Im Tiefkühlfach gefundene Säuglinge Ist Mutter der Babys unschuldig?

BONN/SIEGEN · Sitzt die 32-jährige Studentin, deren zwei neugeborene Kinder im August in Bonn und Siegen in Tiefkühlfächern entdeckt wurden, unschuldig hinter Gittern?

Ihr Siegener Anwalt Daniel Nierenz ist davon überzeugt, nachdem ein Pathologe der Bonner Universität in beiden Fällen einen natürlichen Tod aufgrund von Plazentaschädigungen für nicht ausgeschlossen hält. Der ermittelnde Siegener Staatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss aber sieht den Fall anders.

Für ihn steht bisher aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens fest: Beide Säuglinge haben nach der Geburt gelebt und zwar bis zu 30 Minuten. Damit steht für ihn auch fest, wie er dem GA erklärte: "Mit diesem Ergebnis werden die Angaben der Kindsmutter nicht bestätigt."

Die 32-jährige Bonner Studentin, die wegen des Verdachts des zweifachen Totschlags in Untersuchungshaft sitzt, hatte nach ihrer Festnahme versichert, sie habe die beiden männlichen Säuglinge nach deren Geburten am 13. September 2013 in Bonn und am 7. August in Siegen für tot gehalten, da sie "grau" und "leblos" gewesen seien. Das aber widerspricht laut von Grotthuss den Erkenntnissen der Rechtsmedizin.

Tatsächlich aber, so erklärte der Siegener Staatsanwalt auch, hätten selbst intensive rechtsmedizinischen Untersuchungen nicht die Frage beantworten können, was den Tod der beiden Säuglinge verursacht habe. "Es konnte weder eine natürliche Todesursache festgestellt werden noch eine gewaltsame."

Er wolle nun weitere Experten hinzuziehen, um zu klären, wie die Säuglinge starben. Das sei auch deshalb nötig, um die Schuld der Mutter festzustellen. Denn, so von Grotthuss: "Es soll ja niemand verurteilt werden, der unschuldig ist." Und das ist die 32-Jährige, will man ihrem Verteidiger glauben.

Er erklärte dem GA am Freitag: Der Bonner Pathologe habe die Plazenta in beiden Geburtsfällen untersucht und krankhafte Veränderungen festgestellt. Und diese Schädigungen, so der Gutachter, seien geeignet gewesen, eine Totgeburt oder den Tod kurz nach der Geburt zu verursachen.

Für Anwalt Nierenz steht damit fest: Die Kinder, die beide im siebten Schwangerschaftsmonat zur Welt kamen, lebten zwar ausweislich des rechtsmedizinischen Gutachtens bei der Geburt, starben aber auf natürliche Weise kurz danach. Und weil sie die Kinder nicht habe weggeben wollen, habe sie sie im Tiefkühlfach aufbewahrt. Er ist sicher: "Meine Mandantin sitzt seit dreieinhalb Monaten unschuldig in Haft." Das aber steht für den Staatsanwalt keineswegs fest, da die Rechtsmediziner keine Schädigungen der Säuglinge festgestellt hätten.

Die Ermittlungen gegen die Studentin, die mit ihrem Freund jahrelang in Bonn wohnte, hatte deren ahnungslose Familie in Siegen ins Rollen gebracht. Zu ihr war die 32-Jährige kurz vor der zweiten Geburt gezogen, und Anfang August fand ihre Großmutter im Tiefkühlschrank eine Babyleiche.

Wenig später fand die Polizei in der Bonner Wohnung der 32-Jährigen im Tiefkühlfach die zweite Leiche, die dort elf Monate lang versteckt lag. Der 36-jährige Freund der Studentin, Vater der toten Kinder, hatte seinem Anwalt Michael Hasslacher zufolge nichts von all dem geahnt. Auch gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das aber, so von Grotthuss,werde demnächst eingestellt: "Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass er beteiligt war."

Der 36-Jährige hat laut Hasslacher nur einen Wunsch: Er wolle wissen, warum das alles passiert sei. Sein Mandant habe inzwischen wieder Kontakt zu der 32-Jährigen aufgenommen und sie im Gefängnis besucht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort