Wohnumfeld in Bonn Keine Lust auf "Zwangsbeglückung"

Bonn · Neue Ampel, etwas mehr Grün, schöneres Straßenpflaster, bessere Optik - was darf's denn sein? Früher wurde jede Verbesserung des Wohnumfeldes in Bonn mit Kusshand genommen. Heute protestieren Bürger vermehrt gegen solche "Zwangsbeglückungen", die ihre Stadt ihnen "schenkt". Drei Beispiele, die jetzt in der Bezirksvertretung Bonn zur Sprache kamen.

Tannenbusch, Agnetendorfer Straße: Weil die Fußgängerbrücke, die das Einkaufszentrum und das Schulzentrum verbindet, ein Relikt aus der Siebziger-Jahre-Stadtplanung ist, will die Stadt sie abreißen. Sie sei eine Blockade, schlecht einsehbar, produziere Unsicherheit, sei zu steil für Behinderte, und ihre städtebauliche Gestaltung sei auch nicht der Weisheit letzter Schluss, gaben die Verantwortlichen des Projekts "Soziale Stadt Tannenbusch" in schönstem Planerdeutsch zu bedenken.

Nichts da, fand eine Gruppe Bürger. Die Brücke soll bleiben, attraktiver ausgebaut und behindertengerecht werden. "Die Brücke ist keine Barriere, sondern das Gegenteil", argumentierte Wolfgang J. Weyer aus Tannenbusch. "Und sie gibt uns Sicherheit." Der Verzicht würde 650.000 Euro sparen. Da konnte das Planungsamt noch so insistieren, dass viele Menschen die Brücke umgehen und über die Böschungen laufen, Zebrastreifen sowieso sicherer seien - die Politiker schlossen sich dem Bürgerwillen an. Ergo: Die Brücke bleibt, die Stadt holt sich einen Korb.

Südstadt, Bonner Talweg: Die Bahnschienen sind alt und müssten ausgetauscht werden, da kann man doch gleich Fußgängern mehr Platz und Radfahrern eine eigene Spur verschaffen. Pech nur: Das Parken oder Anliefern in zweiter Reihe wäre dann nicht mehr möglich. Nichts da, fanden die Geschäftsleute und stellten einen Bürgerantrag gegen die Pläne. "Hier stehen Existenzen auf dem Spiel", sagte Antragsteller Roland Rauschkolb, es drohten Umsatzeinbußen, die tägliche Belieferung sei existenziell. Die Bahnbeschleunigung scheitere schon an der nächsten Ampel. Beerdigt wurde die Idee der Planer zwar nicht, aber bis nach einer Bürgerversammlung vertagt. Herbert Spoelgen (SPD) gab schon zu bedenken: "Ich habe den Eindruck, es läuft auf eine Nulllösung hinaus." Auch Rolf Beu (Grüne) meinte: "Es gibt keine ideale Variante."

Südstadt, Baumschulwäldchen: Auch dort plante die Stadt Verbesserungen, die viele Bürger nicht wollen. Die von Landschaftsarchitekten angedachte Schönheitskur, mit Anlage eines Naturgartens und eines botanischen Walds, mit neuen Wegeachsen und Verlegung des Kinderspielplatzes, sollte alles heller, besser und freundlicher machen - für 280.000 Euro. Pustekuchen, finden viele Bürger und wehrten sich mit einem Antrag. Die Gestaltung sei in Ordnung, der Zustand nicht. Ein bisschen mehr Pflege reiche anstelle eines Totalumbaus. Niedrige Hecken und Sträucher wollen die protestierenden Bürger nicht, lieber hohe Bäume. Noch ist hier das letzte Wort nicht gesprochen, die Politiker vertagten den Antrag, bis es eine weitere Versammlung gegeben hat.

Fazit der Entwicklung: Viele Bonner kämpft heute nicht immer für neue Errungenschaften, sondern vermehrt dagegen. Es scheint ein Trend zu sein, dass sich die Politiker immer häufiger mit "ablehnenden" Bürgeranträgen beschäftigen müssen.

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