Aus Dennis wurde Hannah Junge Bonnerin schreibt Buch über ihre Geschlechtsangleichung

BONN · In der Grundschule fängt es an. Dennis wird gehänselt, weil er sich "so mädchenhaft" verhält. Die Lehrerin zwingt das Kind, sich die Haare schneiden zu lassen. Es sei doch kein Mädchen. "Und der Ton ihrer Stimme war abwertend", schreibt Hannah Winkler in ihrer gerade erschienenen Autobiografie "Fe-male. Hinein in den richtigen Körper".

 Hannah Winkler hat in einem autobiografischen Buch ihren Weg in den "richtigen" Körper niedergeschrieben.

Hannah Winkler hat in einem autobiografischen Buch ihren Weg in den "richtigen" Körper niedergeschrieben.

Foto: Stefanie Brandenburg

Sie habe sich als Kind regelrecht elend gefühlt, sich im Sportunterricht bei den Jungen umziehen zu müssen. Und dann habe sie Panik bekommen, als sie sah, wie sich die Jungen in der beginnenden Pubertät veränderten. Dennis, der heute Hannah heißt, will kein Mann werden. "Ich sehe im Spiegel immer das Gesicht eines Jungen. Den Körper eines Jungen. Ich bin in diesem Körper, aber ich bin das nicht", erinnert sich die Autorin an diese für sie schrecklichen Jahre, in denen sie auch noch die geliebte und verständnisvolle Mutter verliert.

Als Witwer ist der Vater mit der Situation überfordert. Er übergibt sein Kind dem Jugendamt. Denn das Kind sieht sich als Mädchen. Es will zur Frau werden. Es wird in den kommenden Jahren alles tun, um als Transsexuelle erst die Pubertät verzögernde Hormone und dann eine geschlechtsangleichende Operation zu bekommen. Die Geschichte spielt in Bonn.

Hannah Winkler ist eine inzwischen 24-jährige Schauspielschülerin, die von sich sagt, sie esse gern und viel, sie schmökere in Romanen und Sachbüchern, sie liebe Schlager von Helene Fischer und Andrea Berg und sie schmuse besonders gerne mit ihrer Katze. Eine ganz normale junge Bonnerin also, mit dem Unterschied, dass die schlanke Frau mit den langen braunen Haaren über viele Jahre für diese Normalität gekämpft und sich gegen diverse Widerstände ihren weiblichen Körper erstritten hat.

In ihrem in Ich-Form geschriebenen Buch zieht sie als nun 24-Jährige Bilanz. Und die fällt für diverse Institutionen, mit denen Winkler zu tun hatte, nicht gut aus. Da wandert diese widerspenstige, aber gleichzeitig verzweifelte Person über die Notaufnahme am Bonner Bahnhof und über eine Tagesklinik durch Jugendhilfe-Heime und durch Schulen. Sie sei mit männlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen, habe aber bereits als Kind gemerkt, dass das, was es empfand, nicht mit dem Äußeren übereinstimmte, berichtet sie jedem.

Und fängt sich von der Umwelt, von Gleichaltrigen wie von Erwachsenen, Beschimpfungen wie "Transe", "Mannsweib" oder "Fummeltrine" ein. Das Mobbing will nicht enden. Im Rückblick hat Hannah Winkler Verständnis dafür, dass selbst unter den Erziehern kaum jemand weiß, was sie sich inzwischen angelesen hat: dass es sich bei Transsexualität um keine zu heilende Krankheit, sondern um eine "angeborene Normabweichung" handelt.

Der Leser ertappt sich gerade auch beim Betrachten der Kinderfotos dabei, nachvollziehen zu können, dass die Erziehungsberechtigten zögerten, dem Wunsch des Kindes stattzugeben. Dass sie Bedenkzeit einforderten, in der sich Dennis geistig entwickeln konnte, bevor einer so schwerwiegenden Entscheidung wie der Operation stattgegeben wurde. Andererseits macht Hannah Winkler auch klar, dass die biologische Uhr unwiederbringlich tickte.

Sie wollte mit einer zu späten Geschlechtsangleichung keineswegs so ins Erwachsenenleben starten, wie die Frauen, die sie abschreckten: die vor der Operation körperlich eben schon zum Mann geworden waren und ein Leben lang Beleidigungen der Umwelt wegstecken müssen. Das blieb ihr erspart. Ein mutiges Buch, das zur Diskussion anregt.

Info

Hannah Winkler, "Fe-male, Hinein in den richtigen Körper", ist im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, erschienen und kostet 9,95 Euro.

Transsexualität

Transsexuelle sind Menschen, die sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlen, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Sie sind nicht krank oder psychisch gestört, sondern leiden darunter, ihre Bestimmung nicht leben zu können. Die Zahl der Betroffenen ist unbekannt. Viele halten den Druck, der auf ihnen lastet, nicht aus, erkranken seelisch wie körperlich oder begehen Suizid. Jene, denen es dank moderner Medizin und Justiz gelingt, körperlich das Geschlecht zu erhalten, dem sie sich zugehörig fühlen, gehen einen steinigen Weg.

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