„Es bricht mir das Herz" Interview mit der Mutter eines Rauschgiftsüchtigen

Bonn · Die 44-jährige Mutter von Lukas S. schildert den Weg ihres Sohnes in die Drogensucht. Alle Hilfen waren bisher vergebens.

Weihnachten ist das Fest der Familie. Wie war es für Sie?

Marita S.: Mein Sohn ist nicht gekommen, wie ich gehofft hatte. Das war schon sehr schwer für mich. Ich hatte große Hoffnung, dass die letzte Therapie, die er mitgemacht hat, dieses Mal erfolgreich sein könnte. Er hat sie leider – wie so viele vorher – abgebrochen und spritzt wieder Heroin.

Sie haben noch zwei jüngere Töchter. Wie gehen sie damit um, dass ihr Bruder Drogen konsumiert und auf der Straße lebt?

Marita S.: Ich finde, erstaunlich gut. Wenn ich manchmal klage, wie schwer mein Leben ist, sagen sie, das Leben ihres Bruders sei doch viel schwerer. Da haben sie völlig recht. Meine Töchter sind aus einer anderen, viel späteren Beziehung und haben sich bisher prima entwickelt. Sie sind beide sehr gut in der Schule und anders als Lukas (Name geändert) mir gegenüber offen.

Was, glauben Sie, ist denn bei Ihrem Sohn schiefgelaufen?

Marita S.: Warum er drogenkrank geworden ist, kann genau wohl niemand sagen. Ich weiß nur, dass er nach der recht schweren Geburt direkt in die Kinderklinik kam, weil er Anpassungsschwierigkeiten hatte. Ich war damals sehr jung, gerade 20, und hatte anfangs keine so feste Bindung zu ihm aufbauen können. Sicher spielt auch eine Rolle, dass ich mit seinem Vater zu der Zeit bereits auseinander war.

Andererseits hatte ich für ihn viel mehr Zeit als für meine Töchter, weil ich damals noch nicht voll gearbeitet habe, und meine Mutter, die jetzt sehr krank ist, sich auch noch viel um ihn kümmern konnte. Wenn man Lukas nach seiner Kindheit fragt, sagt er selbst, dass sie sehr glücklich war. Heute ist er ein hochsensibler Mann. Er hat kaum Selbstbewusstsein und frisst alles in sich hinein.

Wie fing das denn mit den Drogen bei ihm an?

Marita S.: Er war noch recht jung, so 13, 14 Jahre, als er mit seiner Clique die ersten Joints geraucht hat. Natürlich habe ich das auch mitbekommen, ich habe schließlich als Teenager wie viele andere auch das eine oder andere ausprobiert. Was ich zunächst nicht gemerkt habe, ist, dass Lukas seine Grenzen nicht finden konnte. Er hat keine innerliche Grenze, so wie ich das von mir kenne. Ich wusste, wann es genug war und ich aufhören musste. Er weiß es nicht. Vielleicht kommen auch die Gene dazu. Mein Vater war Alkoholiker.

Was haben Sie gemacht, als Sie merkten, dass er von den Drogen nicht mehr wegkam?

Marita S.: Mein Sohn und ich haben das volle Hilfsprogramm absolviert. Geholfen hat es nicht. Wir waren in der Sucht-, in der Erziehungsberatung und beim Jugendamt. So oft. Nichts hat am Ende genützt. Lukas hat mir gesagt, das mit der Erziehungsberatung habe er mir zuliebe gemacht. Er wollte, dass es mir besser geht. Ist das nicht verrückt?

Wie halten Sie den Kontakt zu Ihrem Sohn?

Marita S.: Die Berater sagen ja, man soll ihn besser abbrechen, weil man sonst co-abhängig wird. Aber ich bin seine Mutter. Ich lasse ihn nicht allein. Ich besuche ihn fast täglich in der Szene, wo er sich meistens aufhält. Ich bringe ihm Essen und frische Sachen. Ich biete ihm immer wieder an, nach Hause zu kommen, das will er aber nicht.

Woher hat er Geld für die Drogen?

Marita S.: Er erhält Hartz IV und bettelt. Ich versichere Ihnen, er nimmt anderen nichts weg, auch mir nicht. Er klaut nicht. Dazu ist er psychisch und physisch gar nicht in der Lage.

Haben Sie noch Hoffnung, dass Lukas es schafft, drogenfrei zu leben?

Marita S.: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Aber ich weiß auch, das schaffen nur die wenigsten. Es geht nur, wenn der Drogenkranke entscheidet, dass er wirklich clean sein will. Das sehe ich bei meinem Sohn nicht. Noch nicht. Es bricht mir das Herz zu sehen, wie er sein Leben zerstört.

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