Land NRW auch eins zu eins an die Kommunen weitergereicht. Da scheint es aber inzwischen Bewegung in der Landesregierung zu geben.

Wie viel bleibt von den Flüchtlingskosten bei der Stadt hängen?

Heidler: Ich hoffe, dass sich durch die neue Bundesregierung etwas tut. 2016 waren es 29 Millionen Euro, in 2017 etwas über 20 Millionen Euro.

Besonders dramatisch steigen die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose und andere Bedürftige. Was zahlt die Stadt im Jahr?

Heidler: Aktuell rund 117,2 Millionen Euro. Die Unterkunftskosten sind durch die starke Zuwanderung gestiegen. Auch dadurch, dass anerkannte Flüchtlinge keine Leistungen mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen. Die Erstattung durch den Bund ist im ersten Bereich höher. So sehr wir uns über jeden freuen, der einen anderen Status erhält und sich hier integriert: Wenn er in derselben Wohnung bleibt, steigen für die Stadt die Unterkunftskosten. Wenn der Bund diese Ausgaben vollständig erstatten würde, wäre uns sehr geholfen.

Der öffentliche Dienst streikt für höhere Gehälter: Wie hoch darf ein Tarifabschluss sein, damit der Bonner Haushalt ihn verkraftet?

Heidler: Die geforderten sechs Prozent wären sehr heftig. Wir planen routinemäßig immer zwei Prozent Erhöhung in jedem Haushaltsjahr ein. Die Erhöhungen laufen allen Bemühungen zuwider, etwa durch Wiederbesetzungssperren die städtischen Personalkosten zu dämpfen. Auf der anderen Seite sind unsere Mitarbeiter auch sehr gefordert. Persönlich gönne ich die Tarifsteigerungen jedem Einzelnen im öffentlichen Dienst, wo sich ohnehin niemand eine goldene Nase verdient.

Bei allem Verständnis: Jede Tarifrunde bedeutet Zusatzbelastungen von mehreren Millionen Euro pro Jahr. Wie wollen Sie das auf Dauer ausgleichen?

Heidler: Das ist schwierig. Ein Hebel ist die fortschreitende Digitalisierung, die uns helfen kann, die Zahl der Stellen zumindest nicht weiter zu erhöhen. Das bedeutet aber auch, dass wir zunächst in Technik investieren und die Mitarbeiter schulen müssen. Wir müssen mit weniger Personal die gleiche Arbeit bewältigen können. Das ist in der Verwaltung darstellbar, in anderen Bereichen wie den Seniorenzentren dagegen nicht.

Was passiert, wenn ab 2020 die Pensionierungswelle rollt? Die Stadt hat dafür nur rund zehn Millionen Euro zurückgelegt …

Heidler: Ja, das ist ein Problem. Anders als früher bilden wir jetzt aber Rücklagen. Die wird man mehr und mehr aufbauen müssen. Daran arbeitet das Personalamt.

Stadthaus, Oper, Stadthalle – der Sanierungsstau ist gewaltig. Wann werden die Versäumnisse der Vergangenheit aufgeholt, und wie soll das finanziert werden?

Heidler: Im Moment macht mir das Geld weniger Sorgen als die begrenzten Kapazitäten im Städtischen Gebäudemanagement Bonn. Wir stellen dem SGB jährlich ausreichend Mittel zur Verfügung, aber es fehlt dort an Fachpersonal, das am Markt schwer zu finden ist. Auch draußen ist es wegen der hohen Nachfrage nicht einfach, Firmen und angemessene Angebote zu bekommen.

Wo ist der Ausweg?

Heidler: Ich glaube, wir müssen über Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) bei Bauprojekten und über Contracting-Modelle für technische Anlagen nachdenken. Wenn ich Aufgaben nach draußen gebe, habe ich kalkulierbare Zahlen über einen langen Zeitraum. Spezialisierte Unternehmen verfügen zudem über das nötige Fachpersonal. Es gibt gute Beispiele aus anderen Städten, die besonders bei Neubauten stark auf solche Instrumente zurückgreifen, teilweise auch eigene privatrechtliche Gesellschaften dafür gegründet haben. Köln hat gerade begonnen, beim Bau von Schulen in Richtung ÖPP zu gehen. Ich weiß, gegen solche Modelle gibt es Vorbehalte. Man muss das durchrechnen und diskutieren. Daran werden wir nicht vorbeikommen.

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