"100 Köpfe: Wir sind Bonn" Julia Koch: Kork statt Leder, Soja statt Fleisch

BONN · Die 25-jährige Studentin aus Bonn ist Veganerin. Allerdings nicht irgendeine: Sie ist "Germany's Sexiest Vegan 2015". Diesen Titel verlieh ihr die Tierrechtsorganisation PETA.

 Der Kühlschrank der Veganerin Julia Koch ist gut gefüllt. Hinein kommen nur pflanzliche Produkte.

Der Kühlschrank der Veganerin Julia Koch ist gut gefüllt. Hinein kommen nur pflanzliche Produkte.

Foto: Barbara Frommann

Was gibt's heute zum Abendessen? "Chili sin Carne", verkündet Julia Koch und präsentiert ihren gut gefüllten Kühlschrank. Hackfleisch findet man darin nicht. Vielmehr stehen da Hafermilch, Mandelmus und Obst. Für ihr Chili schmort sie Sojagranulat im Topf an. "Riecht wie Chili con Carne, schmeckt wie Chili con Carne und sieht ganz genauso aus - enthält aber kein Fleisch", versucht sie jeden Skeptiker zu überzeugen.

"Eat what elephants eat" steht groß auf ihrem T-Shirt. Diesen Spruch hat die Agrarwissenschaftlerin zum Motto gemacht. Denn genau wie die Dickhäuter isst Julia Koch nur pflanzliche Produkte. Und das bereits seit fünf Jahren. "Für mich muss kein Tier leiden und getötet werden", sagt sie. Vegan zu leben, bedeutet ihr weitaus mehr, als bloß Nahrungsmittelphilosophie. "Ich lege Wert darauf, dass ich nachhaltige Produkte bekomme, die fair hergestellt und gehandelt werden", so die 25-Jährige.

Allerdings ist ihr die Ernährungsumstellung von vegetarisch auf vegan nicht ganz leicht gefallen. "Am Anfang fiel es mir schwer, auf Käse zu verzichten. Ich hatte regelrecht Heißhungerattacken", erinnert sie sich. Nach einem Monat hatte sie die überwunden.

"Man braucht eine gewisse Zeit, um mit alten Gewohnheiten zu brechen und den Körper zu entwöhnen", weiß sie aus Erfahrung. Nicht nur ihre Ernährung hat sie aus Überzeugung umgestellt, ihr ganzes Leben ist frei von Tierprodukten. Die schicke Handtasche ist aus Kork, die Kopfkissen sind nicht mit Federn oder Daunen gefüllt, sie trägt keine Lederschuhe und würde niemals Knöpfe aus Horn an ihrer Kleidung tolerieren. Die konsequente Haltung stellt sie jedoch oftmals vor Probleme. "Es gibt in Bonn nur einen einzigen Laden, in dem ich mich bedenkenlos einkleiden kann. Deshalb kaufe ich viel über das Internet."

Mal schnell auf dem Weg nach Hause Lebensmittel einkaufen, das geht auch nicht immer. Denn als Veganer muss man höllisch aufpassen. "Wir haben zwar unsere Stammgeschäfte, in denen wir wirklich gute frische Ware bekommen. Aber wenn wir mal in einen anderen Laden gehen, dann müssen wir ganz genau hinschauen", berichtet sie aus dem Alltag. Was als vegan deklariert sei, würde nicht immer ohne Zusatz von tierischen Inhaltsstoffen hergestellt. "Wein und Säfte werden beispielsweise gerne mit Hühnereiweiß geklärt."

Was am Anfang noch schwierig war, das wird jetzt immer einfacher. "Viele Geschäfte führen bereits ein gutes veganes Sortiment. Wir haben um die Ecke einen Imbiss, der macht köstliche vegane Döner, das Café nebenan bietet Cupcakes an, die wir bedenkenlos essen können. Außerdem gibt es ein Restaurant, das Leberkäse, Kaiserschmarrn oder Käsespätzle vollkommen ohne tierische Produkte herstellt." Und wenn es mal schnell gehen muss? "Pommes! Die werden in Deutschland ausschließlich in Pflanzenfett frittiert."

Doch vegan allein ist nicht immer auch kalorienarm. "Das glauben viele. Aber auch wir müssen uns ausgewogen ernähren. In veganen Fertiggerichten stecken eben auch zu viele Kalorien."

Überzeugungsarbeit will sie nicht leisten. "Wir haben einen gemischten Freundeskreis und werden natürlich auch zu Grillfesten eingeladen." Allerdings habe sich ihr Geruchs- und Geschmacksempfinden enorm verändert: "Ich kann den Geruch einer Bratwurst nicht ertragen, daher gehe ich dann einfach weg vom Grill."

Bei Familienfesten kann sie allerdings ganz sicher sein, dass sie alles aus Töpfen und Schüsseln genießen kann. "Nicht nur meine Eltern und meine Schwester, sondern auch meine Großeltern haben ihre Ernährung umgestellt", freut sie sich.

Das Thema Vegan hat mittlerweile das gesamte Leben von Julia Koch eingenommen. Denn zusammen mit ihrem Freund bringt sie seit Dezember 2014 das Magazin "Vegan Good Life" heraus. Derzeit arbeiten sie an der dritten Ausgabe. "Wir sind wirklich überrascht, wie viel positive Resonanz wir darauf bekommen haben", freut sie sich und nascht derweil noch ein Stückchen Schokolade: Geschmacksrichtung Nougat - natürlich ohne Milch hergestellt. Und der Selbsttest beweist: Den Vergleich mit einer herkömmlichen Sorte müssen diese Riegel wirklich nicht scheuen.

Typisch bönnsch

Das sagt Julia Koch über Bonn:

An Bonn gefällt mir...

... die besondere Atmosphäre, die Beschaulichkeit und Großstadt miteinander verbindet.

An Bonn vermisse ich...

... vernünftige und sichere Radwege. Gerade mein Weg zur Uni ist nicht ungefährlich.

Mein Lieblingsplatz ist...

... eindeutig der Marktplatz. Den Blick auf das Rathaus genieße ich oft.

Typisch bönnsch...

... sind die Menschen. Sie geben sich weltoffen, meckern aber auch schon mal gerne.

GA-Serie (Folge 83)

Eine Stadt ist so vielfältig wie die Gesichter der Menschen, die hier wohnen und arbeiten, lernen und kreativ sind. Es gibt Erfolgsgeschichten, Liebesgeschichten, Lebensgeschichten oder Alltagsgeschichten. In der Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" porträtieren wir jeweils einen Bonner.

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